Als ich das „Luxemburg“ Landesschild am Fahrbahnrand der Autobahn A8 sehe, kommen mir ernste Zweifel, ob ich hier überhaupt noch richtig bin. Denn Deutschland verlassen wollte ich heute eigentlich nicht.  Doch schon nach der nächsten Kurve gibt das Hinweisschild auf die Ausfahrt „Perl“ Entwarnung. Noch ein paar Kilometer die B419 gen Norden und das weiße Renaissance-Schloss strahlt hoch oben vom Berg entgegen. Passt. Alles ok.

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Das Schloss Berg ist seit 1998 Wirkungsstätte von Christian Bau, einem der angesehensten Köche weltweit, der gerade erst wieder unter die Top 20 der Welt des Magazins „Le Chef“ gewählt wurde.

Bereits in seinem ersten Jahr in Nennig wurde der ehemalige Souschef von Harald Wohlfahrt zum Aufsteiger des Jahres gekürt. Noch im selben Jahr erhielt der damals 27-jährige seinen ersten Michelin-Stern. Nur sieben Jahre später waren es derer drei  – und Christian Bau der jüngste Koch mit dieser Auszeichnung.

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In diesem Jahr nun feiern er und sein Team das 10-jährige 3-Sterne-Jubiläum. Pünktlich dazu hat man in Perl-Nennig einige Dinge geändert, allen voran den Namen. Aus „Victor’s Gourmet-Restaurant Schloss Berg“ wurde „Victor’s Fine Dining by Christian Bau“.

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Der Eingang zum Restaurant liegt im malerischen Hof von Schloss Berg. Hier kann man schon einmal einen ersten Blick auf die Karte werfen. Vor einigen Jahren führte Christian Bau in seinem Restaurant das Konzept der „Carte Blanche“, eines Überraschungsmenüs ein und machte es in Deutschland bekannt.

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Dank der im Dezember letzten Jahres in Kraft getretenen Lebensmittelinformationsverordnung ist die Carte blanche so nicht mehr möglich und so findet sich seither im Empfangsbereich eine Karte, die alle Gerichte mit ihren Allergenen auszeichnet. Wer auf einen Blick in diese verzichtet, kann sich indes immer noch vom Küchenchef und seiner Frau, Restaurantleiterin Yildiz Bau, überraschen lassen.

Neben der großen Reise von Paris nach Tokio (229 Euro) stehen somit auch eine kleine (146 Euro) und eine medium „Voyage“ (185 Euro) als Carte Blanche zur Wahl. Alle Menüs lassen sich durch Zusatzgerichte noch erweitern.

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Das Restaurant befindet sich im Erdgeschoss des Schlosses, ein paar Stufen führen dorthin hinauf. Trotz des sehr historisch anmutenden Ambientes mit seiner holzvertäfelten Decke wirkt der Gastraum äußerst modern. Graue Wände zieren Fotos der Speisen und Gemälde mit asiatischem Bezug. Ein Buddha schaut hinab vom Chef’s Table auf die übrigen Tische. Auf klassische Tischdecken wird seit diesem Jahr verzichtet, eine Entscheidung die er, so verrät mir Christian Bau später, zuvor ausführlich mit seinen Stammgästen besprochen hat.

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Auf klassische Accessoires wie den Käsewagen zum Dessert oder den Ober mit Fliege legt er sowieso keinen Wert. Das Service-Team trägt schwarze Anzüge, welche die Modemarke René Lezard extra für diesen Einsatz entworfen hat, dazu weiße Hemden, aufgeknöpft, und rote Einstecktücher.

Der Effekt ist ein klassisch-elegantes, dennoch aber sehr ungezwungenes Ambiente. Das Restaurant in seiner jetzigen Form, so Christian Bau, sei das Spiegelbild seiner Seele.

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Man fühlt sich hier im Fine Dining sofort wohl, wozu auch der äußerst souveräne und sehr freundliche Service beiträgt. Gastgeberin Yildiz Bau erklärt mir mein Menü und klärt etwaige Unverträglichkeiten ab. Meine Voyage umfasst neben dem Prolog drei Vorspeisen, die Hauptspeise, Pré-Dessert und Dessert. Dazu hat Sommelier Daniel Kiowski eine passende Weinbegleitung vorbereitet. Er wurde übrigens gerade erst vom Gault Millau Weinguide zum Sommelier des Jahres gekürt.

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Mein Abend beginnt mit einem Glas Gosset Rosé und das nicht ohne Grund. Denn um die Produkte des Champagnerhauses aus Aÿ dreht sich hier sogar ein ganzes Gourmet-Arrangement, welches für eine Gruppe von vier bis acht Personen buchbar ist (ab 475 Euro p.P. im DZ). Am Chef’s Table laden Christian Bau und Daniel Kiowski dann zu einer individuellen Weinreise mit passender Menü-Begleitung (und nicht etwa umgekehrt!) ein. Zusätzlich zum 6-Gänge-Menü beinhaltet das Paket unter anderem eine Präsentbox mit zwei Saar-Mosel-Rieslingen, eine Übernachtung im Victor’s Residenz-Hotel Schloss Berg und eine Demi-Flasche Gosset Champagner.

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Doch zurück zu meiner Voyage und ihrem Prolog in fünf Akten. Sie beginnt mit einem Dreigestirn (Troika ist ja derzeit nicht ganz so gern gehört) aus Tatar vom Bio-Ox asiatisch, einem Macaron aus Apfel, Entenleber und Räucheraal, sowie einem Knusper von Krustentieren exotisch.

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Drei unglaublich intensive Starter, die sofort Appetit auf mehr machen.

Und mehr kommt. Sofort, in Form einer gekühlten Tomatenessenz mit Chorizoröllchen. Herrlich erfrischend und ebenfalls wahnsinnig intensiv.

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Der Stil von Christian Baus Küche wird schon nach wenigen Bissen klar. Asiatische Einflüsse sind bereits im Prolog überall sicht- und erlebbar.

Weiter geht es mit Calpico mit Karotte und Madrascurry, ebenfalls eine bemerkenswerte und sehr intensive, ja man kann es nicht anders sagen, absolut geile Angelegenheit.

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Ein weiterer Höhepunkt – man bemerke, wir befinden uns immer noch im Prolog des Menüs –  wartet mit dem Lachs mit Pickels, Zitrus und Jasminreis, letzterer in Form von Crackern.

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Seinen Abschluss hat der Prolog normalerweise mit Chawanmushi mit Schnecken und chinesischem Schnittlauch, in meinem Fall gibt es hier allerdings – Lebensmittelunverträglichkeit sei Dank – eine kleine Änderung.

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Als eigentlich erste Vorspeise wartet Japanische Bernsteinmakrele an Gartengurke, Buttermilch-Dashi und Dillöl. Die Makrele wird in zwei verschiedenen Arten dargeboten. Neben zwei gerollten klassischen Sashimi ist auch ein gebranntes Stück zu finden. Alle drei scheinen auf einen Steg aus Algenasche zu zu schwimmen. Ein wunderschönes Bild.

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Dazu serviert Daniel Kiowski einen 2014er Riesling Wiltinger Alte Reben Kabinett feinherb vom Weingut Sankt Urbans-Hof, Saar.

Die Reise geht weiter mit der Langoustine hoch drei an Spargel, Erbse und geräucherter Butter.

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Der passende Wein hierzu ist ein 2009er Weisser Burgunder & Chardonnay vom Weingut Karl H. Johner, Baden.

Die letzte der Vorspeisen beschert mir einen Steinbutt an Dreierlei vom Kohlrabi, Mido und Dashibutter.

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Als Wein gibt es einen Bernkastel-Kueser Weisenstein Riesling Auslese feinherb vom Weingut Sybille Kuntz, Mosel. Beim Jahrgang allerdings macht es Sommelier Daniel Kiowski diesmal spannend. „Probieren Sie einfach mal. Ich komme dann gleich wieder und Sie schätzen, wie alt der ist.“ Der Wein schmeckt jung und frisch, baut dann aber eine unglaubliche Komplexität auf. Wie alt? Ich tippe auf sieben, acht Jahre – und liege komplett daneben. Ganze zwanzig Jahre ist er alt, Jahrgang 1995. Unglaublich.

Zum Hauptgang hält meine Voyage Reh vom Hofgut Polting bereit. Dieses wird serviert mit einem Streifen Foie Gras, kleinen Pfifferlingen und Kirschen. Dazu gesellt sich Brunnenkresse und ein Dim Sum vom Rehbeuscherl.

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Der Wein dazu – natürlich ein Roter. Ein Vina Tondonia Tinto Reserva 2002 aus den Bodegas R. Lopez de Heredia, Rioja.

Das Pré-Dessert, wieder eine Überraschung, ist eine Schwarzwälder Kirschtorte, mal anders, im Glas nämlich.

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„White Russian – Der Cocktailklassiker als Dessert“ verspricht das eigentliche Dessert meiner Reise. Als Freund dieses Cocktails, Big Lebowski lässt grüßen, bin ich hierauf besonders gespannt. Auf dem Teller liegt ein „Bau-Stein“,  der auf wirklich grandiose Art den bekannten Cocktail in neue Formen presst. Dazu: Mango. Als Sorbet, als Fruchtbällchen, als Küchlein.

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Zum Dessert ausgesucht wurde eine Riesling-Auslese Oberemmeler Hütte, Jahrgang 2001 vom Weingut von Hövel, Maximilian von Kunow, Saar.

Reise beendet? Nicht ganz. Gleich mit mehreren Service-Kräften rückt das Team nun erneut an um vor mir eine ganze Brigade an Patisserie aufzutischen. Marshmallows, Trüffelpralinen, einen crunchigen Cocktail aus Himbeeren, eine Joghurette in Pralinenform und – ein weiteres Highlight – ein Olivenöl-Gummibärchen.

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Schluss, Aus, das war es. Nichts geht mehr, nicht einmal ein Pfefferminzplättchen hätte noch Platz. So endet meine Reise nach knapp vier Stunden, während am Nachbartisch, dort wo man sich auf die große Voyage Paris – Tokio einließ, noch eine Weile weitergeschlemmt wird.

Im Vorraum treffe ich dann noch auf den Chef persönlich. Er erzählt mir davon, wie es war, als er hier anfing, der erste Stern, die Auszeichnungen, die Erwartungen an ihn.

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Das Wort Demut fällt. Demut und Dankbarkeit für seine vielen Auszeichnungen. Denn natürlich machen Diese immer wieder neue Gäste neugierig auf einen Besuch in seinem Restaurant. Trotzdem lebt jenes auch – oder gerade – von den Stammgästen. Menschen, die mehrmals im Jahr, mehrmals im Monat, ja sogar wöchentlich vorbei schauen.

Christian Bau kocht in seinem Restaurant unter der Woche an den Abenden von Mittwoch bis Sonntag. Zusätzlich bietet er an den Wochenenden einen Mittagstisch an. Auf externen Veranstaltungen und Engagements hingegen ist er eher selten zu finden. Sein Platz sei hier, in seinem Restaurant, sagt er.

Insgesamt sechs Wochen im Jahr ist das Gourmet-Restaurant geschlossen. Kreativpause nennt das die Website. Zeit für ihn, sich seinem größten Luxus hinzugeben: Zeit zu haben und frei zu sein, die Dinge zu tun, nach denen ihm ist. Und da zieht es ihn, wer hätte beim Stil seiner Küche Zweifel, am liebsten nach Asien. Dort genießt er die Möglichkeit, mit seiner Familie zu entspannen.

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Bis zur nächsten Kreativpause ist es allerdings noch knapp ein Monat hin. Solange ruft die Arbeit, und sie ruft auch jetzt wieder. Schließlich soll ja die Reise von Paris nach Tokio am Nachbartisch nicht ins Stocken geraten.

Für mich aber geht nun ein fantastischer Abend zu Ende. Und ein Satz von Christian Bau, der bleibt mir ganz besonders im Gedächtnis: „Wir wollen nur Menschen glücklich machen.“ sagte er noch kurz vor unserer Verabschiedung.

Bei mir hat er das heute definitiv geschafft.

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Victor’s Gourmet-Restaurant Schloss Berg finden Sie in der Schloßstraße 27-29, 66706 Perl-Nennig, Tel.: +49 6866 79-118.

Geöffnet ist es von Mittwoch bis Sonntag ab 19 Uhr, Samstag und Sonntag auch zur Mittagszeit ab 12 Uhr. Die nächsten „Kreativpausen“ sind vom 29.07. bis zum 19.08. und vom 21.10. bis zum 27.10.2015.

Mehr Informationen gibt es auf der Website des Restaurants.

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Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2015

 

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