Die Mail, die das Fass bei mir zum Überlaufen brachte, kam am Pfingstsonntag. „***STRAND-UHREN VON VILEBREQUIN***“ stand im Betreff. Nun reagiere ich auf das Wort „Vilebrequin“ noch immer wie der Pavlov’sche Hund. Erhöhter Speichelfluss setzt zwar nicht ein, aber es beginnt in den Fingern zu kribbeln, das Herz ein klein wenig schneller zu schlagen. Vilebrequin, kaum eine Marke hat für mich über die letzten Jahre so sehr Begriffe wie Lässigkeit, Coolness und Luxus verkörpert, wie der Badehosenhersteller aus St. Tropez. Hat.

Vilebrequin Sonderedition „40 ans á Saint-Tropez“ aus 2011

Beim Öffnen der Mail blicke ich auf – eine Uhr. Gut, das ist jetzt keine große Überraschung. Stand ja schließlich auch schon im Betreff. Zu sehen ist eine Taucheruhr, oder sagen wir lieber eine Uhr im Taucheruhrenstyle, mit blauem Blatt, blauer Lünette, gelben Zeigern, Ziffern, Indexen. Ein Blick auf die Homepage klärt auf: die Uhr hört auf den Namen „Scuba“, misst 43 Millimeter, hat ein bis 100 Meter wasserdichtes Stahlgehäuse und ein blaues Armband, auf dessen Material schon gar nicht mehr weiter eingegangen wird.

Stein des Anstoßes: Uhr der aktuellen Kollektion

Höre ich da Fragen nach dem Werk? Quarz, soviel ist der Beschreibung noch zu entnehmen, das war’s dann aber auch schon mit Infos. Wen interessiert’s? SWISS MOVT liest es sich auf dem Zifferblatt, die Position des Datums innerhalb des kleinen, runden Fensters – sie spricht Bände. Ich schaue auf das Pressefoto dieser Uhr. Ich schaue es minutenlang an. Und ich denke mir: diese Uhr verkörpert alles, was man über den Werdegang der Marke sagen kann. Wortlos. Einfach nur durch ihre bloße Existenz.

Vilebrequin Store in Saint-Tropez

Rückblende. Es ist Winter 2008 und eine Kreuzfahrt steht bevor. 10 Tage Karibik. Was braucht man dafür? Richtig. Eine Badehose. Was bekommt man im gemeinen deutschen Einzelhandel anno 2008 im Winter nicht? Genau! Was tun? Das Forum fragen. DAS Forum.

Flagge zeigen: Turtles am R-L-X Beach Club

„Wo bekommt Mann um diese Jahreszeit Badehosen her? Und was sind so die Trends?“ Die Antworten kommen schnell und sind vielfältig. Irgendwann dann unter den unzähligen Vorschlägen – dieses Wort. Vilebrequin. Immer öfters wird die Marke genannt. Mein Gedanke damals? 120 Euro für eine Badehose? Nie im Leben! Es wurde dann irgendeine No-Name Short.

Ausbeute einer Mittelmeerkreuzfahrt

Zwei Monate später. Dubai. In einem Shopping Center entdecke ich einen winzig kleinen Laden. Vilebrequin. Naja, schauen kann man ja mal. Mein Freund Hannes, damals bereits im Besitz einer solchen Badehose erzählt mir, wie toll die sind, wie schnell die trocknen und überhaupt.

Vilebrequin-Store im Madinat Jumeirah

Vilebrequin-Store im Madinat Jumeirah

Eine finde ich tatsächlich sehr hübsch. Und wie es halt so ist, im Urlaub sitzt die Kreditkarte lockerer, zack, schon verlasse ich mit einem Vilebrequin Sackerl und grinsendem Gesicht den Laden. Ab zum Strand.

Einkaufserlebnis unter der Sonne Dubais

Nun bin ich zu jener Zeit fernab von einer Strand-Traumfigur (nicht, dass das jetzt anders wäre), aber: noch nie, wirklich noch nie habe ich mich in einem Kleidungsstück so dermaßen wohl gefühlt, wie in dieser, meiner ersten Vilebrequin.

Mit stolzgeschwellter Brust: der Autor (Mitte) 2009 in seiner ersten Vilebrequin

Rein ins Wasser und bereits nach fünf Minuten hat die 120 Euro-Hose ihren ersten Teerfleck. Super. Auch das mit dem schneller trocknen erweist sich alsbald als Mythos. Es ist alles egal. Die Badebux und ich, wir sind längst eine Einheit.

Meine allererste Vilebrequin beim trocknen

Bald schon ist klar: es kann, es wird nicht bei der Einen bleiben. Doch an die Kultstücke zu gelangen ist gar nicht so einfach. Onlineshop? Nur für die USA. Eigene Shops in Deutschland? Gibt es nicht. Kaufhäuser? Bekleidungsgeschäfte? Keiner hat von dieser Marke jemals etwas gehört. „Kaufen Sie doch eine Speedo“. Äääh, nein. Danke.

Und ist die Reise auch noch so kurz, eine VB muss ins Gepäck

Eines Abends beim allsonntäglichen Rückflug nach Wien traue ich meinen Augen kaum. Zwischen den C-Gates des Wiener Flughafens entdecke ich einen Vilebrequin Schriftzug! Das gibt’s doch nicht! Hier! Ausgerechnet! Ein Wink des Schicksals. Definitiv. „Opening soon“ steht am kleinen Stand. Schade. Noch nicht offen. Doch ein paar Tage später bin ich wieder da und – habe keine fünf Minuten später meine zweite Vilebrequin gekauft.

Neuer Vilebrequin Store am Flughafen Wien (2010)

Neuer Vilebrequin Store am Flughafen Wien (2010)

Allein: 120, oder da bereits gar 135 Euro für eine Badehose – die kann man nicht einfach so guten Gewissens ausgeben. Da muss ein Grund her. Und der heißt: Urlaub. Zu jedem Urlaub eine neue Buxe. Einfach als Urlaubsvorbereitung. Als Teil der Vorfreude. Passt. Das eigene Gewissen akzeptiert den Workaround und da in jenem Jahr noch so zwei, drei Urlaube folgen – was soll ich sagen? Ja! Ich habe es getan. Jedes einzelne Mal. Mit Vergnügen.

Vilebrequin Nummer 2 – mit farblich passendem Schuhwerk

Nun gibt es bei Vilebrequin ja nicht nur die „normalen“ Badeshorts, nein, da sind noch die bestickten VIP Modelle. Aber mal ehrlich. 135 Euro für eine Badehose, das ist ja noch ok, aber 360? Niemals!

Zwei Wochen später: mit VB Nummer 3 auf der Norwegian Epic

Niemals dauert genau drei Urlaubstage. Dann haben mich meine Freunde – und die charmante Verkäuferin der Vilebrequin Boutique im Madinat Jumeirah – soweit. Die erste VIP ist fällig. „Erste“? Ja. Denn es bleibt auch dort nicht bei einer.

Wieder Dubai und – die erste VIP! Ist sie nicht schön?

Was bei der ganzen Geschichte den besonderen Kick ausmacht, das ist die Jagd. Die Jagd zum einen überhaupt nach Geschäften, die diese Marke führen, zum anderen aber auch nach ganz bestimmten Modellen. So suche ich nach einer speziellen, bestickten VIP ganze drei Jahre lang, bis ich in der Boutique in Saint Tropez Glück habe und das letzte noch vorhandene Stück ergattern kann.

Drei Jahre gesucht: mit der VIP Edition 2012 auf MS Europa 2

Egal in welchem Urlaubsort ich auch bin, in die örtlichen Vilebrequin Stores zu schauen ist Pflicht. Denn die Kollektionen unterscheiden sich überall, maßgeblich dadurch bedingt, dass es so gut wie keinen Sale gibt, die Badehosen ja auch nicht aus der Mode kommen und sich so aktuelle und vergangene Kollektionen von Jahr zu Jahr immer bunter mischen. Die Suche nach bestimmten Vilebrequin Shorts ist eine Wissenschaft für sich. Und eine, die Spaß macht.

Neid! Eine ganz besondere Special Edition

Irgendwann entgeht auch der New Yorker G-III Apparel Group jener Trend nicht mehr. Zu G-III gehören Marken wie Tommy Hilfiger, Calvin Klein, Guess oder Levi’s – und ab 2012 dann auch Vilebrequin.

Mit Sicherheit eine der seltensten Badehosen der Welt

Mein erster Gedanke: das war’s mit dem Kultstatus. Doch erfreulicherweise ändert sich erstmal nicht viel und wenn, dann eher zum (vermeintlich) Guten. So sind die Kult-Badehosen nach und nach auch in Deutschland zu bekommen, natürlich nur in hochwertigen Bekleidungsgeschäften.

Die eigene Kollektion wächst….

Auch die Damen kommen so langsam auf ihre Kosten, Bikinis, zuvor nur in einer Hand voll ausgewählter Shops erhältlich, tauchen in immer mehr Verkaufsstellen auf, ein Online-Store für Deutschland wird erstellt.

… und auch die Dame kann jetzt mitziehen

Zu den Badesachen gesellen sich hübsche Poloshirts, Strandtücher und -taschen, das ist zwar nicht mehr wirklich die Kernkompetenz aber – es passt. Und obgleich ich mittlerweile fast schon einen zweiwöchigen Badeurlaub bestreiten könnte, ohne auch nur eine Badehose zweimal anziehen zu müssen – auch ich kaufe weiter.

Strandtuch meets Badebuxe. Passt!

Erste Zweifel kommen mir erst, als ich Daunenjacken in meinem Lieblingsstore in Dubai entdecke. Wirklich? Ehrlich? Ernsthaft?

Daunenjacke von Vilebrequin

Und es geht weiter: Schuhe, Gürtel, Schals, Sonnenbrillen, ja sogar Unterwäsche. Klar, kann man alles machen. Vilebrequin ist schließlich ein Lebensgefühl. Coolness, Luxus, Lässigkeit. Passt schon.

Coolness, Luxus, Lässigkeit: am Elia Beach auf Mykonos

Was allerdings weit weniger dazu passt: die Badehosen, deren Preise sich mittlerweile zwischen 185 Euro für die Print-Modelle und 450 Euro für die bestickten VIP bewegen, lassen sich immer öfter zu zum Teil erheblich günstigeren Preisen im Sale erwerben. Als ich dann von den ersten Vilebrequin Outlets erfahre, ist es schließlich auch mit der Coolness vorbei. Vilebrequin? Im Outlet? Die Bestätigung all meiner Befürchtungen.

Die 8.000 Euro Badehose: Vilebrequin mit Goldstickereien, gesehen in Saint-Tropez

Mehr noch: die Zeiten, in denen man in den einzelnen Geschäften noch wahre Schätze entdecken konnte, die sind vorbei. Mit wenigen Ausnahmen findet man dort mittlerweile nämlich nur noch die aktuelle Kollektion, somit auch in jedem Geschäft die gleichen Modelle. Kennst du einen Laden, kennst du alle.

Große Auswahl, wie es sie heute kaum mehr gibt

Und gab es früher in jeder Kollektion vier, fünf oder mehr Modelle, bei denen der spontane Haben-Wollen-Reflex einsetzte, passiert das nun vielleicht noch bei einer Badehose – pro Jahr. Wenn überhaupt. Dabei ist die Vielfalt an Modellen und Schnitten so groß wie nie zuvor. Fehlende Kreativität versucht man, so wirkt es auf mich, mit einer immer größer werdenden Bandbreite an Produkten auszugleichen.

Vilebrequin-Store in Lissabon

Nun also diese Uhr. 370 Euro soll sie kosten. Ein Accessoire. Nicht mehr. Ein weiterer Artikel, dem man sein Logo aufdruckt. Ein weiterer Schritt, mit dem sich die einstige Luxus-Marke Vilebrequin als ein einfach nur noch teuer positioniertes Label unter vielen outet.

Passende Uhr zur Badehose? Bitteschön!

Und ich? Mein letzter Vilebrequin-Kauf in einem Store ist lange her. Die letzte Buxe kaufte ich online. Im Sale. Eine VIP zu einem wahrhaft unverschämt günstigen Preis. Geliefert wurde sie mit einer Erkenntnis: meine Lieblingsmarke zerstört sich gerade selbst.

Gone with the wind? Badehosentrocknen, Bahamas-Style

Was bleibt ist meine mittlerweile wirklich schon idiotisch große Anzahl an Badehosen, die ich auch weiterhin mit Freude tragen werde. Weil ich sie liebe und weil sie für mich noch immer den Geist von Vilebrequin verkörpern. Was noch bleibt, ist die Hoffnung. Darauf, dass man sich in St. Tropez, Paris oder New York nochmal auf das besinnt, was die Marke einst so begehrenswert und einzigartig machte. Vielleicht ist es dafür ja noch nicht zu spät.

Disclaimer: die Meinung des Autors muss nicht unbedingt der der Redaktion entsprechen. 😉

Fotos: © Vilebrequin (1), JBK (5), PCS (22)
Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2017

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