Ich bin der falsche Mann für diesen Job. Das habe ich ihnen gleich gesagt. Hotels, Restaurants, Wellness, alles kein Problem. Aber bitte, kein Sport. Und da zählt wandern für mich bereits dazu.

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Bekommen haben sie mich letztlich über die Genuss-Schiene. Denn rund um Flims, Laax und Falera werden zwei unterschiedliche so genannte Kulinarik Trails angeboten. Die Idee ist eigentlich ziemlich genial. Man nimmt ein 3-, respektive 5-Gang Menü zu sich, jeder Gang wird dabei aber in einer anderen Location, Gasthaus, Restaurant, Hotel eingenommen. Dazwischen wandert man jeweils so eine, anderthalb Stunden zum nächsten Gang.

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Kleiner Vorgeschmack auf den heutigen Tag

Klar, früher hat man sowas einfach auf eigene Faust gemacht. Warum sollte man das jetzt vorher buchen? Eigentlich eine gute Frage. Vielleicht, weil man auf die Art die jeweiligen Spezialitäten kennen lernt und gegenüber den Einzelbestellungen auch noch etwas Geld spart. Das Argument zieht doch immer, oder?

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Rheinschlucht

Die größere Tour der beiden Kulinarik Trails heißt Berg und Sicht. Sie ist auf eine Gesamtdauer von ca. 8 Stunden ausgelegt, davon etwa fünfeinhalb Stunden reine Wanderzeit und beinhaltet fünf Stationen. Auf Panoramawegen geht es von Flims über die Runcahöhe nach Laax und dann weiter bis nach Falera. „Das ist aber schon ein bisschen anspruchsvoller.“ Oh! Ok. Ich nehme dann die andere Tour.

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Caumasee

Wald und Wasser heißt diese, soll 6-7 Stunden dauern, davon dreieinhalb Stunden Wanderzeit, führt von Flims aus an Caumasee, Rheinschlucht und Crestasee vorbei wieder zurück nach Flims. Das Menü umfasst drei Gänge, sprich drei Stationen. Ehrlich, so richtig Bock hab‘ ich ja nicht, aber hey, mein Beruf ist manchmal halt kein Zuckerschlecken. Tu es für luxify! Ok.

Festes Schuhwerk ist die Kleidungsempfehlung für heute. Und am besten eine atmungsaktive Jacke. Ich wähle Stiefletten von Crockett & Jones, Modell Islay, sowie eine Eskdale Steppjacke von Barbour. Perfekt ausgestattet begebe ich mich zum Treffpunkt, der Rezeption des signinahotel.

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Crestasee

Dort wartet bereits Christina auf mich. Sie ist mein Guide für heute. Sie trägt: echte, also richtige Wanderschuhe und eine funktionale, atmungsaktive Jacke. Und ich merke nicht erst an ihrem Blick, dass mein Outfit wohl doch nicht ganz so perfekt ist, wie ich mir das als elender Städter so eingebildet habe.

Kurz möchte ich einwenden, dass dies ja exakt die Schuhe seien, mit denen sich James Bond in Skyfall durch das schottische Moor kämpfte und diese ja wohl für einen simplen Graubündner Waldspaziergang locker ausreichen würden, doch dann denke ich mir, dass wenigstens so ein bisschen Restwürde mir vielleicht doch noch ganz gut zu Gesicht stünde. Schließlich sind wir erst am Anfang unserer Tour.

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James Bond hätte seine Freude. 

Mit dem Shuttlebus geht es vom rocksresort bis zur Station Flims Waldhaus. Das Wetter ist gut. Besser als tags zuvor zumindest, ja es zeigt sich sogar vereinzelt die Sonne. Und ich habe meine Sonnenbrille vergessen. Gut, dass Christina Ersatz dabei hat. Eine Art Wayfarer in weiß. Ein bisschen fühle ich mich nun wie Elton John aber das ist mir jetzt auch egal. Moment, wie war das doch gleich mit der Restwürde? Ach, eh scho wurscht.

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Faszinierendes Gebäude in Flims Waldhaus.

Erste Station des Kulinarik Trails Wald und Wasser ist der Braukeller der Aktienbrauerei Flims Waldhaus. Da wandern wir jetzt hin. Geschätzte Entfernung: 70 Meter. Die erste Hürde ist denn auch schnell gemeistert. War doch gar nicht so schwer. Ich bin stolz auf mich.

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In der Brauerei gibt es die Vorspeise. Salat mit Alpkäsestreifen an Bierdressing, alternativ Weisswurst mit Brezel. Dazu ein Getränk. Und wenn man schon mal in einer Brauerei ist, was nimmt man da als Getränk? Eben. Prost!

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Die Alpenkässtreifen im Salat sind ein Wahnsinn. Eigentlich könnte man doch die restlichen Stationen auslassen und direkt hier noch so ein leckeres Käsefondue nachwerfen? Nein? Ich sehe schon, Christina brennt darauf, mir ein wenig von ihrer Heimat zu zeigen. Ei, dann wollen wir mal.

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Nächstes Ziel ist das Restaurant Conn. Zunächst aber führt der Weg in Richtung Caumasee. Der Kulinarik Trail ist gut beschildert, doch ich habe ja jemanden dabei, der sich richtig gut auskennt und somit um ein paar Abkürzungen und Besonderheiten weiß. Und wohl auch mich langsam schon ein bisschen kennt. „Runter laufen oder fahren?“ Ja wenn sie schon fragt? Fahren natürlich. So verlassen wir den vorgeschlagenen Weg kurz und machen einen Schlenker zur Bergstation der kleinen Standseilbahn, die hinunter führt zum Schwimmbad Caumasee. Weitere 720 Meter geschafft. Yess!

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Bereits 1937 hat man die etwa 125 Meter lange Seilbahnstrecke eingeweiht. Die beiden Kabinen sind allerdings neueren Datums und funktionieren wie ein Fahrstuhl – auf Knopfdruck. Bei der kurzen Fahrt hat man bereits einen wunderbaren Blick auf den gut 600 Meter langen und bis zu 300 Meter breiten türkisgrünen See.

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Warum er so eine extreme Türkisfärbung hat und wo das Wasser überhaupt herkommt, Flüsse münden nämlich nicht in ihn, war lange Zeit nicht wirklich bekannt.

Heute weiß man, der Camuasee wird von unterirdischen Quellen gespeist. Dieses Karstsystem wurde beim Bau eines Straßentunnels angeschnitten, was zur Folge hat, dass der Wasserpegel des Sees nun über eine komplexe Wasserzuführung angehoben werden muss.

Der See erfreut sich großer Beliebtheit, nicht nur bei Einheimischen und in der Region wohnenden Touristen, auch aus den Großstädten wie Zürich fährt man gerne zum Baden hierher.

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Heute allerdings badet hier niemand. Der Himmel hat sich ein wenig zugezogen, es wird kühler und auch ein bisschen windig. Der Kulinarik Trail führt um den See herum bis zur anderen Seite. Dann geht es bergauf. Und wie das bergauf geht. Und wie atmungsaktiv meine Jacke dabei ist. Ich schwitze und friere gleichzeitig. Ja sauber!

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Treuer Begleiter: die Jaeger-LeCoultre Memovox.

Die Sonne zeigt sich erneut und lässt den Caumasee, der immer wieder zwischen den Bäumen hervorblitzt, jetzt noch magischer aussehen. Kurz anhalten, Blick genießen, dann weiter bergauf. Die Rheinschlucht wartet! Wir verlassen den Kulinarik Trail erneut und Christina führt mich aus Rücksicht auf mein unangemessenes Schuhwerk auf befestigtem Wege direkt zum ersten Aussichtspunkt.

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Blick auf den Caumasee mit Schwimmbad und Standseilbahn.

Bist du deppert!! Die Rheinschlucht! Was für ein Anblick! Fast wie am Grand Canyon. Und das hier! Ich hatte ja keine Ahnung! Himmelherrgott, was ist denn hier nur passiert? Was ziemlich heftiges. Gut Zehnmilliarden (!!!) Kubikmeter Felsgestein sind hier vor etwa 10.000 Jahren abgebrochen und haben das Vorderrheintal unter einer mehrere hundert Meter dicken Schuttmasse begraben.

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Der Vorderrhein staute sich zu einem 25 Kilometer langen See, ehe sich der Fluss erneut seinen Weg in die Gesteinsmassen schnitt. Geblieben ist die Ruinaulta, wie die Rheinschlucht auf rätoromanisch heißt.

Die roten Waggons der Rhätischen Bahn schlängeln sich durch die Schlucht, ein paar Wagemutige sind zum Rafting auf Schlauchbooten unterwegs, es herrscht eine erhabene Ruhe.

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Am besten lässt sich die Rheinschlucht von der Aussichtsplattform Il spir aus betrachten. Il spir ist auch rätoromanisch und bedeutet soviel wie Mauersegler. Entsprechend hat die Architektin Corinna Menn die Plattform auch gestaltet.

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Nichts für Leute mit Höhenangst. Nichts für mich. Eigentlich. Aber das lass ich mir beim besten Willen nicht entgehen. Immer neue Aus- und Einblicke entdeckt man hier und will irgendwie gar nicht mehr weg.

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Aber wir sind ja auf dem Kulinarik Trail und da ist jetzt der Hauptgang dran. Im Restaurant Conn stehen hausgemachte Ravioli auf dem Programm. Wahlweise als Trinser Birnenravioli oder Conner Kartoffelravioli. Ich entscheide mich bescheidener Weise gleich für beides. Die Ravioli schwimmen nur so in ausgelassener Butter, was für mich zunächst leicht irritierend ist. Der Geschmack allerdings – meine Herren! Des isch richtig gut!!

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Ach so, sagte ich schon, dass ich bis zu meinen Ravioli weitere 3.710 Meter geschafft habe? Da habe ich sie mir doch verdient, die Ravioli. Oder? Eben.

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Höhenangst? Blick in die Tiefe von der Aussichtsplattform Il spir.

Nach einer guten Stunde steht die nächste Etappe an, die uns zum Nachtisch an den Crestasee führen soll. Schon wieder Essen? Lass mal. Und wandern? Eigentlich auch keine Lust mehr.

„Wollt’s mit?“ klingt es von schräg hinter mir. Eine Pferdekutsche! Gefüllt mit in Wolldecken gehüllten Senioren! Meine Chance auf Flucht! Ich bin dann mal weg.

Nee, die Blöße gebe ich mir natürlich nicht. Und außerdem, ich hab’s bis hierhin geschafft, da schaff‘ ich den Rest auch noch. Locker.

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Da fährt sie dahin, die Pferdekutsche.

Der Weg von Conn zum Crestasee ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Spaziergang. Ein angenehmes bergab gehen über große Waldwege. Ich erfahre viel über die Geschichte der Region, den Flimser Bergsturz, die touristische Entwicklung und gefühlt nur ein paar Minuten später blitzt auch schon wieder türkisfarbenes Wasser auf. Der Crestasee.

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Auch er entstand durch den großen Bergsturz, auch er liegt, wie der Caumasee in einer Mulde und wird von unterirdischen Quellen gespeist. mit 370 Metern Länge und 160 Metern Breite ist er allerdings ein ganzes Stück kleiner und auch noch nicht ganz so bekannt.

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Zweifelsohne, der Caumasee ist bereits schön, der Crestasee aber ist ein Traum. Idyllisch, außer einem Holzsteg und einer kleinen Plattform naturbelassen, eingebettet in Wald und dieses Bergpanorama – toll. Einfach toll.

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Das Wasser ist wirklich kristallklar und auch etwas wärmer als das des Caumasees. Zumindest finden sich hier ein paar unerschrockene Schwimmer.

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Wahnsinn eigentlich. Im 19. Jahrhundert hatte man noch versucht, den See trocken zu legen, um fruchtbares Kulturland zu gewinnen. Ein Glück, ist das nicht gelungen.

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Etwas oberhalb des Sees, am Ende einer großen Wiese mit etlichen Skulpturen, liegt das Gasthaus Crestasee. Nachtisch! Eis nach Wahl, Käseplättli (hihi) oder hausgemachte Fruchtwähe stehen zur Wahl. Ich entscheide mich für die Aprikosenwähe. Nicht dass ich zuvor wusste, was eine Wähe ist aber das Kuchenstück am Nebentisch schaut gut aus.

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Und wie die schmeckt, die Wähe! Das ist ungelogen das beste Stück Obstkuchen, welches ich jemals gegessen habe. Sorry Mom. Brutal gut.

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Ich sitze hier in der prallen Sonne, schaue auf den See, esse den besten Kuchen der Welt, kann so eine Tour besser enden? Nope. Das ist perfekt. Ach so. Seit Conn weitere 3.480 Meter auf der Uhr. Cool.

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What goes up, must come down heißt es in einem Song von Alan Parsons (für die jüngeren unter uns alternativ auch in einem Song von Alicia Keys). Weiser Spruch, gilt aber auch umgekehrt. Wir erinnern uns: „Der Weg von Conn zum Crestasee ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Spaziergang. Ein angenehmes bergab gehen über große Waldwege.“

Der Kulinarik Trail endet aber nicht am Crestasee sondern wieder in Flims. Und das liegt nunmal etwas höher. Etwas? Etwas viel. Und kein Nachtisch, keine Aussicht auf eine dort auf mich wartende Aprikosenwähe versüßt mir den Weg dorthin.

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Ein Stückchen geht es durch Wald, dann oberhalb der Flem entlang bis zurück nach Flims. Ein langer Weg. Ein beschwerlicher Weg. Die Füße tun weh, die Knie tun weh. Würde jetzt eine Pferdekutsche vorbei kommen, sie hätte einen dankbaren Passagier in mir. Aber es kommt keine Pferdekutsche. Nur beschwingte Rentner, die mich lustig und vergnügt überholen. Unwürdig. Ich bin ein Nichts. Ich bin der unsportlichste Mensch auf Erden. Na zumindest im Kanton Graubünden.

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Die Flem.

Endlich. Wir erreichen Flims. Geschafft. „Der Bus fährt an den Bergbahnen ab. Siehst Du? Da oben.“ Neeeeeeiiiiin!!!! Lass mich einfach zurück. Geh‘ alleine. Rette Dich. Tu es für uns. Oder alternativ: gibt’s hier denn keine Taxis?

Mit schmerzverzerrtem Gesicht schleppe ich mich durch das Dorf. Hinauf zu den Bergbahnen. Zur Haltestelle. Es ist vollbracht. Ich habe es geschafft. Die letzten 3.510 Meter.

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Doch zu spät. Der Bus ist weg. Warten auf den Nächsten. Christina kennt eine kleine Hütte. Wir kehren ein und trinken Tee. Genau das Richtige jetzt. Tut das gut. Langsam komme ich wieder zu mir. So muss sich Sir Edmund Percival Hillary gefühlt haben, an jenem 29. Mai 1953 bei der Erstbesteigung des Mount Everest.

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Flims. Endlich. 

Ich rechne nochmal im Kopf zusammen. 11,5 Kilometer habe ich in den vergangenen Stunden bewältigt. Und sicher, also mindestens mal, ja so, keine Ahnung, 400 Höhenmeter?

Wie? Kollege Nico ist heute bis auf 2.700 Meter hochgeklettert und liegt trotzdem schon seit zwei Stunden wieder im Spa-Bereich des rocksresort? Das ist jetzt schon etwas gemein. Ich meine, er ist Triathlet. Und ich? Eben.

Nein, auch ich habe was geschafft heute. Und ich bin stolz auf mich. Das zählt. Und nochwas. Ich habe tolle Landschaften gesehen, wunderschöne Orte genossen, interessanten Geschichten gelauscht und – ganz vorzüglich gegessen.

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Mein Fazit: die Idee des Kulinarik Trails in Flims gefällt mir als Nicht-Wanderprofi richtig gut. Gemütlich wandern, die Landschaft genießen und dabei verschiedene Restaurants und Spezialitäten kennen lernen, das macht Spaß und ist meine Empfehlung für den Sommer hier in Flims.

Der Kulinarik Trail Wald und Wasser wird von Ende Mai bis Mitte Oktober angeboten und kostet 49 CHF, der Kulinarik Trail Berg und Sicht beginnt erst Ende Juni und kostet 79 CHF.

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Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2014

 

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