Heute bringe ich den gesamten Vormittag in Begleitung von Kamerateams zu.

Meine Erkenntnisse:
Mensch + Kamera = Ereignis
Ereignis – Kamera = Nichts

Der Vormittag verläuft folgendermaßen:

Vorstellung meiner Wenigkeit, meines Umfelds und meiner Leute. Punkt 8 sind Gabor, Katja, Jana und der Tonmann im Haus. Kaffee, kurzer Smalltalk. Mittlerweile wissen wir, wie die anderen so ticken und es läuft entsprechend flüssig. Es hilft, daß der Kameramann wirklich witzig ist. Man könnte fast meinen, man wäre befreundet. Aber es ist natürlich klar, daß darin die Professionalität dieses Berufsstands besteht. Treffen, dicke Kumpels sein, on to the next one. Dennoch: die Illusion fühlt sich stimmig an.

Es geht durch meinen Laden, die Lehrlinge haben sichtlich Spaß an der Nummer und haben kleine „Hilfe, holt uns hier raus“-Schilder vorbereitet, die sie in die Kamera halten. Die Mädels hingegen sind erstaunlich schüchtern, auch meine Frau hat nicht wirklich Lust auf die Nummer, hält sich aber tapfer.

Den Kameramann muß man bremsen, er hat echt Spaß daran, Leute zum Deppen zu machen. Das Gebremse gelingt mir nicht immer, aber das gehört wohl zum Spiel. Ausgeliefert ist man eh den Leuten im Schnitt. Kameramänner fluchen viel. Ich mag das.

Nachdem das Haus abgefilmt ist, gehts raus. Einkaufen. Mein Gemüsemensch ist gebrieft, es geht in die Garage zum Maserati, den die Jungs unbedingt einbauen wollen. Es gibt ein paar Takes und Sprüche a la „schönes Auto“ „ja klar, ich verarbeite ja frisches Gemüse und das muß schnell in die Küche“. Haha und die Sache ist gefilmt. Ein paar Aufnahmen in der Fahrt und 2 Action-Cams im Auto. Dann zum Gemüsemensch. Hallo Hallo, davon was, davon was, davon was und wieder heim.

Wenn man irgendwo steht und es ist eine Kamera auf einen gerichtet, fällt man auf. Steht man da und hat ein komplettes Team im Schlepptau, fällt man immens auf. Egal, wo wir aufkreuzten – rumms, wie die Kakerlaken – Menschen. Auch verändern sich Menschen, wenn sie einer Kamera gewahr werden. Hier im Ort hats 3 Mädels, die täglich übers Kopfsteinpflaster heizen mit ihren Blades. Die machen das wirklich gut und sind geübt. Kaum fahren sie an der Kamera vorbei, plumpsen sie hin. Alle. Meine Gemüsefrau, die mich seit 20 Jahren bedient, erkennt mich quasi kaum wieder. Passanten, Autofahrer – alle reagieren.

Und: in der Sekunde, in der die Kamera weg ist, gehts zurück ins dritte Glied. Nach dem Gig im Gemüsemarkt ist die Arbeit des ersten Teams vorbei. Ende, Aus, Schluß. Da sind die dann natürlich auch völlig schmerzlos: Tür zu, Kamera weg, machs gut, viel Spaß. Da stehe ich wieder in meinem normalen Leben. Kein Glamour, keine Aufmerksamkeit, nix. Die Abschiedsszenen zwischen uns Gästen sind da echter.

Aber egal: die Küche ruft!

Mein Menu:

Als Aperitiv reiche ich eine Kaipirinha aus Neuleininger Eiswein, geiles Zeug.

Als Vorspeise: Gratinierten Erdesbacher Ziegenkäse mit Feigenmarmelade und Wildkräuter/-blumensalat

Als Hauptspeise: Bratwurststrudel mit Kartoffelschnee und Soße

Als Dessert: Apfelflammkuchen mit hausgemachtem Kastanieneis und heißem Holunderlikör.

Den Wein reicht ein hiesiger Winzer, der auch als Sommelier fungiert.

Heute ist irgendwie alles anders. Ich bin nicht Gast, sondern Gastgeber. Bedeutet: heute keine entspannte Anfahrt mittags und anschließender Sermon über die Dinge, die da kommen. Heute ist Arbeit angesagt. Und es ist erstaunlich, was es für eine Arbeit ist, 3 Gänge für 4 Leute zu kochen. Aber viel erstaunlicher ist, was das auf einmal für ein Akt ist, wenn Leute neben einem stehen und das bewerten. Kochen für 4 stellt mich normalerweise nicht vor Probleme. Das kleine Menu hier und heute hat allerdings einen mächtigen Tross in Bewegung gesetzt.

Meine Schwester ist mir eine extreme Hilfe. Ich weiß, ich sollte mich schlecht fühlen, weil ich vermutlich der einzige bin, der so intensiv Hilfe in Anspruch nimmt. Aber hey, Regeln sind Regeln und wenn ich nen Wingman wählen darf, dann nehm ich Maverick und nicht Cougar. Wingman – naja, eigentlich schmeißt sie das gesamte Ding ziemlich allein. Menu kam von mir, alles andere von ihr.

So gegen 13.30 trifft das 2. Team ein und wir legen gleich los. Nervös? Ja Nein, es ist mittlerweile alles Routine, aber sie macht Spaß. Ich weiß: für diese Menschen sind wir nur Rohmaterial. Aber so funktionieren Medien wohl. Die Mitarbeiter und Helfer sind alle extrem nett und umgänglich. Den Satz: „wir sehen uns bestimmt bald wieder“ habe ich heute ungefähr 10x gehört und 4x gesagt. 2x hab ich ihn ernst gemeint; wenn das Verhältnis stimmt, war heute ein guter Tag.

Die Gastgebersituation in dieser Nummer ist merkwürdig. Ich fühle mich eher wie ein Störenfried, wenn ich mit meinem Gang reinkomme und die Runde unterbreche. Heute ist das nicht die offene, wohlgesonnene Runde, heute kommen mir diese Menschen vor wie Fremde, die ich zufällig getroffen habe und deren Wege sich kurzfristig mit meinen paaren, um dann umgehend wieder wegzudriften, wohin auch immer.

Wir sind müde. Alle. Die Woche war lang und hart, keiner hat mehr Hunger, keiner hat mehr Durst, keiner mag mehr Stories hören und sich auf Dinge einlassen. Aber wir ziehen durch, professionell. Amuse kommt und geht, erster Gang läuft gut, wir sind in der Küche extrem alert und auf den Punkt. Aber ich habe den Eindruck, es greift nicht. Das mit den 2 Locations ist schwierig. Meine Gäste essen im Marmeladenladen, weil meine Küche einfach zu klein für 4 Personen und 7 Teammitglieder ist. Das Eßzimmer im ersten Stock geht auch nicht, weil keine Tür zwischen Küche und Raum ist, diese ist aber zwingend vorgeschrieben, damit der Koch nicht hört, wie seine Gäste das Essen bewerten. Das bedeutet, daß alles da rüber muß. Schier unmöglich, hier gute Temperaturen aufm Teller zu halten.

Meine Hauptspeise ist geil! Ich bin völlig zufrieden und sie schmeckt mir wunderbar. Aber den anderen nicht, Teller kommen halbberührt zurück. Grausam. Aber wir sind alle satt, keiner hat mehr Bock auf Pfälzer Küche. Ich kanns verstehen.

Interviews laufen, aber ohne mich, ich stehe mit meinem Team und meiner Schwester in der Küche und arbeite. Auch das Dessert geht super raus.

Aber die Stimmung ist nicht gut, auch im Team nicht. Auflösungstendenzen machen sich breit. Klingelt am ersten Abend kein einziges Handy, klingeln heute derer 5. Man merkts: jeder will heim.

Dessert geht raus und wieder zurück. Essen zuende. Jetzt noch Interviews und Punktevergabe. Und warten. Die nächste Stunde wird ätzend. Und ätzend lang.

Wir haben gekämpft und alles gegeben. An mir liegts nicht. Aber heute war die Stimmung irgendwie anders. Müde? Satt? Keine Ahnung. Noch ist nichts geschwätzt, massive Böcke hab‘ ich zwar nicht geschossen, aber mein Gefühl sagt nix gutes.

Und dann kommt der große Moment. Wer hat gewonnen? Wer ist der Sieger? Christoph hat seinen 8-ball mitgebracht, dieses Spielzeugorakel in Form einer 8er-Billardkugel. Man kann ihr eine Ja-Nein-Frage stellen, dann umdrehen und die Kugel gibt einem eine Antwort. Er will fragen, wer gewonnen hat, aber ich gebe die Kugel weiter, weil mich die Antwort nicht interessiert. Mir fällt auf, wie absurd der Gedanke ist, GEGEN jemanden zu kochen, wo die spannenden Momente der letzten Woche just auf dem Gegenteil dieser Situation beruhen. Egal. Spiel ist Spiel und das Spiel ist der Grund, warum wir hier heute sitzen, warum wir uns kennen gelernt haben.

Dann Tusch! Die Punkte sind vergeben! Der Sieger steht fest!

Die Spannung fällt von mir ab, buchstäblich in dieser Sekunde. Der Sektkorken knallt, die Gläser sind voll, wir liegen uns alle in den Armen. Euphorie kommt auf. Es ist vorbei, es ist überstanden. Endlich! Was für ein Marathon!

Abgebaut ist in Sekundenschnelle. Ratz-Fatz sind die Gerätschaften abmontiert, Kameras verstaut, Autos gepackt und alle auf dem Weg nach Hause. Der Spuk endet so abrupt, wie er begonnen hat. Bin gespannt, wen ich von diesem Trip als Freund behalten werde.

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Text: © Tobias Ueberschaer
 Foto: © VOX / ITV

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