Wer seine Vintage Uhr zum Service beim Hersteller abgibt, der erhält sie meist wie neu zurück. Glänzend poliert, mit neuen Teilen oder frisch leuchtendem Zifferblatt liegt sie am Ende vor einem.

Doch nicht jeder ist ob der „wie neu“ Uhr glücklich, beraubt so ein Service doch die Authentizität, die Ursprünglichkeit, ja den Charme des so lieb gewonnen Zeitmessers.

Ein Dilemma, welchem sich Michael Klan mit seiner Website TSWISST nun angenommen hat.

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Ein kleiner Teil der Daytona-Zifferblätter, die noch eingepflegt werden müssen

luxify: Michi, Du bist ja nun schon seit über sieben Jahren fester Bestandteil der luxify, vormals R-L-X Community. Was macht für Dich die Faszination von Uhren aus?

Michael Klan: Eine Uhr ist an sich das überflüssigste Instrument, das ein Mensch besitzen kann: Die Zeit steht auf dem Computer, auf dem Handy, kommt regelmäßig im Radio  und wenn ich in der Stadt unterwegs bin, sehe ich auch überall Zeitanzeigen. Eine Uhr, die mich faszinieren kann, muss mir entweder aufgrund ihres Designs etwas bieten, oder eine technischen Besonderheit, die mich begeistert. Beispiel hierfür ist zum einen die Patek Philippe 3700- weniger „Uhr“ ist nicht machbar. Oder aber eine alte Taucher-Uhr von Nivada, die gezielt Wasser in die Uhr strömen lässt zur Tiefenmessung.

Weiterhin fasziniert mich die Robustheit derartiger kleiner Maschinen, die teilweise 20 Jahre oder länger ohne einen Eingriff von außen laufen. Funktionierende Mechanik war für mich schon immer ein großer Anziehungspunkt.

l: Wir kennen Dich bisher als passionierten Uhrensammler und -experten. Was hat Dich bewogen, Dein Hobby jetzt zum Beruf zu machen?

MK: Ich habe das Glück gehabt, mehrfach in meinem Leben Teile meiner Hobbies oder das ganze zum Beruf machen zu können. Es war mit meinen Werkzeugen so, wie auch mit der Carbonfertigung, mit der ich mich schon seit 25 Jahren beschäftige – und dies immer noch tue. Meiner Meinung nach hat derjenige Erfolg, der mit Spaß und Ernst an die Sache herangeht. Und was gibt es besseres als sein Hobby auch noch beruflich auszuleben? Mit einem Teil meines Berufslebens mache ich das jetzt und freue mich darauf.

l: Wie kamst Du überhaupt auf die Idee, ausgerechnet einen Shop für Ersatzteile von Uhren zu eröffnen?

MK: Ja, das war das Schlüsselerlebnis in einem anderen Bereich – meinen alten Motorrädern! Ich sammle verschiedene Typen, hauptsächlich Italiener, die in vieler Hinsicht ebenso faszinierend wie unzulänglich sind, was sicherlich auch einen Großteil der Faszination ausmacht. Ich hatte damals zwei Baustellen: Eine fast perfekte Benelli 900 SEI, die mit knapp 1000 km weggestellt und vergessen wurde. Leider wurde auch vergessen, das Motorrad „heiß“ abzustellen und sie wurde über die Jahre immer wieder gestartet. Mit dem Ergebnis, dass alle 6 Auspufftöpfe samt Krümmer aufgrund des Kondenswassers und der mangelhaften Qualität der Bauteile beim Hinlangen zerbröselt sind. Ich habe dann angefangen, so eine 6in6 Anlage in perfektem Zustand zu suchen und bin erst nach ca. 2 Jahren bei einem Sammler am Gardasee fündig geworden- für den gleichen Preis, den ich 3,5 Jahre vorher für das Motorrad bezahlt habe…

Bei der anderen Baustelle war es eine MV, die ein neues Motorgehäuse gebraucht hat und zu dem Zeitpunkt war für Geld und gute Worte nichts zu bekommen.

Zeitgleich war der „Unfall“ meiner Lieblingsuhr, die dann auf ein patiniertes Blatt zu zwei Zeigern einen neuen bekommen hat! Auch das hat lange gedauert, bis ich wieder mit der Optik zufrieden war. Nach einem Blick auf meine anderen Uhren habe ich dann beschlossen, dass ich solche Teile „auf Lager“ haben will. Das war dann relativ schnell erledigt mit Zifferblatt und Zeiger und ggfs. auch noch ein paar anderen Teilen.

Und auf einmal kamen die Freunde um die Ecke. „Sag mal, hast Du nicht Teil x für Uhr y für mich?“ Das ging ein paar Jahre im kleinen vonstatten, dann kamen Anfragen per email aus dem Ausland und irgendwann habe ich beschlossen, das ganze etwas professioneller zu machen, zumal ich eine gewisse Lücke entdeckt hatte: Fast jeder Uhrenhändler hat ein paar Teile auf Lager, aber das sind natürlich immer die falschen! Gute alte Teile? Da hat sich noch keiner richtig darum gekümmert! Hier warten jetzt fast 3000 verschiedene Teile darauf, erfasst zu werden und eingestellt zu werden…

l: Wie definierst Du für Dich die perfekte Uhr, die perfekte Vintage? 

MK: Die perfekte Uhr für mich ist die eine, die ich in jeder Lebenslage tragen kann, ohne dass es deplatziert wirkt. Also wie ein Ehering – den ich aber auch nicht trage, da ich täglich an Maschinen arbeite. Nahezu perfekt ist für mich die Submariner und die Speedmaster, sowie die Stahlmodelle von Patek Philippe. Ich habe nur deswegen außer einer alten Patek keine von diesen, da meine Leidenschaft den Plexi-Uhren gehört.

Die perfekte Vintage Uhr ist für mich, was der Scheunenfund unter den Oldtimer-Sammlern ist: Eine Uhr, die irgendwann in den 50ern/60ern gekauft, etwas getragen  und dann vergessen wurde. Mechanisch vielleicht kaputt, aber optisch verschont vom Zahn der Zeit mit Ausnahme der kurzen Trageperiode: Diese Uhren sind Überlebende einer viel zu sorglosen Wegwerf-Gesellschaft und fast nichts bereitet mir größere Freude, als so eine Uhr wieder ihrer Bestimmung zuzuführen. Dabei ist es egal, was es für eine Uhr ist. Ich habe Bubble-Backs in solchem Zustand wie auch goldene Girard Perregaux Chronos. Die perfekte Vintage Uhr ist authentisch, schön und gepflegt.

l: Stichwort Authentizität. Angenommen, Du hast eine Vintage Uhr vor Dir liegen, die im Laufe der Jahre durch einige Services neue Teile wie ein SL Blatt und -Zeiger bekommen hat. In wieweit beeinträchtigt es die Authentizität der Uhr, wenn diese nun mit den zeitlich passenden Teilen zurück gerüstet wird? 

MK: Eine solche Uhr hat zweifelsohne eine belegbare Historie, sei es vom Uhrmacher oder seitens des Herstellers, welche den Service vorgenommen hat. Eine solche Uhr hat auch einen gewissen Reiz, da die Funktionalität einer Neu-Uhr mit der Optik einer alten Uhr kombiniert wurde. Mal mit den Motorrädern gesprochen: Ich würde in eine alte Ducati auch nicht den neuen Motor einer Panigale einbauen, obwohl dieser zeitgemäße Abgaswerte hat, sicherlich doppelt soviel Leistung und eigentlich alles besser kann, als der alte königswellengesteuerte Motor. Daher würde ich immer versuchen, die Uhr wieder auf den „Auslieferungsstand“ zu bringen, sie ist deswegen ja immer noch authentisch, zeitauthentisch, jedoch von Ihrer Historie nicht mehr. Ich denke, dass wenig Uhren, wie zum Beispiel meine alte 6538 Big Crown (Once upon a time…) derart gut dokumentiert sind, dass sie in dem Zustand verbleiben sollten, den sie im Laufe der Zeit erlangt haben. Bei besonderen Uhren wie beispielsweise die verschiedenen Rolex der Päpste würde ich allerdings auch auf eine solche Rückrüstung verzichten, so ich denn belegbar einer solchen habhaft werden könnte.

l: Welches sind für Dich die interessantesten Uhrenmarken und weshalb? 

MK: Puh, das ist eine mehr als schwierige Frage. Ich will da auch keinerlei Wertung abgeben im Sinne einer Rangfolge. Vielleicht trifft es folgendes am Besten:

Rolex: Für mich der Inbegriff von Kontinuität, die uhrengewordene Abkehr vom „Größer, Schneller, Weiter“. Warum? Es gibt Uhren, die es bereits vor 60 Jahren so gegeben hat auch heute noch im Portfolio, mäßig, wenn überhaupt, an den Zeitgeist angepasst, aber technisch immer auf der Höhe der Zeit, siehe Day-Date, Submariner und Datejust. Alle diese Uhren sind fast jedem auf der Welt ein Begriff und fast jeder erkennt sie. Das nenne ich sanfte Evolution. Jeder, der sich damals die Uhr gekauft hat, kann sich heute mit dem Nachfolger anfreunden, da nicht grundsätzlich verändert oder aus dem Programm genommen.

Dann Patek Philippe: Große Uhrmacherkunst gepaart mit Exklusivität. Eine kleine, feine Firma, die seit langer Zeit großartige und schöne Uhren baut, ebenfalls ohne groß nach dem Zeitgeist zu schielen.

Dann haben wir Uhrenmarken, die nach meiner Meinung den falschen Weg beschreiten: Sei es durch die 128te Sonderedition eines Klassikers wie der Omega Speedmaster, die unerschöpfliche Flut von Limited Editions, die die Zahl der normalen Uhren fast zu überschreiten scheint bei Panerai, das in meinen Augen verunglückte Design der Zenith Defy Serie der letzten Jahre oder auch die Breguet Uhren, die optisch an die Herstellung in einer Schmiede erinnern statt an feinmechanische Kunstwerke, die sie sind.

Alle diese Marken haben früher traumhaft schöne Uhren hergestellt, mit Hang zur Innovation und Mut zum Design, sind aber heute nach meiner Meinung nur noch daran interessiert, so viele Uhren wie möglich zu verkaufen.

Wirklich interessant sind für mich die „neuen Wilden“- Firmen, die mit innovativer Technik und scheinbar vollkommen losgelöst vom Uhrendesign an den Bau einer Uhr herangehen. Devon Works ist hier für mich hervorzuheben ebenso wie HYT. Beides sensationelle Uhren, die mit fast allen Vorstellungen brechen. Ich bin sehr gespannt, wo hier die Reise hingeht.

l: Man sieht Dich ja auch öfters mal bei Auktionen. Wie ist Deine Einschätzung des Vintage Marktes für die kommenden Jahre?

MK: Ja, ich gehe gerne auf Auktionen. Nicht wegen des möglichen Schnäppchens, sondern wegen der Atmosphäre. Hierbei konnte ich in den letzten Jahren vermehrt Bieter aus Fernost sehen, die in großem Stil bei Vintage Uhren einkaufen. Da ja die Überlieferung und traditionelle Rituale in Fernost eine große Rolle im Leben spielen, war ich anfangs sehr verwundert, dass gerade diese Leute keine Vintage Uhren kaufen wollten zu Beginn des Jahrtausends. Hier ist nun eine leichte Wende eingekehrt: Der Kunde aus Fernost möchte nun auch, zusätzlich zu den Uhren, die jeder mit genug Geld erwerben kann, eine oder mehrere Uhren, die nicht jeder am Arm hat und fokussiert daher zunehmend auf Vintage. Die letzten Auktionsergebnisse, bei denen teilweise 2/3 der Uhren zu teilweise absurden Preisen nach Fernost gingen, geben mir hier mit der Einschätzung recht.

Generell gilt jedoch: Vintage Uhren sind ein begrenztes Gut. Gute bis sehr gute Uhren gibt es noch seltener. Die Zahl der Liebhaber, aus welchem Grund auch immer, wächst, die Nachfrage steigt, gerade in Zeiten des billigen Geldes, wo sich auch Nicht-Liebhaber nach alternativen Anlageformen umsehen. Daher werden die Uhren stetig teurer. Schön ist, dass sich ein Qualitätsbewusstsein durchsetzt. Wo früher jeder Müll problemlos verkauft werden konnte, sofern nur Rolex draufstand, werden heute solche Uhren mit Missachtung gestraft, andererseits werden nun für top Exemplare fast unsittlich hohe Preise gefordert und bezahlt. Sicherlich werden wir bei einigen Uhren eine Korrektur sehen, wie sie heute schon bei der Doppelroten Sea Dweller und der Handaufzugs-Daytona zu spüren ist, aber wer hätte vor 3 Jahren damit gerechnet, dass eine alte NOS Heuer Monaco für 15000 Euro verkauft wird?

Mein Fazit ist: Die Preise werden steigen und wer sich eine Vintage Uhr kaufen will, sollte dies tun, ehe ihm die Preise davonlaufen…

l: Welche Uhr ist derzeit Dein unangefochtenes Lieblingsstück? 

MK: Das ist immer gerade die Uhr, die ich am Arm habe. Momentan eine Big Crown Submariner 6538 mit mattem Tauschblatt: Ganggenau, wasserdicht, Vintage!

l: Und um welche Uhr tut es noch heute Dir leid, dass Du sie einst hast ziehen lassen? 

MK: Das ist eine schwere Frage, da ich fast ausschließlich Uhren verkauft habe, um mir eine andere kaufen zu können, da ich sie nicht alle behalten kann. An fast jeder dieser Uhren war etwas Herzblut. Wenn ich mich aber auf eine festlegen soll: Eine perfekte, ganz frühe GMT 1675 PCG mit perfektem originalem OCC Blatt! Diese Uhr hat heute Hannes.

l: Dann ist sie ja zumindest in der Foren-Familie geblieben und wer weiß, manches kommt ja irgendwann auch wieder zu einem zurück. Wenn Du Dir aber heute eine fabrikneue Uhr kaufen solltest, dann wäre das eine? 

MK: Eine Rolex Day-Date II in Weißgold oder Platin.

l: Zu guter Letzt noch meine Standardfrage in fast jedem luxify Interview: wie ist Deine Definition von Luxus? 

MK: Zeit. Zeit für meine Familie, meine Freunde und mich.

l: Michi, ich Danke Dir für die Zeit, die Du Dir genommen hast und wünsche viel Erfolg mit TSWISST. 

Das Interview führte Percy Christian Schoeler

TSWISST ist erreichbar unter www.tswisst.de

Foto: © TSWISST

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