Ein Grand Hotel. Ein Festsaal. Ein gesetztes Dinner. Auf der Bühne ein Pianist, der an seinem Flügel das Geschehen musikalisch untermalt. Der Maître und seine Servicemitarbeiter gleiten zu diesen Klängen geradezu tänzerisch durch den Saal, servieren die Teller unter den großen, silbernen Warmhalteglocken.

Das Grand Restaurant am Tage

Der Rotwein steht bereit, der silberne Käsewagen wartet auf seinen Einsatz. Die Menükarte verspricht im Ganzen gegartes Rindsfiletherz „nach Rossini Art“ mit Entenleber-Medaillon an Sommer-Trüffelsauce, dazu Kartoffelstock, verfeinert mit Olivenöl und kleinem glasiertem Gemüse.

Gleich, da bin ich mir ganz sicher, werden sie hereinkommen und sich an die elegant gedeckten Tische neben mir setzen: der griechische Reeder, der Filmstar aus Hollywood, die Operndiva aus Mailand, ja vielleicht sogar ein britischer Geheimagent.

Ist das jetzt noch real? Oder bin ich in einem Film? Wo bin ich hier überhaupt? Oder vielmehr – wann? In einer anderen Zeit? Man könnte es fast meinen.

Grand Hotel Kronenhof mit vorgelagertem Neubau und Spa

Mein Road-Trip mit dem Mercedes-AMG C 63S Cabriolet (mehr dazu gibt es hier) hat mich diesmal nach Pontresina geführt. Das liegt im Oberengadin, im Val Bernina, dem höchstgelegenen Seitental des Engadin. Ziel der Reise ist das Grand Hotel Kronenhof.

Salon Bleu

Einst war Pontresina gar bedeutender als St. Moritz. Und Ende September hat man das Gefühl, das wäre auch heute noch der Fall. Denn während das nur wenige Kilometer entfernte Ziel der Schönen und Reichen, des internationalen Jet-Set um diese Zeit schon in eine Art verfrühten Winterschlaf verfällt, ist in Pontresina noch ordentlich was los.

Blick in Richtung Corviglia

Nicht verwunderlich, denn das Wetter ist wunderbar, die Sonne scheint vom blauweißen Himmel, perfekte Voraussetzungen für ausgiebige Wanderungen oder, mehr so mein Ding, schöne Cabrio-Touren auf den nahegelegenen Passstraßen.

Überbleibsel einer vergangenen Zeit

Pontresina verdankt seine Bedeutung dem Bernina-Pass. Die Blütezeit für den örtlichen Tourismus begann Mitte des 19. Jahrhunderts.

Hier wartete die alte Frau Gredig auf Hotelgäste. Die Zimmerpreise, so wir erzählt, …

1848 kaufte Andreas Gredig für seinen Sohn Lorenz ein unterhalb der Kirche gelegenes Gasthaus namens Rössli. Lorenz Gredig erweiterte das Gasthaus nach und nach, indem er die Nebengebäude mit einbezog. Es folgte der Ausbau zum Hotel. Bis 1989 befand sich das Haus in Familienhand, die gegenüberliegende Bäckerei trägt noch immer den Namen der Familie Gredig.

… machte sie dabei vom Gepäck der Gäste abhängig

Fährt man heute aus Richtung St. Moritz bzw. Samaden die Via Maistra entlang, kommt man irgendwann zu einer Ampel. Die regelt den Verkehr auf der an ihrer engsten Stelle nur einspurigen Hauptstraße. Von der Ampel und einigen moderneren Gebäuden abgesehen, sieht hier alles auch heute noch so aus, wie irgendwann vor hundert Jahren.

Zur Rechten dann, versteckt zwischen den eng die Hauptstraße eingrenzenden Gebäuden, eine Einfahrt. Nein. Eher eine Vorfahrt. Eine gepflasterte – Zufahrt? Ein Ehrenhof, so die korrekte Bezeichnung. Umgeben vom Hauptgebäude und den beiden Seitenflügeln des Hotels. Eine beeindruckende Kulisse.

Zwischen 1896 und 1898 fand die große Erweiterung zum Grand Hotel Kronenhof und Bellavista statt, bei dem die bis heute erhaltene Optik der Anlage entstand.

Ich parke vor dem Eingang, direkt vor der im Boden eingelassenen Krone. Sofort ist ein livrierter Mitarbeiter zur Stelle, lädt das Gepäck aus und kümmert sich um das Fahrzeug.

Eine weitere Mitarbeiterin begrüßt mich und begleitet mich zur Rezeption. Neben dem Zimmerschlüssel, und fürwahr, das IST ein Zimmerschlüssel, erhalte ich noch einige nützliche Informationen, sowie ein Bergbahn-Ticket.

Im Sommer ist damit die Nutzung aller geöffneten Bergbahnen der Region Engadin / St. Moritz möglich. Kostenlos!

Eines der Treppenhäuser im Grand Hotel Kronenhof

Von der Rezeption aus betrete ich die Lobby und bin erst einmal sprachlos. Riesige, wirklich riesige Fenster, Stuckaturen und alte Deckenmalereien. Viel Gold, dazu Möbel in sattem, samtigem Rot, Blau und Gelb.

Grand Lobby

Mit dem Fahrstuhl geht es drei Stockwerke nach – unten! Verwirrend. Was soll das jetzt? Wo hat man mich bitte untergebracht? Auf Level B2 erwartet mich zunächst ein Kids Club mit einer Ausstattung, bei der ich am liebsten selbst noch einmal Kind wäre.

Kids Club

Ein paar Meter weiter stehe ich im Neubau des Kronenhofs, welcher, die Hanglage macht’s möglich, unterhalb des ursprünglichen Hotels angebaut wurde. Hier entstanden neben einer beeindruckenden 2.000 Quadratmeter Wellnessanlage, die als bestes Spa Resort des Landes gilt, sowie einer zweigeschossigen Tiefgarage, auch 28 neue Zimmer und Suiten.

Übergang Alt- zu Neubau

Während man nach der ersten großen Erweiterung anno 1898 über 350 Betten zählte, verfügt der Kronenhof heute, nach Zusammenlegung und Vergrößerung einzelner Zimmer, samt Neubau noch über insgesamt 112 Wohnräume, davon 38 Junior-Suiten und neun Suiten mit einer Größe zwischen 35 und 75 Quadratmetern.

Zimmer im neuen Gebäudeteil

Rund 35 Millionen Schweizer Franken ließen sich die Besitzer den Umbau kosten. Doch wem gehört jetzt eigentlich der Kronenhof? 1989 kauften Schweizer Privatinvestoren das Grand Hotel der Familie Gredig ab. 2004 erwarb die AG Grand Hotels Engadinerkulm das unter Denkmalschutz stehende Haus.

Kronenhof Suite

Hinter der Aktiengesellschaft steckt die Familie des griechischen Reeders Stavros Niarchos, der als Retter der St. Moritzer Luxushotellerie gilt. So gehört unter anderem auch das Kulm Hotel St. Moritz und die Luftseilbahnen Corvatsch und Piz Nair zur Gruppe. Zu Lebzeiten war Stavros Niarchos großer Freund der Gegend um St. Moritz, seine Familie ist heute größter privater Grundbesitzer dort.

Schönes Detail: zu Ehren des großen Reeders haben die Stützpfeiler des Schwimmbads die Form von Schiffsrümpfen.

Hallenschwimmbad

Das Grand Hotel Kronenhof ist das einzige 5-Sterne Superior Hotel in Pontresina. Die Lage, die Aussicht: spektakulär. Allgegenwärtig ist der Roseg Gletscher, der von vielen der Zimmer aus eingesehen werden kann.

Roseg Gletscher

Am Schönsten kann man den Blick bei einem Glas Tee in der großen Hotel-Lobby genießen. An sie schließen sich das Kaminzimmer, der Salon Bleu und der Salon Roseg an. Schlendert man durch die Räume, hat man hier eher das Gefühl, in einem Schloss zu sein.

Highlight aber ist und bleibt das Grand Restaurant, welches, wie auch die Hotelhalle, mit Deckenmalereien Otto Haberers aus Anfang 1900 verziert ist. Am Abend wartet der Maître hier bereits an der Flügeltür, führt zu Tisch und geleitet mit Service in solch einer Perfektion durch den Abend, wie man sie heutzutage nur noch selten findet.

Eingang zum Grand Restaurant

Am Ende des Restaurants gelangt man über ein paar alte, schiefe und krumme Stufen in den Weinkeller. Neben der Hotellerie betrieb die Familie Gredig seinerzeit nämlich auch eine Weinhandlung für Veltiner Weine. Mit Pferdekutschen wurden die großen Fässer seinerzeit nach Pontresina geführt.

Ab in den Keller

Heute dient der Weinkeller kleineren Feiern. Neben den riesigen Weinfässern findet sich hier altes Mobiliar, Leuchter, Schlitten und Skier, die Gäste irgendwann einmal zurückgelassen haben.

Das Ambiente im Keller des Grand Hotel Kronenhof ist atemberaubend. Man bräuchte sicher Tage, um hier alles zu entdecken. Jeder Gegenstand erzählt seine eigene Geschichte.

Neben dem Grand Restaurant verfügt der Kronenhof noch über ein weiteres Restaurant. Das Kronenstübli ist das Gourmetrestaurant des Hauses. In der 2017er Ausgabe des Gault-Millau kommt es auf 16 Punkte und damit zwei Hauben.

Gourmetrestaurant Kronenstübli

Gastgeberin Andrea Novotná wurde darüber hinaus Sommelier des Jahres.

Spezialität des Kronenstübli ist die Canard à la presse, eine im wahrsten Sinne des Wortes eindrucksvolle Entenzubereitung nach Vorbild der klassischen französischen Küche. Die Canard à la presse wird mit der silbernen Entenpresse am Tisch zelebriert. Der Preis: 196 CHF für 2 Personen.

Die silberne Entenpresse

Mein Tisch heute aber ist im Rahmen der Halbpension im Grand Restaurant reserviert. Das dargebotene 5-Gänge Menü spielt definitiv ebenfalls auf Haubenniveau. Dazu dieses einmalige Ambiente – und die Pianomusik. Auch wenn die Tische des griechischen Reeders, des Filmstars aus Hollywood, der Operndiva aus Mailand oder des britischen Geheimagenten (letzterer ist zumindest musikalisch in Form eines großartigen Pianosolos von „Writings on  the Wall“ anwesend) heute leer bleiben, es geht einfach nicht besser!

Mille Feuille mit Bourbon Vanillecrème und Feigen

Das gilt auch für das Frühstück am Morgen. Das Geschirr, die Darbietung der Speisen, das ist Hotellerie in ihrer feinsten Form. Das ist sensationell.

Frühstück Im Grand Restaurant

Eine herzliche Verabschiedung beim anschließenden Check-Out rundet einen tatsächlich rundum perfekten Aufenthalt ab. Das Auto steht bereit, das Gepäck ist bereits eingeladen, auf Wiedersehen, Grand Hotel Kronenhof. Bis hoffentlich sehr bald einmal wieder.

Mein Fazit: im Grand Hotel Kronenhof Pontresina erlebt man Hotellerie der alten Schule. Ein Grand Hotel, wie man es aus Filmen kennt. Traditionell, elegant, klassisch. Neben dem einzigartigen Ambiente erwartet den Gast Service vom Feinsten.

Ein Aufenthalt ist perfekt für jeden, der es liebt, auf sehr hohem Niveau verwöhnt zu werden, für den ein Luxushotel auch gerne eine Extraportion Geschichte ausstrahlen darf und für den es nicht zwangsläufig immer St. Moritz sein muss.

Mehr Informationen zum Grand Hotel Kronenhof, sowie aktuelle Angebote gibt es auf der Homepage des Hotels.

 

 

Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2016

 

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