Hautvillers, gesprochen wird das O-wi-lee, liegt genau auf dem Weg zwischen Paris, der Hauptstadt, und Reims, der Stadt, in der 35 französische Könige gekrönt wurden. Mehr als 20 Invasionen zählt man hier und diese gehen auch an der 650 gegründeten Abtei nicht spurlos vorbei.

DSC_5655bk

1570 spendet Caterina de‘ Medici Geld, um die Abtei zu renovieren. Knapp einhundert Jahre später, 1668 kommt der damals 29 Jährige Dom Pérignon in die Abtei. Um die Abtei weiter zu renovieren und zum Teil neu zu konstruieren benötigt er Geld. Dieses erhofft er sich durch den Anbau und Verkauf von Wein.

n

Die Abtei kann seinerzeit Weinberge von 10 Hektar Größe ihr Eigen nennen. Diese befinden sich auf dem Gelände des heutigen Ortskerns von Hautvillers.

In seiner Schaffenszeit erweitert Dom Pérignon den Bestand auf 25 Hektar und somit zu einem der größten Anwesen der Champagne. Schnell wird ihm klar, dass wenn er einen teuren Wein produzieren will, dieser ein Weißwein sein muss. Das Burgund liegt quasi vor der Haustüre und der Rotwein dort wird auf Grund der geographischen Lage reifer, als er dies hier werden könnte.

130822Luxify_Champagne_trip-161

130822Luxify_Champagne_trip-162

130822Luxify_Champagne_trip-145

Doch wird in der Champagne bereits fast überall Pinot Noir angebaut, aus deren Schale beim damals ausschließlich praktizierten Pressen mit den Füßen die Farbe entweicht und den Wein rot färbt. Beim Wandern durch die Weingärten merkt Dom Pérignon eines Tages aber, dass wenn man die einzelne Traube mit den Fingern zerquetscht, der auslaufende Saft weiß ist. Er entwickelt eigene Pressen, die den Saft schonend aus den Trauben bringen und somit die Basis für einen weißen Wein bilden.

Aber Dom Pérignon hat noch ein weiteres Problem. Die Abtei besitzt verschiedene Weinberge mit insgesamt 68 unterschiedlichen Parzellen. Somit müsste er 68 Weine produzieren. Er kommt auf die Idee, die Weine zu vermischen und stellt somit die erste Assemblage her.

DSC_5847bk

DSC_5851bk

DSC_5872bk

In seinem Gasthaus empfängt Dom Pérignon eines Tages einige Engländer, die ihm von soliden Flaschen aus Glas erzählen. Da er seinen Wein bisher immer in Holzfässern anliefern muss und dies sehr umständlich ist, ist er interessiert und bestellt einige Flaschen.

Seinen neuen Wein füllt er sogleich in diese Flaschen ab und entschließt sich, diese mit einem Naturkorken zu verschließen. Er umwickelt die Korken mit einer Schnur für besseren Halt und lagert sie im Keller der Abtei.

DSC_5886bk

130822Luxify_Champagne_trip-181

130822Luxify_Champagne_trip-171

130822Luxify_Champagne_trip-150

Was Dom Pérignon nicht ahnt: auf den Traubenschalen befindet sich Hefe, die in den Wein gelangt und im Frühling beginnt, mit dem darin befindlichen Zucker zu reagieren. Im Keller ist der Teufel los. Flaschen zerbersten, Korken springen aus den Flaschen. In der Abtei denkt man, der Wein sei Teufelszeug. Doch Dom Pérignon kostet den Wein und ist begeistert!

„Ich trinke Sterne!“ soll er gerufen haben. Der Champagner ist geboren. Die Agenten Ludwig XIV hören von diesem revolutionären Produkt und bestellen Dom Pérignon an den Hof des Sonnenkönigs.

DSC_5885bk

Der Champagner Dom Pérignons wird zum Lieblingsgetränk am Hofe, schon damals zum fünffachen Preis einer normalen Flasche Wein.

Dom Pérignon und Ludwig XIV – den Mann des Schattens und den Sonnenkönig  eint nicht nur ihre Liebe zum Champagner und ihr Geburtsjahr. Beide sterben auch fast zur selben Zeit, im September 1715.

Zwar wird nach dem Tode Dom Pérignons genau niedergeschrieben, was man über die Herstellung des Champagners weiss, doch letztlich imitiert man immer nur ohne zu wissen, was genau in den Flaschen passiert. Eine wirkliche Ahnung, wie viel Zucker, wie viel Hefe in den Wein muss, hat man nicht und so sind in Dokumenten dieser Zeit auch Aussagen zu finden wie „wir wissen nicht, ob wir dieses Jahr schäumen werden“.

DSC_5814bk

DSC_5833bk

Als Claude Moët 1743 seine Firma gründet, ist noch immer mehr als die Hälfte des Weines still. Sprudelt der Wein, ist es Champagner und geht an die Königshäuser. Bleibt er still, wird er regulär als Wein verkauft.

1791 werden im Laufe der Französischen Revolution die Mönche vertrieben, die Abtei ist verlassen und wird 1823 von Pierre Gabriel Chandon als Familiensitz erworben.

DSC_5801bk

DSC_5848bk

DSC_5822bk

DSC_5914bk

Erst Anfang der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnt man durch die Forschungen Louis Pasteurs zur Fermentation die Prozesse zu verstehen, die aus einem Wein einen Champagner machen.

Die erste Cuvée unter dem Namen Dom Pérignon kommt jedoch erst 1921 auf den Markt. Die Flaschenform ähnelt der, der ersten Flaschen, welche Dom Pérignon damals aus England bezog.

DSC_5908bk

Doch nicht nur der erste Champagner unter dem Namen Dom Pérignon feiert in diesem Jahr Premiere. Nein, auch die ersten Modelle einer britischen Automarke erblicken 1921 erstmals das Licht der Welt: Bentley.

Heute, 92 Jahre später, dürfen nun ausgerechnet wir diese beiden Mythen hier in Hautvillers zusammenbringen. Mit diesem Wissen, von dem wir zugegebenermaßen am Anfang unserer Reise noch keine Ahnung hatten, stehen wir nun, ziemlich aufgeregt, vor dem Tor der Abtei.

DSC_5906bk

Andréa entschuldigt sich kurz, sie wolle etwas klären. Sie kommt zurück mit einer Nachricht, die wir so nicht erwartet hätten. Wir dürfen in die Abtei fahren. Dies ist normalerweise nur einer einzigen Person erlaubt: dem Kellermeister Richard Geoffroy höchstpersönlich!

DSC_5792bk

130822Luxify_Champagne_trip-191

130822Luxify_Champagne_trip-193

Das schwere Holztor öffnet sich und dahinter erschließen sich, eingerahmt von sattgrünen Wiesen, und hellweißen Kieswegen, die Gebäude der Abtei. Langsam fahren wir hinein, es knirscht unter den Reifen des Continental, der Motor säuselt leise. Wir stoppen auf dem großen Platz vor dem ehemaligen Presshaus, von dem aus man das Marnetal überblicken kann. Wir, ganz allein an diesem historischen Ort – ein unbeschreibliches Gefühl.

DSC_5892bk

DSC_5808bk

130822Luxify_Champagne_trip-213

130822Luxify_Champagne_trip-209

Ganz allein sind wir dann doch nicht. Eine Angestellte kommt mit einer Flasche des gerade erst in den Handel kommenden 2004er Jahrgangs Dom Pérignon und drei Gläsern auf uns zu.

DSC_5858bk

Gut 17 Jahre ist es her, dass ich meine erste Flasche Dom Pérignon kaufte. Kein anderer Champagner hat es jemals geschafft, solche Glücksgefühle in mir auszulösen und auch beim Jahrgang 2004 bekomme ich augenblicklich ein Glitzern in den Augen.

Für mich ist der 2004er ein ganz typischer Dom Pérignon. Richard Geoffroy, der Kellermeister, kann die Besonderheiten dieses Jahrgangs aber naturgemäß viel besser in Worte fassen als ich.

DSC_5867bk

Für ihn besitzt der Vintage 2004 die für Dom Pérignon typische Harmonie und Abgerundetheit, aber auch die Vielschichtigkeit. Im Laufe der Zeit wird, so sagt er weiter, der 2004er dunkler, tiefgründiger, intensiver und eindringlicher.

Antonio Galloni vom Robert Parker Board nennt den Jahrgang 2004 eine pralle, fokussierte Version des Dom Pérignon Stils, der sich von den ungestümen Jahrgängen 2002 und 2003 abhebt.

DSC_5864bk

Dieser Champagner, hier, an diesem historischen Platz. Dazu dieses Wetter und natürlich dieses herrschaftliche Gefährt – gesucht haben wir das ultimative Prickeln. Ich habe es gefunden. Hier und jetzt. Ein Gefühl vollkommener Zufriedenheit. Eine Mischung von Freude, Glück und Aufregung. Ich schaue hinüber zu Michael und erkenne, er sieht das nicht anders.

DSC_5891bk

130822Luxify_Champagne_trip-154

130822Luxify_Champagne_trip-156

Ob wir noch ein Glas haben möchten, fragt uns Andréa. Schließlich sei es doch schade, den Rest verkommen zu lassen. Das muss sie uns nicht zweimal sagen. Es sind Augenblicke, bei denen man sich innerlich wünscht, sie würden nie vergehen. Augenblicke, von denen man ein Leben lang zehren wird. Einmalige Augenblicke.

Die Sonne senkt sich langsam, wir parken das Auto bei Elodie, deren Residenz nur wenige Meter vom Kloster entfernt liegt und treffen in einer kleinen Brasserie nebenan noch einige ihrer Freunde. Zusammen essen wir noch eine Kleinigkeit, ehe auch dieser Tag zu Ende geht.

DSC_5917bk

Am nächsten Morgen geht es für uns zurück. Von der Champagne in den Rheingau. Für die Rückfahrt hat Michael einen ganz besonderen Test geplant. Wie verbrauchsarm kann man eigentlich so einen Bentley GTC W12 bewegen. Und welche Strecke ist dafür besser geeignet als eine leere, begrenzte französische Autobahn.

Automatik also auf D und konstant im 8. Gang bei 130 bis zur Französisch-Deutschen Grenze gleiten. Bei Grenzübertritt liegt der Durchschnittsverbrauch bei 13,9 Litern. Wir sind stolz, angesichts dieser Leistung. In Deutschland aber geht der Verbrauch sehr schnell wieder in Richtung der 20 Liter Marke und darüber.

DSC_6485bk

Laufend scheren Autos vor uns aus und zwingen uns zum Abbremsen und erneuten Beschleunigen. ‚Überholprestige‘, das merkt man schnell, hat so ein Bentley kaum. Je nach Geschwindigkeit kann dies mitunter etwas unangenehm werden.

Da der Durchschnittsverbrauch nun sowieso dahin ist, entscheiden wir uns angesichts einer nun endlich freien Autobahn für einen weiteren Test. Beschleunigung. Und die ist, egal aus welcher Geschwindigkeit, brachial. Im Sport Modus fliegt die Tachonadel einfach nur so in Richtung 200er Marke und auch jenseits dieser setzt bei Betätigung des Gaspedals noch ordentlich Vortrieb ein. Dank Allradantrieb ist dieser auch weitestgehend gut beherrschbar.

Wir beschleunigen weiter. 250? Also bitte! 260? Naja, ganz nett. 270? Schon besser. 276 … 277 … 278 … 279 …. Auf einmal ein Alarmsignal! Was passiert hier? Das Display gibt Auskunft. „Zu schnell für Reifendruck“ ist dort zu lesen. Oha!

DSC_6494bk

DSC_5400bk

Über den Bordcomputer kann man einsehen, dass, so man die Endgeschwindigkeit erreichen möchte, tatsächlich erst einmal der Reifendruck erhöht werden muss. Erst mit 3,3 bar rundum ist der Bentley für Vmax gerüstet. In Ermangelung einer Tankstelle brechen wir unseren Test ab und begnügen uns mit der Werksangabe von 314 km/h.

DSC_5366bk

DSC_5363bk

Viel zu schnell sind wir wieder zurück am Frankfurter Flughafen, viel zu schnell ist unsere Mission beendet. Zum Schluss lösen wir dann sogar noch das Geheimnis dieses seltsamen Pfeifens im Innenraum. Es ist die Sitzlüftung des Beifahrersitzes. Schaltet man sie aus, wird es im geschlossenen Bentley wirklich komplett still.

Tags drauf komme ich dann auch noch in den Genuss, den Bentley einmal bei schlechtem Wetter kennen zu lernen. Ein Erlebnis, auf welches man gut verzichten kann. Die Scheibenwischer rubbeln, dass es eine Qual ist, beim Öffnen der Türen läuft das Wasser auf die Schulter, beim Öffnen des Kofferraums vom Deckel direkt in den Laderaum. Nein, das GT Cabriolet wurde definitiv für schönes Wetter gebaut. So macht das keinen Spaß.

Es ist wieder Montag, als ich um 9 Uhr in ‚meinem‘ Bentley sitze und auf die Abholung warte. Aus dem Radio spielt es ‚Turn it into something special‘, die Titelmelodie aus dem Dieter Wedel Mehrteiler ‚Die Affäre Semmeling‘. ‚ Turn it into something good , there’s a chance you really could, turn it into something special‘ heißt es da und ich denke mir, irgendwie passt das perfekt zu den letzten sieben Tagen.

DSC_6527bk

Kaum zu Ende gedacht, fährt auch schon der Spezialtransporter vor. Dann geht alles ganz schnell. Der Bentley wird verladen, festgezurrt, dann heißt es für ihn ab nach Hamburg, für mich endet ein Traum. Einer jedoch, der mich in meiner Erinnerung noch lange begleiten wird.

Und das Fazit? 230.000 Euro, das ist eine Ansage für ein Auto, zu dem es sicher sportlichere Alternativen gibt. Günstigere Alternativen allemal. Alternativen mit mehr Platz und vor allem mit weniger Verbrauch. Vergangenes Jahr präsentierte Bentley einen wesentlich sparsameren und auch leichteren V8 Motor im Continental GT. Der W12 kommt mir in Anbetracht dessen fast schon vor, wie ein Dinosaurier. Er ist unvernünftig, der Verbrauch im Grunde inakzeptabel, das Gewicht (2,5 Tonnen!) brutal. Nein, eigentlich kann man so ein Fahrzeug heutzutage guten Gewissens kaum mehr fahren. Und trotzdem, oder vielleicht auch gerade deswegen: der GTC hat sich in unsere Herzen gefahren, in diesen sieben Tagen.

Manchmal braucht es eine Portion Unvernunft, um das ultimative Prickeln zu erleben. Manchmal muss man sich einfach selbst erlauben, das Leben in vollen Zügen zu genießen, sich darauf einlassen, sich wirklich wohl zu fühlen. Der Bentley Continental GTC W12 strahlt eine Zufriedenheit aus, eine Gelassenheit, wie kaum ein anderes Auto, das wir bisher fahren durften. Er steht über den Dingen, trotz seiner Eigenheiten. Kein Aufreißertyp, keiner, der noch irgendjemandem irgendetwas beweisen muss sondern einer, der bereits angekommen ist. Ein Auto, das unmissverständlich klar macht: hier hat sich jemand ganz bewusst entschieden. Für das Beste.

Bisher erschienen: Teil 1, Teil 2 und Teil 3.

DSC_5920bk
Fotos: © Michael Prünner & Percy Christian Schoeler

Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2013

Kommentare