Achtzehn Jahre ist es her, dass ich mir meine erste „gute“ Uhr kaufte. Es sollte, so der naive Plan, die einzige Uhr sein, die ich in meinem Leben noch benötigen würde. Die Uhr für’s Leben eben. Knapp 6 Jahre lebte ich so dann auch glücklich und zufrieden in diesem Glauben, bis der Uhrenvirus erneut ausbrach und bis heute nicht wieder erfolgreich bekämpft werden konnte. War ich anfangs blind gegenüber allen Uhren, welche keine fünfzackige Krone auf dem Zifferblatt hatten, begegnete mir im Laufe des Jahres 2004 eine Uhr, die mir meine Scheuklappen abnehmen sollte.

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Audemars Piguet Royal Oak, Ref. 15300ST aus den 2000er Jahren

Sie war so – anders. Und irgendwie faszinierte mich das sofort. Flach, mit achteckiger Lünette, sechseckigen Schrauben, integriertem Band, hoffnungslos Seventies und trotzdem einfach zeitlos. Es war die Royal Oak von Audemars Piguet.

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Deckel aus Stahl – eine Royal Oak 25402 aus den 70ern

Sie war die Uhr, die mich erkennen ließ, dass, um es mit diesem gnadenlos abgedroschenen Spruch zu erklären, andere Mütter eben auch schöne Töchter haben. War das mit der Uhrenleidenschaft zuvor schon schwierig genug, so wurde es mit dieser neuen Erkenntnis erst richtig hoffnungslos.

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AP Royal Oak Ref. 25402ST

Indes, um die die Royal Oak selbst wurde es trotzdem eher ruhig bei mir. Das lag zum einen am dann doch recht exorbitanten Preis für eine Stahluhr, zum anderen aber auch an damaligen Berichten über recht lange Servicezeiten. Klar, alles nur Hörensagen aber viel Geld zahlen und dann im Falle eines Falles eventuell auch noch warten, das erschien mir nicht als der Weisheit letzter Schluss. Nach und nach verschwand die Royal Oak aus meinem Blickfeld.

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Aktuelle Modelle: die 15202ST (links) und 15400ST (rechts)

Als ich mir vergangenen Monat die Highlights der 90. Auktion des Auktionshauses Dr. Crott näher anschaute, waren unter den Exponaten auch zwei AP Royal Oaks. Eine 15300ST aus 2007 und eine 25402ST aus 1976. Als ich letztere um meinen Arm schnallte, war es um mich geschehen. Augenblicklich.

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Fallen in love – again: Audemars Piguet Royal Oak „Jumbo“ Ref. 25402ST bei Dr. Crott Auktionen

Diese Gehäuseform, die Art, wie sich das Band ums Handgelenk schmiegt, einmalig schön. So etwa muss sich Sméagol gefühlt haben, als er zum ersten Mal den Einen Ring anlegte. Mein Schatz! Am liebsten hätte ich die 25402ST gar nicht mehr abgelegt. War auch die 15300ST eine großartige Uhr, so hatte das extrem flache Design der 70er doch noch das gewisse Etwas mehr. Schade eigentlich, dass Audemars Piguet diese Uhr heute nicht mehr baut.

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Aktuelle Dreizeigeruhr: die 15400

Doch halt! Das machen sie! Fast jedenfalls. Die Ur-Royal Oak Jumbo heißt heute 15202ST und ist, neben der aktuellsten Inkarnation 15400ST mit Manufakturkaliber, einer der Grundpfeiler der Royal Oak Kollektion. Schande über mich, dass mir das bis dato nicht bekannt war!

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Urahn der ersten Jumbo: die superflache 15202

Diese Woche nun hatte ich die seltene Gelegenheit, mir diese beiden Uhren zusammen anzuschauen. Faszinierend: wäre die 15202ST nicht noch komplett verklebt, man könnte denken, es handele sich tatsächlich um eine 5402ST aus 1972. Größter Unterschied der beiden Uhren ist die Datumsscheibe. Stach sie damals noch als Fremdkörper mit schwarzen Ziffern auf strahlend weißem Grund hervor, sind nun weiße Ziffern zu sehen, auf einer Datumsscheibe, die Ton in Ton zur Farbe des Blattes gehalten ist. So lasse ich mir Evolution durchaus gefallen.

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Ansonsten aber sieht die 15202 aus wie die legendäre erste Royal Oak Jumbo, gute vier Jahrzehnte zuvor. Das gilt auch für das Werk. Denn hier verrichtet nach wie vor das Kaliber 2121 seinen Dienst, ein ultra-flaches Werk, entwickelt von der Manufaktur Jaeger-LeCoultre.

Ein ultra-flaches Werk? Wollen wir dessen Licht nicht unter den Scheffel stellen. Das 2121 basiert auf dem Jaeger-LeCoultre Kaliber 920, dem mit 2,45 Millimetern flachsten Automatik-Werk mit zentralem Aufzugsrotor überhaupt, welches ebenfalls von Vacheron Constantin und Patek Philippe genutzt wurde, nun aber exklusiv Audemars Piguet zur Verfügung steht. Mit Datumsfunktion bringt es das 2121 auf immer noch erstaunliche 3,05 Millimeter.

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Kleiner Wermutstropfen: das 2121 verfügt nicht über eine Datumsschnellverstellung. Zum Glück aber lässt sich das Datum trotzdem relativ schnell verstellen, in dem die Uhrzeit zwischen 10 Uhr und 2 Uhr hin und hergestellt wird.

Im Gegensatz zum Ur-Modell glänzt die aktuelle Jumbo mit einem Glasboden, durch welches das wunderschöne Werk betrachtet werden kann. Hier fällt besonders die Konstruktion des Aufzugrotors auf, bei dem die Schwungmasse fest mit einem das Werk umschließenden Ring verbunden ist und somit kein horizontales Spiel hat.

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Das Kaliber 2121 schwingt mit 19.800 Halbschwingungen pro Stunde, was 2,75 Hz entspricht. Die Gangreserve beträgt 40 Stunden. Auffällig ist, dass die 15202ST keine verschraubte Krone hat. Trotzdem liegt die Wasserdichtheit bei immerhin 50 Metern.

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Mit 39 Millimetern ist der Gehäusedurchmesser nach heutigen Maßstäben fast schon eher zierlich. 1972, als die erste Jumbo auf den Markt kam, sah das allerdings noch ganz anders aus. Die Größe war aber nicht das einzig ungewöhnliche Merkmal der Royal Oak.

Erstmalig wurde ein Uhrengehäuse aus rostfreiem Edelstahl so bearbeitet, wie dies sonst nur für Schmuckuhren aus Gold üblich war. Etliche Kanten und Fasen, die per Hand poliert, angliert und satiniert wurden, um der Uhr ihr außergewöhnliches Finish zu verleihen. Beim Band hatte jedes Glied einer Bandhälfte seine eigene Forum und Größe.

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Und auch die Konstruktion der Uhr selbst ging neue Wege. Die Lünette wurde mit Hilfe von acht Schrauben mit dem Gehäuse fest verschraubt, die große Dichtung unter der Lünette war nach außen hin sichtbar.

Diese ganz spezielle Bauweise wird bei den Royal Oak Modellen bis heute beibehalten. So tragen auch die aktuellen Modelle ihre Dichtung sichtbar nach außen und in der Lünette sitzen die acht Sechkant-Schrauben aus Weißgold, deren Schlitze immer parallel zum Glasrand stehen. Sie sind verschraubt mit Hülsen, die von der Unterseite aus durch das Gehäuse reichen. Konstruktion wie Design stammen von Gerald Genta, dessen Handschrift auch viele weitere ikonische Uhren dieser Zeit tragen.

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Zifferblatt einer 25402ST aus den späten 70er Jahren

Ein weiteres besonderes Merkmal der Royal Oak Modelle war und ist das Tapisserie Zifferblatt, welches noch heute auf den alten Original Maschinen bei Audemars Piguet gefertigt wird. Es gibt mittlerweile verschiedene Varianten, die 15202ST allerdings schmückt heute wieder das Petite Tapisserie Blatt mit unzähligen kleinen Quadraten.

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Zifferblatt der aktuellen „Jumbo“, der 15202ST

Nachdem man zwischenzeitlich auch beim Extrathin Modell dazu übergegangen war, das Logo auf 12 Uhr zu setzen, sitzen beim aktuellen Modell die großen AP Lettern wieder dort, wo sie auch bei der Ursprungsversion zu finden waren: auf 6 Uhr. Der 12-Uhr Marker ist als Doppel-Index gesetzt. Im Grunde unterscheidet sich das Zifferblatt der Jumbo anno 2014 nur noch durch den Font des Audemars Piguet Schriftzuges selbst erkennbar vom historischen Original.

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Einen anderen Weg geht da die Ref. 15400ST.  Sie ist die moderne Interpretation der Royal Oak. Ihr schwarzes Zifferblatt ist mit einem Grande Tapisserie Muster verziert, das AP Logo sitzt etwas dezenter bei 12 Uhr und sie bringt einen zentralen Sekundenzeiger mit.

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Mit 41 Millimetern Durchmesser ist sie spürbar größer, allerdings ist das Gehäuse auch ein ganzes Stück dicker. Nichts desto trotz geht auch die 15400 als eine verhältnismäßig dünne Uhr durch. Zumindest, solange man die 15202 nicht direkt daneben legt.

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Audemars Piguet Royal Oak 15202ST (oben) und 15400ST (unten) 

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Zum Vergleich: die Modelle 15300ST (oben) und 25402 (unten)

Konzept und Finissierung sind auch hier vom Original übernommen und entsprechend über jeden Zweifel erhaben. Im direkten Vergleich bemerkt man auch, dass nicht nur das Gehäuse etwas mehr ‚auf den Hüften‘ hat, sondern auch die Bandglieder etwas dicker sind.

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Wunderbare Kanten

Beide Modelle verfügen über die aktuelle verdeckte Doppelfaltschließe mit AP Logo und zwei seitlichen Drückern zum öffnen.

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Band der 15202ST

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Aktuelle Doppelfaltschließe

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Schließe aus den 70ern (links) und den 2000ern (rechts) zum Vergleich

In der 15400ST ist das aktuelle Audemars Piguet Kaliber 3120 verbaut. Es ist ein Manufakturkaliber aus der Feder von Renaud & Papi mit 60 Stunden Gangreserve und einer Frequenz von 3 Hz (21.600 Halbschwingungen pro Stunde).

Im Gegensatz zum Kaliber 2121 verfügt es über eine Zentralsekunde, Sekundenstopp und ebenfalls über eine Datumsschnellverstellung. Die Krone ist hier verschraubt, trotzdem beträgt auch die Wasserdichtigkeit der 15400 verhältnismäßig übersichtliche 50 Meter.

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Zweimal Audemars Piguet, zweimal Royal Oak in Stahl. Zwei Uhren, die sich einerseits so ähnlich sind, sich andererseits dann aber in den Details doch stark unterscheiden.

Nun könnte man sagen, super. AP hat für jeden Geschmack die passende Uhr. Für diejenigen, die auf Vintage stehen, denn die bekommen mit der 15202ST genau die Uhr an den Arm, die sie sich wünschen. Und wer auf eine zeitgemäßere Version steht, für den ist die 15400ST goldrichtig.

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Seitenansichten: die 15400ST…

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… und die ultraflache 15202ST

Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn die Entscheidung fällt in Wirklichkeit unglaublich schwer. Warum? Jede der beiden Royal Oak Modelle für sich genommen ist eigentlich perfekt. Wäre da nicht die jeweils andere.

Die eine hat die grazile, flache Linie, gepaart mit dem wunderschön anzuschauenden Werk, die andere ist dafür der perfekte Allrounder mit dem eigentlich ansprechenderen Durchmesser. Ein echtes Dilemma.

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Royal Oak Extraflach mit faszinierender Optik – ist da überhaupt ein Glas drin?

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Nicht ganz so flach, dafür mit zeitgemäßerem Durchmesser – die 15400ST.00.1220ST.01

Bei der Entscheidung helfen könnte allerdings der Preis. Denn gegenüber der 19.200 Euro, welche man derzeit für die mit vollständiger Referenz 15202ST.00.1240ST.01 lautende Extrathin auf den Ladentisch legen muss, so man denn überhaupt zeitnah eine bekommt, klingen die 14.600 Euro der 15400ST.00.1220ST.01 schon geradezu nach einem echten Schnäppchen.

Zumindest ich bin jedenfalls froh, mich an diesem Tage nicht entscheiden zu müssen. Dumm nur, dass mir seither die Royal Oak wieder einmal nicht mehr aus dem Kopf geht. Welche? Na raten Sie mal….

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„Mein Schatz!“ – die Audemars Piguet Royal Oak 15202ST.00.1240ST.01 „Extraflach“

Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2014

 

 

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