Der letzte, aber keineswegs uninteressanteste Teil meines Rolex Vintage Buyer’s Guide handelt von gefälschten Teilen. Viele Sammler haben bereits die Erfahrung gemacht, dass sich ein augenscheinlich richtig guter Deal zum wahren Albtraum entwickelt hat.

Bereits seit Jahren wird der Sammlermarkt überschwemmt mit nicht-originalen, später produzierten oder gefälschten Teilen. Da es beim Uhrensammeln der heutigen Zeit in erster Linie um das Zifferblatt geht, finden sich auf diesem Sektor eine Menge kreativer Ganoven, die das große Geld wittern.

Die Ergebnisse, ein Zifferblatt in all seinen Details nachzuahmen, werden besser und besser. Dank des Einsatzes moderner Technik verbessert sich die Qualität so schnell, dass es zum Teil nahezu unmöglich geworden ist, zuverlässig zu bestimmen, was richtig und was falsch ist.

Man muss mittlerweile, auch wenn das das Risiko einer Beschädigung mit sich bringt, das Zifferblatt ausbauen, um sicher zu gehen, ob es sich um ein Original handelt. 100- oder 200-fach vergrößert kann man es mit Exemplaren vergleichen, die nachweislich original sind. Diese Technik steht sicherlich nicht jedem Sammler zur Verfügung. Um so wichtiger ist es für diese, von einer vertrauenswürdigen Quelle zu kaufen, bei der im Zweifel eine Rückgabe der Uhr kein Problem ist.

Grundsätzlich lässt sich sagen, klingt ein Deal zu gut um wahr zu sein, ist Vorsicht geboten. Seien Sie sich der Gefahr bewusst und trainieren Sie Ihre Augen darauf, Details zu erkennen, die Sie so vorher noch nicht gesehen haben. Stellen Sie alle Abweichungen in Frage, bitten Sie befreundete Sammler um Hilfe oder stellen Sie Bilder der betreffenden Uhr in den Fachforen ein, bevor Sie kaufen!

Im folgenden Bild sehen sie ein gefälschtes Blatt einer Rolex Submariner. Der Druck ist schon sehr nah am Original. Wenn Bilder Sie zweifeln lassen, schauen Sie sich eine Uhr lieber erst live an, bevor Sie sie kaufen. Wenn Sie sich näher mit diesen Fakes befassen, werden Sie merken, dass die Patina nicht passt. Zunächst werden Sie zwar den Eindruck haben, dass das Blatt ok ist, aber je näher Sie sich mit ihm befassen, es mit der Lupe anschauen, wird ihre Erfahrung ihnen sagen, dass etwas nicht stimmt und Vorsicht geboten ist.

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Auch im nächsten Beispiel passt der Druck nahezu perfekt. Vergleichen Sie selbst. Doch die Patina des Decklacks und die Leuchtmasse sind neu. Außerdem geht von diesem Blatt kaum Radioaktivität aus, was bei einer 50er Jahre Rolex nicht sein kann. Passen Sie auf!

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Hier nun ein extremes Beispiel, bei dem das aggressive Radium ein original Rolex Submariner Zifferblatt angegriffen und dabei die oberste Lackschicht beschädigt hat.

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Was wir nun sehen ist eine Rolex Submariner der Referenz 5512 mit SCOC-Chronometerschriftzug. Doch wenn wir genau schauen, sehen wir, dass die beiden letzten Zeilen auf das bereits fertige und mit Decklack beschichtete Zifferblatt aufgetragen wurden. Die beiden ersten Zeilen mit Submariner Schriftzug und Tiefenangabe befinden sich hingegen unterhalb des Lacks.

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Ok, wenden wir das bisher Gelernte auf zwei weitere Beispiele an. Was halten Sie von der im folgenden Bild gezeigten Rolex Submariner der Referenz 6538? Schauen Sie genau hin und analysieren Sie selbst, bevor Sie weiterscrollen.

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Konzentrieren wir uns wie üblich zunächst auf die Leuchtmasse von Zifferblatt und Zeigern. Wir sehen, dass der Farbton der Zeiger ein ganzes Stück heller ist, als der der Indexe. Das sagt uns: irgendwas wurde hier verändert, um die Uhr hübscher erscheinen zu lassen.

Grundsätzlich besitzen die Zeiger eine größere Menge an Leuchtmasse als die Indexe. Außerdem sitzt die Leuchtmasse hier nicht auf einem Untergrund wie beim Zifferblatt. Daher ändert die Leuchtmasse in den Zeigern meistens früher die Farbe als die auf den Indexen. Hier ist es genau anders herum.

Was wir ebenfalls erkennen ist, dass die Zeiger zu kurz sind und so der Minutenzeiger nicht bis zum äußeren Ring der Minuterie reicht. Somit sollten bei Ihnen die Alarmglocken läuten. Der Verdacht liegt zumindest nahe, dass dies nicht die Zeiger sind, mit denen diese Uhr die Fabrik verlassen hat.

Schauen wir uns als Nächstes die Indexe selbst an und achten insbesondere auf die bei 3, 6, 8, 9 und 12 Uhr. Hier ist die Leuchtmasse (Radium, da es sich um ein SWISS Blatt handelt) nicht ganz perfekt aufgetragen. Sie hängt teilweise über die feinen Umrandungen. Da Rolex Leuchtmasse immer perfekt aufgetragen hat bedeutet dies, dass diese Indexe nicht dort gesetzt wurden. Neben den Zeigern ist also auch die Leuchtmasse nicht mehr original.

Zweifellos weist das Blatt eine Verfärbung von ursprünglichem Schwarz hin zum Tropical Braun auf. Da die Leuchtmasse erneuert wurde kann man nun darauf schließen, dass diese Verfärbung nicht auf natürlichem Wege durch die UV Einstrahlung passierte sondern der wahre Grund ein Feuchtigkeitsproblem war. Mit anderen Worten wurde hier ein beschädigtes Blatt kosmetisch aufgehübscht, um potentielle Käufer in die Irre zu führen.

Das nächste Beispiel zeigt eine Rolex Submariner Ref. 5508 mit 4-Line Zifferblatt und kleiner Krone. Auch hier, machen Sie sich zunächst selbst ein Bild. Analysieren Sie die Details der Uhr, ehe Sie weiterscrollen.

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Beginnen wir wie üblich damit, uns die Farbe der Leuchtmasse von Zifferblatt und Zeiger anzusehen. Diese scheint hier zu passen. Allerdings sind auch diesmal die Zeiger merklich zu kurz. Sowohl Minuten- als auch Sekundenzeiger reichen nicht bis zur äußeren Umrandung der Minuterie. Bei der Uhr handelt es sich um eine Uhr mit Radium Leuchtmasse. Trotzdem zeigen die Zeiger keinerlei Spuren von Korrosion. Also sollten auch hier die Alarmglocken läuten.

Schauen wir uns die Leuchtmasse der Indexe genauer an. Diese haben ihre gewölbte Struktur verloren. Scheinbar wurde die oberste Schicht abgetragen, um Makel zu beseitigen. Wie wir wissen, ist die Leuchtmasse der moisture meter. Somit ist anzunehmen, dass auch hier Feuchtigkeit in die Uhr gelangte und von der Leuchtmasse aufgesaugt wurde, diese dunkel hat werden lassen. Viele Uhrmacher haben in solchen Fällen die oberste Schicht der Leuchtmasse abgetragen, was zu der hier gut zu erkennenden Kraterbildung führte. Somit ist klar, dass sowohl die Zeiger wie auch die Leuchtmasse der Indexe nicht mehr unberührt sind.

Fokussieren wir uns nun auf das Gehäuse und das Band. Die feinen Linien sind nicht einheitlich und die Farbe des Stahls wirkt insgesamt zu hell. Anzeichen also dafür, dass die Uhr erst vor kurzem poliert, oder, mit anderen Worten, für den Verkauf aufgehübscht wurde.

Die nächste Uhr, eine Rolex Submariner Big Crown, stammt aus einer der letzten Auktionen in Genf. Was fällt Ihnen auf?

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Was die Farbe der Leuchtmasse angeht, ist es ähnlich wie in unserem ersten Beispiel, allerdings passt die Länge der Zeiger diesmal wesentlich besser. Warum ich dieses Beispiel hier anbringe, hat einen anderen Grund. Wer diese Uhr nur auf Grund der im Auktionskatalog bereitgestellten Bilder begutachtet, dem würde niemals auffallen, dass das Blatt in der Mitte eine Beschädigung aufweist. Der Stundenzeiger wurde einmal zu fest aufgesetzt, was zur Folge hatte, dass er von nun an kontinuierlich über das Zifferblatt schliff und die oberste Lackschicht beschädigte. Ein irreparabler Schaden.

Wer sich dazu entschließt, eine Uhr innerhalb einer Auktion zu ersteigern, dem rate ich dringend, sich die Uhr (am besten bei Tageslicht) genau anzuschauen, bevor der Verkauf startet. Der starke Einsatz von Photoshop ist mir ein Dorn im Auge. Es ist Mogelei und man spielt gleichsam mit dem Vertrauen, welches man sich über Jahre aufgebaut hat. Ehrlich gesagt bin ich der Meinung, alle Auktionshäuser sollten den Einsatz von nachträglicher Bildbearbeitung stoppen. Als weiteres Beispiel dient das folgende Bild einer frühen Rolex Submariner Big Crown aus 1956 mit 4-Line Blatt, die in New York zur Auktion kommt.

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Vergleichen Sie das Bild einmal mit einem Foto, welches ich vor kurzem per iPhone gemacht habe und Sie sehen, wie viel Bildbearbeitung hier eingesetzt wurde. Selbst der grünlich schimmernde 6-Uhr Index, typisch für frühe Sportmodelle aus 1954 – 1957, erhielt die gleiche Farbe wie die übrigen Indexe. Und auf einmal ist auch das gesamte Blatt einheitlich schwarz.

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Mein Rat: nutzen Sie die Informationen in John Goldbergers Vintage Rolex App auf Ihrem Smartphone. Neben den Informationen, welche auch das Buch bereithält, gibt es hier einen Abschnitt mit Nahaufnahmen von Uhrwerken, Rückendeckeln und Zifferblättern! Ein absolutes Muss für jeden ernsthaften Sammler und Rolex Liebhaber. Die App wird regelmäßig mit Daten interessanter neu entdeckter Rolex Uhren upgedatet.

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Ein Thema möchte ich noch kurz anschneiden. Provenance. Die Chronologie der Eigentümerschaft, die Historie, belegbar in Form einer Dokumentation.

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Im Falle einer Rolex können das die Originalpapiere sein, das Garantiepapier mit Seriennummer, das Chronometerzertifikat mit Werknummer, die Kaufquittung, Servicepapiere, die eindeutig der Uhr zugewiesen werden können. Bilder, auf denen der Vorbesitzer die Uhr trägt, oder ein Brief, in dem dieser sich zur Uhr äußert, runden die Historie ab.

Rolex hat Uhren in viele verschiedene Märkte exportiert, teils mit unterschiedlichen Bändern oder vielen Versionen ein und derselben Referenz. Eine lückenlose Historie hilft dabei, die Originalität zu untermauern. Sollten Sie die Gelegenheit haben, eine Vintage Rolex vom Erstbesitzer oder dessen Erben zu kaufen, fragen Sie unbedingt immer nach solchen Dokumenten. Je mehr, desto besser!

Ich hoffe, dass dieser Leitfaden vielen neuen wie auch erfahrenen Sammlern dabei hilft, besser einschätzen zu können, was sie sehen. Vertrauen Sie Ihren Augen und nicht den Geschichten, die Ihnen aufgetischt werden! Analysieren Sie die Uhr, jedes Detail, prüfen Sie ausgiebig, ehe Sie eine Vintage Rolex oder generell eine Rolex kaufen.

Stellen Sie sicher, dass Sie die Uhr, sollten Sie nicht zufrieden sein, zurückgeben können und überweisen Sie kein Geld, wenn Sie nicht sicher sind, dass die Uhr auch wirklich im Besitz des Verkäufers ist. Die Rolex Welt ist voll von Betrügern. Einem Verkäufer zu vertrauen, der einen Ruf zu verteidigen hat, ist in den meisten Fällen die beste Alternative, die Sie haben.

Meine Schlussfolgerung: generell habe ich den Eindruck, als sehen wir heutzutage zu viele Vintage Uhren, an denen ‚gearbeitet‘ wurde. Jeden Tag erhält eine schöne und ehrliche Uhr irgendwo auf der Welt eine ‚Behandlung‘, nur weil das Blatt ein paar kleine Flecken hat oder das Gehäuse ein paar Kratzer aufweist.

Indem man die original Patina ändert, zerstört man den Charakter, ihren Vintage Wert unwiederbringlich. Ganz so wie bei einer Frau, die sich zu einem ‚Facelift‘ entscheidet um schöner zu wirken, aber nicht versteht, dass es dadurch unmöglich wird, wieder zum normalen Aussehen zurückzukehren. Solange sie nicht lächelt, lacht oder weint, ihre Emotionen nicht zeigt, sieht sie jung wie eine Statue oder ein Bildnis aus.

Ich glaube fest daran, dass auch eine einfache Airking oder eine Datejust, eine Explorer oder sogar eine Cellini ein höchstgefragtes Sammlerstück werden wird, so lange sie in ihrem Originalzustand bleibt und die korrekte Patina aufweist. Der Markt muss verstehen, dass es genau diese kleinen Kratzer und Mängel sind, die den Schlüssel zum Sammeln der Zukunft darstellen.

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Hört damit auf, an Uhren herumzubasteln, bis sie so sind, wie wir sie vielleicht gerne sehen wollen. Wenn jeder die Wichtigkeit der Originalität begreift, werden wir erleben, dass eine einfache rote Submariner in gutem Zustand das Doppelte oder Dreifache von dem Wert sein wird, wie es heute der Fall ist.

Durch die Erfahrung und das Wissen, was wir uns über Jahre aufbauen, durch das Vergleichen und Diskutieren, wird nur ehrliche Qualität eine Zukunft haben. Eine Daytona oder gar eine Paul Newman nicht zu kaufen, nur weil ein Leuchtpunkt fehlt, obwohl die Uhr ansonsten schön aussieht, ist Nonsens!

Was ich versuche klarzumachen ist, dass man sich vor Uhren in Acht nehmen sollte, die beispielsweise komplett neu mit Leuchtmasse versehen wurden. Dadurch wird die Patina zerstört. Und das ist es nicht wert. Wir müssen akzeptieren, dass die perfekten Gralsuhren sehr sehr rar sind und nicht jeder die Möglichkeit haben wird, so eine Uhr im Catalouge Style zu erwerben. Die Preise steigen rapide, weil wir wissen, dass nicht mehr viele auf den Markt nachkommen werden.

Setzen sie auf ehrliche Qualität. Das ist mein Rat. Egal bei welcher Referenz, vertrauen Sie der echten Patina!!

Fotos & Text: © Philipp Stahl www.rolexpassionreport.com

Übersetzung: © Percy Christian Schoeler

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