Sprechen wir über Vorurteile. Meine erste Begegnung mit AIDA liegt gute 18 Jahre zurück. In Kiel besichtigte ich das seinerzeit neuste Schiff der Deutschen Seereederei Rostock, welches Tags zuvor von der damaligen First Lady Christiane Herzog getauft wurde. Es hieß AIDA und sollte das erste Clubschiff werden. Eine neue Zielgruppe – junge Leute – und ein zur damaligen Zeit äußerst gewagter Schritt.  Doch die Andersartigkeit, die war mir von Anfang an suspekt. Woran ich mich bis heute erinnere, das ist das Besteck, welches an Ständern auf den Tischen hing. Befremdlich für einen eingefleischten Kreuzfahrer wie mich. Das kann nix werden.

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Hamburg – Tor zur Welt und Ausgangspunkt für eine Woche AIDAsol

Fast zwei Jahrzehnte sind seither vergangen. Zwei Jahrzehnte, in denen ich auf Schiffen etlicher Reedereien unterwegs war. Nur eine, die klammerte ich aus. AIDA. Dabei ist das von mir seinerzeit argwöhnisch beäugte Konzept zum vollen Erfolg geworden. Gleich zehn AIDA Schiffe bereisen derzeit die Weltmeere, Nummer 11 und 12 sind bereits im Bau.

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Crystal Symphony im Dock von Blohm & Voss

Kreuzfahrt, das bedeutet für mich aber auch heute noch sich schick zu machen, abends in gehobenen Restaurants essen zu gehen und tagsüber in Ruhe zu entspannen. AIDA hingegen steht für mich für das komplette Gegenteil. Kurze Hosen und Sandalen beim Essen, große, überfüllte Buffetrestaurants und aufgezwungene Animation den ganzen Tag.

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MS Europa vor der Elbphilharmonie

Für mich viele Gründe, eben nicht mit AIDA zu reisen. Genügend Gründe aber auch, es doch einmal zu versuchen. Vorurteile wollen sich schließlich von Zeit zu Zeit auch einmal bestätigt wissen.

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Mein Schiff 1 am Kreuzfahrt-Terminal Altona

Mein Versuchsobjekt heißt AIDAsol, wurde 2011 von der Meyer Werft in Papenburg abgeliefert, ist eines von vier Schiffen der sogenannten modifizierten Sphinx-Klasse und liegt am heutigen Samstag am Hamburg Cruise Terminal am Grasbrock.

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Die Route: Nordeuropa 1. Hamburg – Southampton – Le Havre – Zeebrügge – Amsterdam – Hamburg. Vier Destinationen, zwei Seetage. Es gibt sicher einfachere Möglichkeiten, Städte wie London oder Paris zu besuchen, als sich von den jeweiligen Hafenstädten aus auf 10-stündige Busfahrten einzulassen aber sei es drum – mein Ziel ist diesmal ja das Schiff selbst. Und dafür ist diese Route mehr als geeignet.

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Auf der Sol genießen die Fahrgäste der vorangegangenen Reise noch die letzten Minuten an Bord, im Terminal mit den bunten Containern finden sich langsam die Neuen ein. Da AIDAsol alle sieben Tage die gleiche Route fährt ist die Anzahl der Gäste, die zwei Fahrten hintereinander buchen naturgemäß gering. Erstaunlich: zwischen spätestem Ausschiffungszeitpunkt (11 Uhr) und frühestem Einschiffungszeitpunkt (11:30) liegt nur eine halbe Stunde. Ungewöhnlich, aber gut für die Gäste, kommende wie gehende.

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Das Sonnendeck am Abend

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Gut schaut sie ja aus, die AIDAsol. Mit ihrem legendären Kussmund, einer schnittigen Linie, dem großen Glaskegel in der Mitte und dem hübschen Schornstein mit den farbenfrohen vier Buchstaben. Und trotzdem, fast schon ein bisschen wehmütig blicke ich auf die hinter ihr liegende MS Europa. Dort hätte ich heute schließlich auch sein können. White Night, die Hamburger Gourmetnacht mit insgesamt 9 anwesenden Michelin-Sternen. Stattdessen also eine Woche Buffetrestaurants, Papierservietten und Besteckständer. Sollte noch jemand Zweifel haben, welch harten Job ich habe – eat this! 😉

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Große Gourmetnacht an Bord der Europa

An Bord die erste Überraschung. Alles wirkt von der Größe her eher beschaulich. Und sehr gemütlich. Mit einer BRZ von 71.304 gehört die AIDAsol unserer Tage zwar sowieso fast schon zu den kleineren Einheiten, doch andererseits – 253,33 Meter Länge und 32,2 Meter Breite und 15 Decks sind so klein nun auch wieder nicht.

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Rezeption auf Deck 5

Schauen wir uns mal um, auf der AIDAsol. Außer der Rezeption auf Deck 5 befinden sich bis hinauf zu Deck 8 ausschließlich Kabinen. Die öffentlichen Bereiche beginnen auf Deck 9. Zwei große Treppenhäuser gibt es, dazu Aufzüge, vorne sechs und hinten vier. Mehr als ausreichend, denn wie sich zeigt, nehmen AIDA Gäste ganz gerne mal die Treppen. Man stelle sich das einmal auf amerikanischen Schiffen vor.

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Hinteres Treppenhaus

Das große, zentrale Atrium zieht sich über die Decks 9, 10 und 11 und heißt hier Theatrium. Warum? Weil hier im wahrsten Sinne des Wortes die Musik spielt. Hier finden zweimal täglich, meist um 18:30 Uhr und 20:30 Uhr, die Shows statt, dazwischen lädt der Entertainment Manager zu seiner Primetime ein.

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Das Theatrium

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Das Konzept dieses offenen und auf diese Art auch ein wenig unverbindlichen Theatriums gefällt mir ausgesprochen gut. Man ist nicht gefangen wie in einem klassischen Theater, kann mal reinschnuppern und bei Gefallen einfach bleiben. Es passt zu dem Anspruch, der hier an Bord quasi überall gelebt wird. Jeder kann das machen, worauf er gerade Lust hat. Ganz anders, als ich das vermutet hatte.

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Das gilt auch für die von mir so schwer gefürchtete Animation. Diese fällt erstens wesentlich dezenter aus als gedacht, ist zweitens aber auch auf das Pooldeck begrenzt. Wer seine Ruhe haben will, der legt sich einfach woanders hin. Platz gibt es genug, Liegen und Stühle ebenfalls. Einzig an einem sonnigen Seetag kann es schon einmal etwas schwierig werden, zwei oder mehr Liegen direkt nebeneinander zu bekommen. Der Reservierungswahn ist zwar kein rein deutsches Problem, er ist aber, wie überall, so auch hier an der Tagesordnung.

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Poolbereich auf Deck 12

Eng wird es beim Auslaufen aus Hamburg. Was Gäste auf vielen anderen Schiffen oft eher wenig interessiert, zumal während der Essenszeiten, hier stehen nahezu alle Passagiere an der Reling und genießen das Spektakel. „Hoffentlich verträgt das Schiff soviel Schlagseite“ höre ich irgendwo hinter mir. Tut es.

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Adieu Hamburg – vorbei an Blankenese und der Airbus Werft

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Die AIDAsol gleitet langsam vorbei an der Elbphilharmonie, der inzwischen an die Überseebrücke übergesetzten MS Europa, den Landungsbrücken, der bei Blohm&Voss liegenden Crystal Symphony und der am Cruise Center Altona festgemachten Mein Schiff 1. Zum Auslaufen erklingt AIDAs Auslaufmelodie, Sail Away von Enya. Die Sonne bricht Elbabwärts hinter der Airbus Werft zwischen den Wolken durch, was für eine Stimmung. Gänsehaut!

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Mit zunehmend sinkenden Temperaturen und aufkommendem Fahrtwind lichten sich die Freidecks dann doch langsam (hübsch übrigens die fest installierten Ferngläser) und die gut 2.200 Passagiere ziehen weiter in die Restaurants.

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Derer gibt es einige an Bord. Drei Hauptrestaurants liegen im Heckbereich des Schiffes. Auf Deck 9 ist es das Markt Restaurant mit zwei Tischzeiten, auf Deck 10 das Bella Donna und auf Deck 11 das asiatisch gehaltene East Restaurant. Jedes hat seine ganz eigene, typische Architektur, Buffetrestaurants sind allerdings alle drei.

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Sushi Bar im East Restaurant

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Aussenbereich des East Restaurant

Hinzu gesellen sich der California Grill, welcher Burger & Co. bietet, sowie das Schiffseigene Brauhaus mit selbst gebrauten Bieren und echter Biergarten Atmosphäre.

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Brauhaus-Biergarten

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Pizza & Burger im California Grill

Wer auf á la Carte steht, der wird im Buffallo Steak House oder im Rossini fündig. Das Essen kostet hier Aufpreis. Keine pauschale Cover Charge allerdings, berechnet wird das, was bestellt wird. Die Preise, etwa 24,50 Euro für ein Wagyu Steak oder 32,50 Euro für ein 6-Gang Menü auf Sterne-Niveau sind ein Witz, gemessen an dem, was man erhält, trotzdem scheinen sich auf dieser Fahrt nur wenige hierfür zu entscheiden. Sind AIDA-Gäste doch eher alles Buffet-Esser?

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Gourmet-Restaurant Rossini

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Schade, denn ein Menü im Rossini ist wirklich etwas Außergewöhnliches. Franz Schned, Chef de Cuisine, arbeitete zuvor in Christian Jürgens‘ legendärem Restaurant Überfahrt und lässt mit seinen kulinarischen Zaubereien die verpasste Gourmetnacht schnell vergessen.

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Franz Schned erklärt die Vorräte

Andererseits ist das etwas schwache Interesse an den Bezahl-Restaurants an Bord aber auch nicht ganz verwunderlich, denn das Essen in den Buffet Restaurants ist geschmacklich wie qualitativ äußerst gut, selbst wenn eingefleischte AIDA-Repeater mir mehrfach bescheinigen, dass es früher eben doch noch eine Spur besser war.

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Abendessen im Markt-Restaurant

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Kann ich als Erstreisender oder „Entdecker“, wie es gut sichtbar auf meiner Bordkarte steht, natürlich nicht beurteilen, doch selbst als absoluter Buffet-Meider finde ich immer wieder die ein oder andere Leckerei und freue mich auf das Abendessen im Markt-Restaurant, welches mein Favorit unter den Hauptrestaurants wird. Irgendwie fühle ich mich hier am wohlsten und durch die zwei Tischzeiten (18:00 – 19:30 und 20:00 – 21:30) finde ich auch später am Abend meistens schnell einen Platz.

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Zu den Tischzeiten sind Softdrinks, Tischwein (Rot und Weiß) und Bier inkludiert. Letzteres, Berliner Pilsener, ist äußerst süffig und lecker.

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Noch besser natürlich ist das selbstgebraute Zwickl im Brauhaus. Dieses Naturtrübe schmeckt herrlich und lässt mich auch den längsten Helene Fischer Themenabend mit einem zufriedenen Lächeln überstehen.

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Das Brauhaus

Neben Oktoberfest-Stimmung im Brauhaus bietet das täglich wechselnde Entertainment Programm noch viele weitere Möglichkeiten. Zu viele manchmal, um zu wissen, wo jetzt grad der Bär steppt. Grundsätzlich aber gibt es am Abend zwei Shows im Theatrium oder eine Poolparty an Deck, danach zieht es die Jüngeren in die Anytime Bar, während ältere Semester in der AIDA Bar ihre Musik finden.

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Anytime Bar

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Moment. Ältere Semester? Auf der AIDA? Gibt’s das? Gibt’s wohl! Es mag an der gerade zu Ende gegangenen Ferienzeit liegen oder am Fahrtgebiet – das Durchschnittsalter liegt auf dieser Reise AIDA-untypisch (?) bei irgendwas zwischen 50 und 60 Jahren. Sogar Rollatoren kann man vereinzelt sichten. Wer hätte das gedacht?

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AIDA Bar

Die gleich mehrere Generationen umfassende Gästeschar ist letztlich aber nur konsequent. Erst vor kurzem verschwand der Zusatz „Das Clubschiff“ aus dem AIDA Logo. Der Club Direktor heißt nun General Manager und die Realität zeigt, dass AIDA tatsächlich weit mehr ist, als ein lautes Partyschiff.

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Der Tag geht zu Ende, die Poolparty beginnt. 

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Ist das einstige Clubschiff erwachsen geworden? Das klären wir in Teil 2 unseres Schiffstests und Reiseberichts über die AIDAsol.

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Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2014

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