„Ich erinnere mich an die Werkstatt meines Vaters. Jedes Mal, wenn ich an einer Schuhmacherei vorbeigehe, glaube ich, dass mein Vater noch am Leben ist und irgendwo im Jenseits, an einem Tisch aus Rauch, in seiner blauen Schürze, mit Kneif, Faden und Ahle gerade Schuhe aus Engelsleder für einen tausendfüßigen Gott fertigt.“

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Es ist dieser Auszug aus Jean Gionos autobiografischem Roman Jean le Bleu – Jean der Träumer, der Jean-Claude Ellena zum neuen, zwölften Duft der Hermessence Kollektion inspirierte. Das liegt nicht allein daran, dass Giono und Ellena beide aus der Provence kommen. Es liegt auch an der Herkunft des Hauses Hermés.

Denn bereits 1837, als Thierry Hermés in Paris seine erste Sattlerei eröffnete, drehte sich im Hause Hermés naturgemäß alles um das Leder. Seither ist dieser Werkstoff, dessen Verarbeitung und Verwandlung, immer das Wesentliche, die Essenz von Hermès.

Die Düfte nahmen erst gut ein Jahrhundert später ihren Anfang. 1951 stellte Edmond Roudnitska das Eau d’Hermés vor, zehn Jahre später folgte mit Caléche das erste Damenparfum. Seit 2004 nun ist Jean-Claude Ellena der Parfumeur des Hauses. Seine Inspiration sucht er in Begegnungen mit Menschen, Materialien und Orten, aber eben auch in der Literatur.

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Schon damals faszinierte ihn der Begriff „Engelsleder“ aus jenem Roman Gionos. Doch er sollte zehn Jahre brauchen, um den Begriff in eine Hermessence umzusetzen. Sein größtes Problem: der Duft feinen, zarten Leders ist, gerade in einem Haus wie Hermés recht gut nachzuvollziehen. Doch wie riecht eigentlich ein Engel?

Ellena begibt sich auf die Suche. „Ich muss gestehen, dass ich weder den Geruch von Göttern noch Engeln kenne. Engel spielen jedoch durchaus eine Rolle bei Hermès. Im Dachgarten des Stammhauses am Faubourg Saint-Honoré gibt es ihrer vier. Es handelt sich um Cherubim (ich habe mich genau erkundigt), deren Aufgabe es ist, das Wort Gottes zu verkünden. In diesem Fall allerdings das Wort des Gottes Hermes. Ich hatte irgendwo gelesen, dass Götter schlecht riechen; Engel wurden in dem Text nicht erwähnt: eine Frage der Hierarchie. Der Gedanke erschien mir aber amüsant, allein schon, weil Engel sich verborgen halten und ich sie durch ihren Geruch hätte finden können. Doch im Grunde glaube ich nicht daran; wie will man ganze Nationen, die Welt, das Universum betören, wenn man schlecht riecht. Ein Blick auf die Opfergaben reicht schon aus, um die Vorstellung als unrealistisch zu erkennen; Götter erhalten die schönsten Früchte, die schönsten Fische und das schönste Fleisch, von Gold ganz zu schweigen, denn wie jeder weiß, stinkt Geld nicht. Angesichts der Tatsache, dass die Haut den Duft aller Speisen, die genossen wurden, ausscheidet, erscheint es also unwahrscheinlich. Und da die Engel ein Ebenbild der Götter sind, müssten sie gut sein und riechen. Ich schreibe im Konditional, denn genau wie Sie bin ich ihnen noch nie begegnet.“

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Letzteres eint mich tatsächlich mit Jean-Claude Ellena. Und natürlich weiß auch ich daher nicht, wie Engel duften. Entsprechend gespannt bin ich auf Cuir d’Ange. Typisch für die Hermessence Kolltektion ist der Flakon mit der Lederkappe, das ganze eingebettet in einen herrlich weichen Stoffbeutel. Auch für Cuir d’Ange gibt es auf Wunsch natürlich das passende Lederfutteral.

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Der Duft selbst wirkt direkt vertraut und doch neu. Cuir d’Ange erinnert mich persönlich nämlich zunächst ein wenig an Paprika Brasil. Es ist die starke Intensität und auch eine gewisse Schärfe, die sich zunächst entfaltet, dann aber einem maskulinen Grundthema mit ganz zarten, feinen süßlichen Noten weicht, welches den Träger durch den gesamten Tag begleitet. Ich rieche Moschus, ich rieche zarte Zitrusnoten. Ich rieche Leder, feinstes Leder. Und dann ist da noch etwas Undefinierbares. Eine ungreifbare Note, die über allem zu schweben scheint. Und irgendwas sagt mir – das müssen dann wohl die Engel sein. Vielleicht hat Jean-Claude ja in den vergangenen zehn Jahren doch einmal einen abgefangen.

Cuir d’Ange ist sicher eines der spannendsten, vielschichtigsten und raffiniertesten Eau de Toilettes, die mir bisher untergekommen sind. Zehn Jahre dauerte es, den Duft von Engeln, den Duft von Leder einzufangen. Zehn Jahre, die sich gelohnt haben. Danke dafür. An Hermés, Jean-Claude Ellena – und Jean Giono.

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Cuir d’Ange wird als zwölfter Duft der Kollektion Hermessence ab Oktober 2014 für 180 Euro (100ml) in den Hermès Boutiquen erhältlich sein. Das passende Lederfutteral aus rosé-sandfarbenem Swift-Kalbsleder in gefüttertem Ziegenleder kostet ca. 240 Euro.

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Fotos: © Hermès (5), PCS (2)

Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2014

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