Wozu braucht man eigentlich Fitness Armbänder? Eine gute Frage und jeder wirklich ernst zu nehmende Sportler ist an dieser Stelle wahrscheinlich auch schon wieder raus.

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Das Jawbone Up

Zu dieser Gattung gehöre ich von Haus aus aber leider nicht. Die Hoffnung, die mich zum Erwerb eines solchen Bandes treibt, heißt Motivation. Und da ich davon gleich eine Menge gebrauchen kann, baumeln an meinem rechten Handgelenk nun seit 8 Wochen gleichzeitig ein Nike+ Fuelband SE und das Jawbone Up.

Zwei Motivationshilfen, die sich nur auf den ersten Blick ähnlich sind. Das beginnt schon bei der zu bestellenden Größe. Passt mir beim Fuelband die mittlere M-L Größe, benötige ich beim Up bereits das maximal erhältliche L Band.

Das Fuelband hat einen Klickverschluss, in meinem Fall in der Farbe Roségold, das Up klemmt man sich so ums Handgelenk. Es ist dadurch erheblich flexibler, was sich auch beim Tragekomfort bemerkbar macht. Während man das Fuelband in den ersten Tagen als merklich störenden Armreif recht deutlich wahrnimmt, trägt sich das Up von Beginn an wesentlich angenehmer.

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Die Testkandidaten

Doch auch funktional unterscheiden sich die beiden Bänder. Nikes Fuelband hat ein Display, über das man auf Knopfdruck alle relevanten Daten abrufen kann. Verbrauchte Kalorien, getätigte Schritte, die Uhrzeit, gewonnene Stunden und die mysteriösen Fuel Punkte sind darauf im Wechsel zu sehen. Die Daten werden via Bluetooth mit dem Smartphone synchronisiert.

Jawbones Up hingegen bietet diese Funktionen nicht. Es lässt sich per Knopfdruck in den Nachtmodus schalten, alles andere geht ausschließlich über die App. Die Verbindung zum Smartphone wird über den Klinkenstecker des Bandes und die Ohrhörerbuchse des Smartphones hergestellt.

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Jawbone Up mit USB Ladeadapter

Die via App abrufbaren Daten und social Media Funktionen ähneln sich dann doch wieder, erscheinen mir in der Up-App allerdings etwas aussagekräftiger und detaillierter.

Die automatische Synchronisation des Fuelbands ist, neben dem Display, sein größter Vorteil. Und gleichzeitig auch ein massives Manko. Denn darunter leidet die Batteriedauer gewaltig. Während das Up kontinuierlich Tag für Tag etwa 10% an Akku verbraucht und so fast anderthalb Wochen ohne Nachladen auskommt, ist das Fuelband im Test manchmal schon nach anderthalb Tagen komplett leer.

Hier empfiehlt es sich, Bluetooth am Band selbst grundsätzlich auszuschalten und nur manuell für die Synchronisation kurz zu reaktivieren. Auf diese Art hält der Akku auch beim Fuelband ewig, länger sogar noch als der des Up.

Durch die Deaktivierung von Bluetooth verliert man allerdings auch die coole Echtzeitanalyse der App und damit einen Teil des Reizes der Community Funktion.

Denn sich permanent mit seinen Freunden zu messen, das entpuppt sich als grandiose Motivationshilfe, abends dann doch nochmal die Extrarunde um den Block zu gehen. Hier bietet die Lösung von Nike mir ganz persönlich mehr Vorteile weil sie a) zeitlich wesentlich aktueller ist und b) in meinem Freundeskreis einfach auch mehr Fuelbänder denn Ups vertreten sind.

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Aktivitätsanzeige in der Nike+ App

Das Fuelband motiviert aber alleine schon wegen des Displays mehr. Ein Knopfdruck und man weiß direkt, wo man steht. Kleine Lichter von Rot bis Grün machen sofort unmissverständlich klar, du solltest dich mehr bewegen.

Und das animierte GOAL, wenn man sein vorher individuell gesetztes Ziel an Fuelpunkten erreicht hat, macht tatsächlich stolz wie bei der Urkundenverleihung zu Zeiten der so verhassten Bundesjugendspiele. Nicht, dass ich dort jemals auch nur eine Urkunde erringen konnte, ich meine nur, so hätte sich das bestimmt angefühlt, damals.

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Display des Fuelband SE

Die Funktionen des Fuelbands machen Spaß, wie realistisch die errungenen Fuelpunkte denn nun sind, daran kommen einem spätestens dann Zweifel, wenn man derer beim 3-minütigen Zähneputzen mehr erringt denn während der 15 Minuten Crunshes zuvor.

Und wenn sich die Punkte auf Grund eines Zeitzonenwechsels im Urlaub dann auf einmal wie von Geisterhand verdoppeln und verdreifachen, dann freut man sich zwar im ersten Moment über die neu gewonnenen Medaillen und das Ansehen gegenüber seinen Mitstreitern, doch so ganz fair ist es am Ende dann ja doch nicht.

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Wundersame Fuel-Vermehrung nach Zeitzonenwechsel

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Strike!!

Auch eignet man sich binnen kürzester Zeit einen ganz eigenen Laufstil an. Da wird mit den Armen, oder eher dem Arm geschwenkt wie dies sonst nur ein beschwingtes Kind am ersten Ferientag täte. Jaja, es gibt eben keinen süßeren Betrug, als den Selbstbetrug.

Sei es drum. Im Selbsttest zumindest zeigt sich, dass ich mich mehr bewege und länger mit meinem Hund spazieren gehe, sodass zumindest er schon etwas davon hat.

Erringt man mindestens drei Tage in Folge sein Goal, startet man eine Erfolgsserie. Und ist man einmal in so einer Serie drin, will man auch nicht mehr wirklich, dass sie aufhört. Das macht süchtig und das ist gut.

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Übersicht und Trophäen-Sammlung in der Fuelband App

Dumm nur, dass das Fuelband nicht zum Schwimmen getragen werden darf und man auch nicht die Möglichkeit hat, solche Schwimmsessions irgendwie nachzutragen. So enden meine Erfolgsserien denn auch meist an Schwimmtagen, an denen ich trotz anderthalb Stunden Bahnen Reißens nicht über den gelben Bereich hinaus komme. Das ist ärgerlich.

Auch das Up darf nicht zum Schwimmen eingesetzt werden. Allerdings wiegt die Enttäuschung hier nicht ganz so schwer, da die Community-Funktionen, wie oben erwähnt, zwar ebenfalls da sind, meine Erfolge aber mangels Mitstreitern im Freundeskreis sowieso eher unentdeckt bleiben.

Letztlich gibt dies dem Up einen anderen Charakter. Es ist weniger Spaß, eher ein ernstzunehmendes Tool, das wesentlich mehr aufzeichnen und kontrollieren kann als das Fuelband.

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Startscreen der Up-App

So dokumentiert das Up die Schlafphasen und man erhält eine genaue Grafik, wie oft und wie lange man wach war, wann man seine Tiefschlafphasen hatte und wann der leichte Schlaf überwog. Ich weiß nicht, wie genau diese Angaben sind, denn nachts schlafe ich ja meistens, doch zumindest hinsichtlich der Anzahl der Wachphasen erscheinen mir die Diagramme äußerst genau.

Allerdings erkennt das Up nicht automatisch, wann die Nachtphase beginnt. Diese muss man beim Zubettgehen per Knopfdruck aktivieren und morgens wieder ausschalten. Ich brauche glaube ich nicht zu erwähnen, wie oft ich das vergesse.

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Detaillierter Überblick über Schlafphasen und Tagesaktivität

Genial aber: das Up weckt. Und zwar in einem Zeitraum von 20 Minuten vor der eingestellten Zeit genau dann, wann es das für am sinnvollsten hält – also in einer Leichtschlafphase. Bleibt man die 20 Minuten vor der Weckzeit konstant im Tiefschlaf, wird man eben erst zur gesetzten Uhrzeit geweckt.

Das Wecken erfolgt über Vibration und funktioniert zuverlässig und ohne weiteres Zutun. Es lassen sich verschiedene Weckzeiten für die unterschiedlichen Wochentage programmieren, auch das ist ziemlich durchdacht. Per Vibration meldet sich das Up auch, wenn es der Meinung ist, man bewege sich untertags zu wenig. Eine Funktion, die manchmal hilfreich, oft aber auch störend ist, die sich aber über die App regeln lässt.

Und die Up App kann noch mehr. Man kann sie auch noch als Tagebuch seiner Stimmungen (nett gemacht mit einem großen Smiley) und Essgewohnheiten nutzen. Gerade letzteres ist ziemlich genial. Barcode abscannen und Menge variieren, schon werden die Kalorien angezeigt.

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Stimmungssmiley und Barcodescanner bei Jawbone

Etwas mühseliger wird es natürlich bei Restaurantbesuchen oder wenn man viel selbst kocht. Auch habe ich bis heute nicht verstanden, wieviel nun genau eine Portion Champagner oder eine Portion Milch ist. Anhand der Kalorien werden es im ersten Fall wohl 0,1, im Letzteren 1,0 Liter sein. Aber so ganz genau weiß man es nicht. Oder ich bin zu dumm dafür.

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Portionsgröße und Überblick der zu sich genommenen Lebensmittel

Egal. Zum Kalorien zählen habe ich das Up eh nicht. Es soll mich schließlich motivieren und nicht demotivieren. Wobei wir wieder bei der Anfangsfrage wären. Habe ich abgenommen? Nicht wirklich. Bewege ich mich mehr? Ja! Fühle ich mich besser? Definitiv. Ziel also erfüllt? Aber absolut!

Und wie geht’s jetzt weiter? Ich kenne mich. Ohne Fitnessbänder werde ich zukünftig wieder 14 Stunden Non-Stop am Schreibtisch sitzen. In sofern werden Up und Fuelband auch weiterhin zu meinem EDC gehören.

Wie lange, das wird sich zeigen. Denn das Fuelband weist mittlerweile bereits deutliche Abnutzungserscheinungen auf. Schließe und vor allem Schrauben sind zum Teil heftig angegriffen und auch die Gummierung hat an manchen Stellen bereits gelitten. Da Nike das Fuelband nicht mehr weiter entwickeln wird sollte man sich vielleicht mittelfristig mit einem Ersatzband eindecken.

Probleme, die das Jawbone Up nicht hat. Es sieht noch immer aus, wie am ersten Tag, direkte Sonneneinstrahlung und der tägliche Schweiß konnten ihm bislang nichts anhaben. Mit dem Up24 gibt es inzwischen übrigens auch eine Version, die auf Bluetooth Synchronisation setzt.

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Fazit: natürlich sind Fitness Armbänder irgendwie ein Stück weit Spielerei. Doch eignen sie sich vortrefflich zur eigenen Motivation. Hier verfolgen Nike+ Fuelband SE und Jawbone Up unterschiedliche Ansätze. Nike hat mit dem Fuelband und seinem Display ein cooles Gadget im Programm, welches den Motivationszweck zwar am direktesten unterstützt, in Punkto Tragekomfort und Qualitätsanmutung aber nicht an das Up von Jawbone herankommt. Dieses punktet durch ein wesentlich ganzheitlicheres Konzept mit Schlafüberwachung, Kalorienaufzeichnung und nicht zuletzt der Weckfunktion. Minuspunkt bei beiden: die fehlende wirkliche Wasserdichtigkeit.

So gibt es in diesem Test keinen klaren Sieger. Jedes Band hat seine Daseinsberechtigung und auch seine eigene Zielgruppe. Beide parallel zu tragen vereint somit das Beste aus zwei Welten.

Das Jawbone Up gibt es in drei Größen und fünf verschiedenen Farben zum Preis von 129,99 Euro. Das Up24 mit Bluetooth, lieferbar in vier Farben, kostet 149,99 Euro. Auch das Nike+ Fuelband SE gibt es in drei unterschiedlichen Größen. In den vier Standard-Farbversionen kostet es 139 Euro, daneben gibt es Sondereditionen wie aktuell erneut die Rose Gold Version für 149 Euro.

Erhältlich unter jawbone.com bzw. nike.com.

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Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2014

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