Die Einladung zur Vorstellung einer neuen Modellreihe ist für mich normalerweise meist ein Grund zur Freude. Wenn eine solche Einladung aber von Patek Philippe kommt, so mischt sich unter die Freude auch ein Stück weit Angst. Die Patek Philippe Cubitus ist die erste neue Herrenlinie seit der Aquanaut vor 27 Jahren. Wohl keinem Launch im Jahr 2024 wurde so sehr entgegengefiebert, wie diesem.
Patek Cubitus – und die Angst vor dem Neuen
Warum also Angst? Wenn man sich als einer der ganz großen Hersteller an das Experiment wagt, etwas gänzlich Neues herauszubringen, so begibt man sich, mehr als andere Manufakturen, auch in Gefahr, vom Netz entsprechend Gegenwind zu erhalten. Die Premiere der Code 11.59 aus dem Hause Audemars Piguet ist dafür eines der eindrucksvollsten Beispiele jüngerer Zeit, die gut veranschaulicht, dass man dabei im Grunde also zunächst einmal nur verlieren kann, egal, was man macht.
Und auch für mich ist das, sich dem ersten Hands-on anschließende Review, nicht die dankbarste Aufgabe. Denn in Erwartung blanken Hasses, werden zu wohlwollende Worte, seitens der Leserschaft mutmaßlich Kommentare nach sich ziehen wie „naja klar, was soll er auch schreiben, er war ja eingeladen“. Auch hier also gilt: eigentlich kann man nur verlieren. Ein Review der Patek Philippe Cubitus ist somit gleich in mehrerlei Hinsicht eine echte Herausforderung.
Das Drama um den Leak
Bereits Tage vor der eigentlichen Premiere passiert ein Leak wie aus dem Bilderbuch. Patek Philippe schaltet eine Anzeige für die Neuheit in der US-Oktober-Ausgabe des Fortune Magazins. Das allerdings erscheint nicht, wie ursprünglich geplant, am 22. Oktober, sondern bereits am 13. Und damit ganze vier Tage vor der Premiere Pateks neuer Modellreihe. Mehr als unglücklich gelaufen, doch ab jenem denkbaren Sonntag im Oktober ist die Katze aus dem Sack. Und mein erster Gedanke: die Uhr finde ich gar nicht schlecht. „Darfst Du ja auch nicht. Bist ja eingeladen.“ So oder so ähnlich tönte es denn auch direkt von zweien meiner besten Freunde. Schach matt. Was will man da noch sagen. Es glaubt einem ja eh keiner.
In der versehentlich veröffentlichten Anzeige zu bestaunen jedenfalls: die Variante der Patek Philippe Cubitius mit blauem Blatt, Großdatum, Wochentags-, sowie Mondphasenanzeige. Und auch nach der ein oder anderen Denkminute bleibt bei mir das Gefühl, dass da in München eine zumindest mal interessante Neuheit auf mich warten wird. Und eine, die bei näherer Betrachtung durchaus Sinn ergibt.
Die Suche nach einem neuen Einstieg
Patek Philippe war auf der Suche nach einem neuen Sportmodell. Einem neuen Einstiegsmodell, so war zu hören. Einem Modell, für eine neue Generation von Käufern. Und in einer Zeit, in der sich die Cartier Santos wieder zunehmender Beliebtheit erfreut, in der Uhren der Marke Gerald Charles vermehrt an Handgelenken prominenter Träger zu finden sind und LVMH die legendären Daniel Roth Zeitmesser wiederbelebt, passt der Formfaktor der Patek Philippe Cubitus (die übrigens Kjubitus ausgesprochen wird und deren Name lange vor den ersten Entwürfen schon feststand) perfekt in jenes Marktsegment.
Dieses bedient Patek Philippe zunächst einmal mit drei Modellen. Alle drei kommen in einem äußerst flachen Gehäuse mit 45 Millimetern Durchmesser. Das klingt nach einem brutal großen Zeitmesser, relativiert sich aber erstaunlicherweise am Handgelenk recht schnell. Die Uhr wirkt deutlich tragbarer als herkömmliche quadratische Uhren mit deutlich kleineren Durchmessern, ist aber dennoch ein gut sichtbares Statement und für sehr schmale Handgelenke eher herausfordernd.
Den Einstieg in die Welt der Patek Philippe Cubitus macht das Stahl-Modell 5821/1A mit Datum und Zentralsekunde, das mit einem Zifferblatt in eben jenem Grün daherkommt, mit welchem die einstige Nautilus 5711/1A vor rund dreieinhalb Jahren als finale Edition auf den Markt kam. Ebenfalls aus der Nautilus-Linie bekannt ist die Kombination von Stahl und Roségold mit blauem Blatt. Als 5821/1AR erhält auch sie Einzug in die Cubitus Linie, ebenfalls als Dreizeiger-Modell am Gliederband.
Cubitus 5822P – das Talking Piece
Das Talking Piece, welches bereits durch die Fortune Anzeige zu frühzeitigem Ruhm kam, ist die 5822P. Eine Uhr, deren blaues, asymmetrisches Zifferblatt Großdatum, Wochentags- und Mondphasenanzeige, sowie kleine Sekunde vereint.
Und gerade dieses Modell hat es in sich. Die Gerüchte, dass Patek hier zu einem Quarz-Kaliber greifen werde, um die Uhr im preislich anberaumten Einsteigersegment platzieren zu können, erweisen sich als falsch. Stattdessen präsentiert man ein Kaliber mit sechs neuen Patentanmeldungen, die für einen augenblicklichen, gemeinsamen Wechsel jener Anzeigen sorgt und das so konstruiert ist, dass ein manueller Eingriff, egal zu welcher Uhrzeit, ohne negative Folgen für das Uhrwerk bleibt.
Mit einem Gehäuse aus Platin zeigen die Genfer noch dazu auch sehr klar, dass die Cubitus eine Modellreihe werden soll, die künftig von Stahl bis Platin alle Kategorien abdecken wird. Von der erwarteten Einstiegs-Patek ist in München somit auch nur noch wenig zu hören. Der Preis von 40.750 Euro für die Grundvariante bzw. 60.250 Euro für das Bicolor-Modell erstaunt daher auch um so mehr.
Aber ist die Cubitus dann wenigstens eine neue Modellreihe? Für Thierry Stern auf jeden Fall. Beim Gruppen-Interview merkt man ihm an, wie viel Lust er darauf hatte, eine quadratische Uhr im Programm zu haben. Er habe die Uhr aus Vergnügen ins Leben gerufen, nicht auf Grund irgendwelcher Meinungsumfragen. Viel habe man ausprobiert, sei dabei aber zunächst meist zu konventionell, zu traditionell geblieben. Bis man noch einmal von Null anfing und am Ende die Cubitus in ihrer endgültigen Form stand. Eine neue Uhr, die auf typische Designmerkmale aus der Patek Philippe Historie zugreift, so heißt es.
Neu – oder nicht neu? Das ist hier die Frage
Das kann man durchaus auch so sehen, denn der Formfaktor an sich ist tatsächlich ziemlich einmalig. Dennoch muss man sich, auch als Mitglied der schreibenden Kunst, nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, um die ein oder andere Gemeinsamkeit mit speziell genau jenem Modell zu erkennen, von dem Thierry Stern Patek Philippe eigentlich doch gerade mehr loslösen will: der Nautilus.
Natürlich trägt genau die Nähe zu Gentas Erfolgsmodell zu jenem wohlig-warmen Gefühl der Vertrautheit bei, doch fragt man sich unweigerlich, wäre dies wirklich nötig gewesen? Der identische Aufbau mit jenen zwei typischen, seitlichen Backen, die bekannten Bandanstöße, die gleiche Zeigerform, ja sogar das ikonische Balkenzifferblatt wird für die Neuheit übernommen. Farbcodes inklusive. Fast scheint es, als habe man angesichts des damaligen Code 11.59 Launches des Wettbewerbers nichts riskieren wollen.
Warum soll man etwas ändern, das funktioniert. So in etwa sieht es der Firmenchef, in dem Fall in Bezug auf das 1:1 von der Nautilus 5811 übernommene Armband der 5821 mit doppelter Feinverstellung. Nimm das Beste, was du hast, und mache etwas Neues draus. Denn manchmal ist der einfachere Weg der Bessere. Und so, wie Stern das erklärt, klingt das auch absolut logisch und nachvollziehbar.
Cubitus = Nautilus im Quadrat
Dennoch wirkt die Cubitus durch diese Gemeinsamkeiten weniger wie eine neue, eigenständige Modelllinie als vielmehr wie eine Erweiterung der Nautilus-Reihe und damit auch ein Stück weit wie die Antwort auf eine Frage, die eigentlich gar nie jemand stellte.
Das ändert nichts daran, dass die Cubitus für sich genommen durchaus ein frisches Erscheinungsbild verbreitet. Das Gebotene gefällt, doch wäre dies noch mehr der Fall, würde man sich nicht unweigerlich fragen, ob Patek Philippe nicht mit jeder einzelnen Cubitus, die stattdessen im klassischen Nautilus-Kleid das Licht der Genfer Manufaktur erblickt hätte, einen der vielen, sehnsuchtsvoll wartenden Fans glücklicher gemacht hätte. Zumal der Output von Aquanaut, Nautilus und jetzt Cubitus an der Gesamtproduktion prozentual gleichbleiben soll wie bisher mit lediglich jenen zwei bekannten Modellreihen.
Auch drängt sich dem Betrachter ein Stück weit der Gedanke auf, Patek würde einen modernen Versuch dessen wagen, womit man bei Audemars Piguet und der Royal Oak einst bereits mit der 6005ST scheiterte. Der Quadratur des Kreises. Quasi.
Im Zuge des Hypes der vergangenen Jahre allerdings hat selbst jene Vintage-Referenz einen Aufschwung erlebt. Von daher wäre auch die Cubitus bei einem Release vor zwei bis drei Jahren noch „a gmahde Wiesn“ gewesen. In einem sich gerade über allen Maßen abschwächenden Uhrenmarkt aber ist ein Erfolg nicht mehr ganz so selbstverständlich, wie man das in Genf bislang gewohnt war.
Auslieferung? Einige Tausend
Zumal die Cubitus nicht gerade als Kleinstserie geplant ist. Auf Nachfrage heißt es, dass man bis Jahresende „einige tausend“ der Neuheiten zu den offiziellen Händlern liefern werde. Die ersten sollten bereits in den nächsten Tagen dort eintreffen und für die Kunden dann auch direkt „erfühlbar“ sein.
Und genau dieser Live-Eindruck war noch bei vielleicht keinem Uhrenmodell von Patek Philippe so wichtig, wie bei der Cubitus. Denn neben den auf dem Papier deutlich brutaler klingenden Abmessungen, kann die Uhr in erster Linie durch ihre flache Bauweise von lediglich 8,3 Millimetern (9,6 Millimeter im Falle der Komplikation) überzeugen. Der Tragekomfort ist erfreulich angenehm und wirkt äußerst vertraut.
Gewohnt Patek Philippe, spielt auch die Cubitus mit ihren polierten und satinierten Flächen, ihren Ecken und Kanten, gekonnt mit dem Umgebungslicht und wirkt von jeder Perspektive aus einerseits gewohnt, andererseits komplett fremd. Eine wirklich spannende Mischung, gar keine Frage.
Ein Monoblock-Gehäuse wie zu Beginn der Nautilus
Spannend ist durchaus auch die Gehäusekonstruktion. Denn sie besteht, wie schon bei der ersten Nautilus, Baujahr 1976, aus einem Monoblock-Gehäuse. Das Werk, im Falle der Dreizeiger-Varianten 5821/1A und 5821/1AR ist es das aus 5711 und 5811 bekannte 26-330 S C, wird mit Zifferblatt und Zeigern von oben in das Gehäuse eingeschalt. Anschließend werden Gehäuse und Lünette über die zwei Gehäusebacken miteinander verschraubt. Das sorgt für die mittlerweile ja bereits sprichwörtliche Patek-Wasserdichtigkeit von 30 Metern.
Die Aussage Thierry Sterns, eine Uhr haben zu wollen, mit der man auch mal spontan in den Pool springen kann, lässt darauf deuten, dass die umgerechneten 3 bar also auch hier für mehr als nur simples Händewaschen ausreichen. Das gilt auch für die deutlich kompliziertere 5822P, deren Datum, Mondphase und Wochentagsanzeige über jeweils einen separaten Korrekturdrücker an den Gehäuseecken eingestellt wird.
Dass dies tatsächlich zu absolut jeder Uhrzeit gefahrlos praktiziert werden kann, ist eine der wirklich eigentlichen Innovationen. Zusammen mit dem Großdatum bringt es die Konstruktion auf 104 zusätzliche Teile, insgesamt sind es beim Kaliber 240 PS CI J LU so derer 353 an der Zahl.
Die eigentliche Sensation an der Sache
Die beiden Scheiben des Großdatums auf einer Ebene zu haben, war Stern sehr wichtig. Auch wenn damit der Weg für ein kleineres Uhrwerk – und damit einen geringeren Durchmesser der Uhr – nicht mehr offenstand. Es sollte ein sinnvolles Feature werden. Eines, das man speziell ab seinen 40ern mehr und mehr zu schätzen wisse. Und: man solle die Mechanik sehen und erleben können. Vielleicht deshalb erkennt man, trotz des Mittelsteges des Datumsfensters, noch immer ein Stück weit die einzelnen Scheiben. Diese stehen unter ständiger Spannung, um sicherzustellen, dass sie selbst bei Stößen immer perfekt zueinander ausgerichtet sind.
Die Kalenderanzeigen springen simultan binnen eines Zeitraums von 18 Millisekunden. Augenblicklich, quasi. Beim Datumssprung vom 31. auf die 01 bleibt die Einerscheibe stehen. Um dabei einen Doppelsprung der Zehnerscheibe durch die anliegende Kraft zu verhindern, verfügt das Kaliber 240 PS CI J LU über eine neuartige Tangentialbremse, die die überschüssige Energie absorbiert.
Wichtig aber zu erwähnen: die 5822 ist kein Jahreskalender. Sprich zum 1. März, 1. Mai, 1. Juli, 1. Oktober und 1. Dezember muss manuell Hand angelegt werden, um das Datum zu verstellen. Dieses springt auch nicht rückwärts, dreht man die Zeiger über Mitternacht hinaus zurück. Beides Funktionen, die zwar umsetzbar wären, die Uhr aber auch deutlich höher hätten bauen lassen. Und sie auch noch einmal deutlich teurer hätten werden lassen als die 86.900 Euro, die Patek Philippe für die Platinversion am marineblauen Band aus Verbundmaterial mit Textilmotiv und Platin-Doppelfaltschließe mit Cubitus Schriftzug ohnehin schon aufruft.
Die Cubitus und ihr stilvolles Drumherum
Alle Versionen der Cubitus kommen in einer sehr schönen, blauen Box, die in ihrem quadratischen Design durchaus an die ursprünglichen Korkboxen der Nautilus erinnert. Passende Manschettenknöpfe zu jedem Modell hat man zum Start auch gleich im Programm. Diese sind aus Weißgold bzw. Roségold und für 6.600 Euro das Paar erhältlich.
Das mit der Erhältlichkeit der Uhr selbst allerdings ist eine ganz andere Sache. Trotz der für den Beginn angekündigten, für Patek-Maßstäbe geradezu gigantisch anmutenden Stückzahlen, dürften die Modelle der ersten Auslieferungen wohl eher langjährige Patek-Sammler erfreuen als eine neue, jüngere Generation. Doch wer weiß. Vielleicht erreicht Thierry Stern mittelfristig dann doch sein Ziel, eine Uhr für die nächste Generation geschaffen zu haben. Was weitere Varianten der Cubitus angeht, scheint er jedenfalls schon voller Ideen für die Zukunft.
Fazit
„Begin your own Tradition“, so textet Patek Philippe in der im Voraus geleakten Anzeige des Fortune Magazines. Das passt gut zu einer neuen Kollektion für eine neue Käufergeneration. Alte Zöpfe abschneiden. Doch genau dafür hängt die Cubitus zu sehr an der Nautilus, für die sie doch eigentlich eine frische, junge Alternative darstellen soll. Auch die letztliche Preisgestaltung lässt die gewünschte neue, junge Kundschaft dann wohl doch eher alt aussehen.
Nichtsdestotrotz aber sind die vorgestellten Modelle gelungene und attraktive Uhren geworden, meisterlich verarbeitet sowieso. Man wird also sehen, wohin die Reise für die Cubitus Collection in den nächsten Jahren geht und inwieweit sie mit der Zeit ihre eigene Tradition im großen Patek Universum verfestigen wird können.
Weitere Informationen
Mehr Informationen zur neuen Patek Philippe Cubitus Collection gibt es auf der Website von Patek Philippe.
Hinweis zur Transparenz
Die Teilnahme an der Produktpräsentation erfolgte auf Einladung von Patek Philippe. Eine redaktionelle Einflussnahme auf diesen Artikel fand – wie üblich – nicht statt.
Fotos: © PCS 2024
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