Ah, welch Wohltat! Kein gedeckter Tisch, keine Gäste, keine Menus, keine Kameras.

Die Maschinen ziehen weiter. Die gut geölte Medienmaschine hat sich am letzten Tag schnell und lautlos wieder auf den Weg gemacht, keine Spuren hinterlassen und mich ausgespuckt, wenn auch nicht verdaut. Hier ist alles wieder normal, nur die Berge gewaschenen Geschirrs und die Mengen an Lebensmitteln im Kühlschrank zeugen von Normabweichung. Auch meine Maschine läuft wieder, die folgenden Tage sind wieder Business as usual, schmierige Deals im Schutz halbbeleuchteter Industriegelände auf den Motorhauben betagter großvolumiger Benze und so. Viel gefahren, viel gegrübelt über die vorangegangenen Tage.

Medien sind ein komisches Ding. Das Pack kommt, fährt immens Manpower und Equipment auf, wuschelt einen derbe durch wie ich den Micki manchmal und geht wieder. Zurück bleibt ein völlig sinnloses Produkt, reines Vorabend-Entertainment, das Turf, das so garnicht meins ist.

Medienmenschen sind auch ein komisches Ding. Alle Freiberufler, viele ziemlich getrieben, extrem viele Raucher dabei, die meisten recht jung, keiner in irgendeiner Weise an irgendwas gebunden. Nomaden. Söldner. Cooles Leben vermutlich. Wie das wohl so ist, in einem Troß aus Bussen, voll mit Equipment in irgendwelche Regionen reinzufallen und solche und andere Formate abzudrehen. Wir sind für die ja nur Rohmaterial, klar. Beutezug.

Und was für ein Streß, Kameras in seiner Umgebung zu haben. Wie halten echte Prominente sowas aus? Und wer möchte sowas erstreben?

Die größte Sorge meiner Frau: daß ich jetzt in irgendnem Verteiler bin und die mal wieder für irgendwas anfragen könnten. Sie weiß, ich würde zusagen.

Interessant sind die Unterschiede zu anderen Produktionen. Man merkt schon, daß das Format vergleichsweise billig zusammengeschustert wird. Im öffentlich-rechtlichen werden an Minderhonks wie mich ganz andere Gelder gezahlt, man wird ganz anders versorgt (Essen, Maske, Fahrgeld etc.) und ganz anders betreut, selbst, wenn man nur was im Regional-TV wie SWR macht. Auch werden deren Features viel intensiver hergestellt: mehr Manpower, viel mehr Zeit, viel mehr Recherche und wesentlich gründlicher.

Und auf den ersten Teil der Experience – dem Kochen – folgt dann irgendwann der zweite Teil: die Ausstrahlung.

Eine erstaunliche Zeit. Der Euphorie der Dinnertage folgte die Ernüchterung. Was hab ich alles gesagt vor der Kamera? Was für ein Monster können die da aus mir formen? Irgendwann kommt mir in den Sinn, daß es hierbei ja nicht darum geht, daß ich mal was leckeres zu essen bekomme, sondern daß die ein Produkt aus uns erstellen. You’re just the product being sold.

Okay, ändern kann ichs nicht mehr. Wir warten also auf den Ausstrahlungstermin, der auf Ende Februar avisiert wird. Soll mir recht sein, noch ne Zeit lang hin.

Das Dinner war ein ziemlicher Ankerpunkt. Vor dem Dinner hab ich mir gesagt: beim Dinner gibst Du es Dir jetzt nochmal richtig, danach gehst Du endlich Deine Diät an. Das hat geklappt: im Vergleich zum Dinner sind 15 Kilo runter. Ich brauch solche Markierungspunkte, um mir Ziele zu setzen.

Ich halte losen Kontakt mit den Kandidaten. Am meisten mit Sabine. Ich mag sie gern, das Zumbading find ich lustig, wir reden über ein live Zumbaevent bei uns auf der Burg – der Wurm muß dem Fisch schmecken , nicht dem Angler – und als sie mir von einer Charity-Veranstaltung zugunsten eines örtlichen Kinderheims berichtet, spende ich ihr einen Großteil meiner Dinnergage. Birgit ist nicht im Internet vernetzt, ich bekomme hier und da eine SMS von ihr, über die ich mich immer sehr freue. Ab und zu sind wir in dem Hotel, in dem sie arbeitet und immer finde ich eine Überraschung im Zimmer vor. Auch das mag ich. Christoph ist völlig abgetaucht. Ist okay, was sollen wir miteinander?

Aus Februar wird Ostern, nix. Ich hab die Nummer schon ziemlich verdrängt, als dann auf einmal der Buschfunk meldet: Euer Dinner kommt. 10.-13.6.

Okay. Dinner. Vox. Fernsehen.

Es geht dann irgendwie alles recht schnell, die ersten Ankündigen bei facebook und Co. treffen ein. Und schon ist Dienstag. Ich bin hin- und hergerissen zwischen: whoa, schau ich mir an und whoa, will ich garnicht sehen. Mittlerweile bin ich lebensmäßig ganz woanders, vieles hat sich geändert, innerlich und äußerlich. Was mir besonders bewußt wird, als ich die erste Folge sehe. Hui, da ist es Winter, mein Sakko spannt und ich hab noch Autos mit Benzinmotor. Ganz andere Epoche. Witzig.

Aber es ist blitzschnell alles wieder da. Was auch daran liegt, daß das Tagebuch, das ich mal für mich geschrieben hatte, wieder hervorkommt und über Luxify veröffentlicht werden soll. Ich lese es durch und freu mich auf einmal wieder über die Nummer. Auch als das erste Dinner ausgestrahlt wird, ist alles sofort wieder da.

Man muß den Vox-Leuten echt zugute halten: das, was sie da ausstrahlen, ist tatsächlich dem, was ich empfunden habe, sehr nahe. Kein in die Pfanne hauen, keine billigen Gags auf Kosten anderer, kein Foulspiel. Die Kandidaten werden so gezeigt, wie alles war, ich hab Freude an der Aufzeichnung und an den originellen Einfällen. Okay, Arte würde das anders machen, aber Dinner ist auch definitiv kein Frauentausch.

Krass hingegen: die Foren. Man hatte uns vorgewarnt: im Internet laufen die Drähte zuweilen heiß. Es gibt einige Kanäle, die von der Vox-Produktion editiert werden, aber auch freie Foren widmen sich der Thematik. Und man merkt, daß die Zuschauerzahl immens ist. Zwischen 3 und 5 Millionen Zuschauer! Und einige davon sind auch in Foren aktiv.

Das Bild ist schnell klar. Birgit ist gleich mal das Haßobjekt, weil sie keine Tätowierten und Gepiercten am Tisch mag. Hierbei spielt es keine Rolle, daß hier eine ältere Dame vom Dorf ihre putzigen Ressentiments äußert, der Mob steigt gleich voll drauf ein. Von Shitstorm möchte ich nicht reden, aber ich bin froh, daß Birgit kein Internet hat und die Häme nicht lesen muß. Sabine hat schnell den Ruf der Prollerina weg und wird wegen ihrer Garderobe und ihrer ungepflegten Erscheinung angegangen. Ist mir so garnicht aufgefallen, sie ist halt, wie sie ist. Christoph ist natürlich gleich der Schwarm der ganzen bräsigen, Amicelli fressenden Planschkühe und ich bin der Schnösel. Surprise.

Die erste Ausstrahlung gefällt mir gut, ganz schlimm hingegen die zweite. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber alles ist katastrophal. Ich kann mich selbst nicht anschauen, finde mich fett und ätzend, finde die Show banal und ziemlich langweilig und bin froh, als es rum ist. Was erstaunlich ist, da ich den Abend selbst in anderer Erinnerung habe. Aber mir fällt auf: die Kamera verändert einen komplett. Ich kann einigermaßen frei sprechen und vor einem Mikrophon bekomme ich durchaus zusammenhängende Sätze aus. Mein Gedanke während der Show: Das mit dem reden vor der Kamera klappt immer besser. Aber wenn man das sieht, wirkt das eben nicht wie ein flüssiger Satz, sondern total gekünstelt und affektiert. In der ersten Folge gehts noch einigermaßen, in der zweiten Folge ist’s ganz schlimm. In der dritten dann gehts wieder und in der vierten Folge kann ich mir wieder zuhören. Merkwürdige Erfahrung.

In den Foren tobt der Mob weiter. Zentrales Thema: die Punktevergabe. Insbesondere meine Punktevergabe wird kritisiert: zu wenig, zu wenig! Klar, der Mob wittert Taktik. Dabei ist da keine Taktik. Birgit bekommt von mir 7 Punkte, damit ich für die weiteren Gäste Spielraum in beide Richtungen habe. Da Sabine schlechter ist, bekommt sie eben 6 Punkte.

Der Mob kennt natürlich nur, was er vom Fernsehen her sieht. Er weiß nichts von faden Saucen, schlechten Weinen und langen Wartezeiten. Birgit scheiße, also Essen scheiße. Sabine total cool, also Essen super. Mir wird Taktik und Strategie unterstellt, die Schnöselrufe werden lauter, erste Vergleiche mit Kai Diekman, Roger Willemsen und von Guttenberg folgen. Mich wundert, daß Heinz-Rudolf Kunze nicht genannt wird, aber klar, den kennt hier natürlich keiner. Ich überdenke meine Idee, in den Foren garnicht aktiv zu werden.

Am dritten Abend dann Christoph. Seine Show gefällt mir wiederum sehr gut. Christoph ist ein netter Kerl und seine Show extrem schön anzusehen, hat wirklich großen Spaß gemacht. Aber – ich habs ja geschrieben – kochmäßig ist’s das einfach nicht. Ich gebe wieder 6 Punkte und der Mob läuft Amok. Hier beginne ich, mich der Diskussion zu stellen und zu erklären, warum ich wie gehandelt habe. Und siehe da: es funktioniert. Auf einmal kommt Ruhe in die Diskussion. Es melden sich andere, die ebenso bewertet hätten und andere, die es gut finden, daß sich überhaupt mal ein Kandidat äußert.

Besonders lustig: die Hater. Manche fallen durch besonders gehässige Kommentare auf, häufig Frauen. Ich mach mir den Spaß, die einzeln anzuschreiben. Manchen erklär ich was, manche werden drauf hingewiesen, daß mir ihr Ton nicht gefällt, immer freundlich ,immer entspannt. Und siehe da: auf einmal sind sie alle handzahm. Ich hab hier gestern teilweise mit 10 Mädels gechattet, die mir dann die lustigsten Stories erzählt haben.

Warum mach ich das? Man kann sagen, was man will: vor Kritik ist niemand gefeit. Wenn ich hier was schreibe, stoße ich ab und zu auf Kritik oder Widerspruch, aber es ist immer freundlich im Duktus. Das hier ist meine digitale Heimat. Draußen ist das anders. Da reden Leute über ein Fernsehprogramm und es ist ihnen scheißegal, daß sie sich da über Menschen äußern. Logisch, die äußern sich nicht über Menschen, sondern übers Fernsehprogramm. Das ist eine abstrakte Sache, die kann man problemlos scheiße finden. Meldet sich das Programm dann aber auf einmal zurück und fängt an, zu diskutieren, ist das für viele eine neue Erfahrung. Am nächsten Tag ist meine FB-Box jedenfalls voll mit Freundschaftsanfragen.

Tag 4. Mein Tag. Ich kenne mein Ergebnis, ich weiß, daß ich verloren habe und weiß, daß ich am besten gekocht habe. Die Sendung an sich interessiert mich nicht mehr, mich interessieren die Foren und mich interessiert das Treffen mit den anderen heute abend.

Wir treffen uns im Restaurant meiner Schwester. Sie hat mitgekocht und die Niederlage deutlich schwerer hingenommen als ich. Birgit sagt als erste zu, sie ist tatsächlich sehr interessiert daran, Kontakt zu halten. Auch Christoph sagt umgehend zu, was mich wundert, da er die ganzen Monate komplett abgetaucht war. Sabine ziert sich erst und will mit ihren Freundinnen schauen. Irgendwann hab ich sie so weit, daß sie mit ihren Mädels in die Eselsburg kommt. Ich erhalte Backup von meinen Mädels und meiner Mitarbeiterin – und vom Heintzi.

Unsere Sendung beginnt. Und ich bin ziemlich überrascht. Die hauen auch mich nicht in die Pfanne, obwohl ich wohl das dankbarste Futter für einen Privaten wäre, Schnösel wirft man dem Volk gern zum Fraß vor. Nee, alles gut. Ich mag, was die da zeigen und kann mich damit identifizieren. Klar, das bin ja auch ich. Ich mag, was sie aus Micki machen und ich bin total begeistert über die kostenlose Werbung. Hallo? Weiß Vox jetzt nicht mehr, was Werbung sonst kostet? Sprüche gut, Maser startet nicht, Gemüsefrau sieht älter aus als ich, Küche läuft, Schwester gut drauf.

Die Gerichte sehen auch gut aus. Das muß denen draußen doch auffallen. Und: tut es auch. Die Stimmung dreht sich. Es fällt einigen auf, daß meine Sachen durchdachter, ausgefeilter und schöner sind, daß meine Zutaten besser sind und daß wir offenbar besser kochen. Es fällt auch auf, daß meine Gäste extrem nörgelig sind.

Die Foren fangen an, Spaß zu machen. Wir stellen Bilder von uns ein, die Hater muß ich mittlerweile nicht mehr selbst abstrafen, das machen andere. Okay, die Tatsache, daß Fußball-WM zeitgleich läuft, tut sicherlich ihr übriges dazu, daß die Diskussion nicht mehr so scharf geführt wird. Egal.

Wie zu erwarten, ist das ganze ein Strohfeuer. Da wird gedankenlos konsumiert, währenddessen kommentiert und in der Sekunde, in der ein neues Programm beginnt, vergessen. Mittlerweile ist wieder Ruhe in den Threads, keine Sau mehr da. Lustig, zuvor war noch die Hölle los.

Naja, heute geht die neue Staffel los. Ich werd sie mir nicht anschauen.

Aber ich möchte mich bedanken für den Zuspruch. Mir hat das gut gefallen, hier die Kommentare zu lesen, ich fand gut, daß nicht alle einhellig begeistert waren und ich stelle immer wieder fest, daß kaum ein Forum so gut und fair diskutieren kann wie dieses hier. Ich hoffe, daß der eine oder andere die hin und wieder eingestreuten R-L-X-Insider bemerkt hat und hoffe in erster Linie, daß das ganze amüsant war für euch.

Freitag mittag hat mich meine Bankerin angesprochen: ich hab Sie im Fernsehen gesehen. Und auf unserem Festival am Abend in Neustadt war ich mir sicher, daß einige komisch geschaut haben. Naja, vielleicht lags auch an meiner krassen orangenen Sonnenbrille.

Text: © Tobias Ueberschaer
Fotos: © VOX / ITV

Kommentare