Nur sehr langsam gleitet die Mein Schiff 4 der untergehenden Sonne entgegen. Die Ausfahrt aus St. Petersburg ist ein wenig tückisch, die Fahrrinne zum Teil äußerst eng. Hier und dort warten Schlepper. Sie könnten eingreifen, wenn ein Kurswechsel einmal nicht so funktionieren sollte, wie geplant.
Kein Problem allerdings für die Mein Schiff 4. Während die meisten Gäste schon in den Restaurants sitzen, erschöpft von den Landausflügen der vergangenen zwei Tage, kommt auf der Steuerbordseite allmählich eine Insel in Sicht.
Je näher man ihr kommt, desto unglaublicher erscheint das, was man nun zu Gesicht bekommt. Die Insel, sie gleicht einer Festung. Überall trennen Mauern das große Hafenbecken von der Fahrrinne ab. Im Hafenbecken: Schiffe. Viele Schiffe.
Die Insel, die wir passieren heißt Kotlin, die Hafenanlagen gehören zur Festung Kronstadt. Kronstadt wurde bereits 1704 von Zar Peter I. gegründet. Ziel war in erster Linie die Verteidigung St. Petersburgs und dafür könnte die Lage besser nicht sein.
Bis 1996 war Kronstadt noch militärisches Sperrgebiet. Zutritt hatten die dort stationierten Soldaten und ihre Angehörigen.
Die Festung, ihre Anlagen und Schiffe kommen immer näher. Zerfallene Häuser werden sichtbar. Kaimauern, an denen die Zeit, die See und vielleicht auch der ein oder andere unvorsichtige Kapitän genagt hat.
Auch die Schiffe haben ihre besten Zeiten bereits lange hinter sich. Rost macht sich breit, hier und dort hat ein einst so stolzes Schiff den Kampf gegen die Elemente bereits verloren.
Ein Kanal kommt in Sicht. Er scheint bis in die eigentliche Stadt hinein zu führen. Umrahmt wird er von alten Hütten und einem steinernen Leuchtturm. Zwei weitere, kleine Leuchttürme sichern die Hafeneinfahrten.
Es ist eine gleichsam gespenstische wie auch faszinierende Szenerie, die sich einem hier auftut. Ganz so, als wäre die Zeit stehen geblieben. Gänsehautfeeling garantiert.
Über der gesamten Szenerie wacht, golden und von der Abendsonne angestrahlt, die Marine-Kathedrale von Kronstadt.
Es heißt, jeder Seemann habe damals ein Viertel seines Lohns für den Bau der Kathedrale abgeben müssen.
Nur eine von vielen Mythen, die sich um Kronstadt ranken. Geheime Waffentests soll es hier gegeben haben. Mit Röntgenstrahlung sei experimentiert worden.
Heute kann man Kronstadt auch als Tourist besuchen. Ein krasser Kontrast zu den großen Palästen der Stadt und damit ganz sicher ein lohnenswertes Ziel.
Für mich persönlich war schon die Vorbeifahrt an Kronstadt eines der, vielleicht das Highlight dieser Kreuzfahrt. Beim nächsten Mal, soviel steht fest, schaue ich mich hier ein wenig genauer um.
Fotos: © Percy Christian Schoeler
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