Am Vorabend des Baselworld Pressetags machte auf Instagram ein Bild einer Uhr die Runde, welches sofort für Diskussionen sorgte. Darauf zu sehen war eine klassische Fliegeruhr mit großen arabischen Leuchtziffern und Bâton-Zeigern. Soweit nicht ungewöhnlich. In Erstaunen allerdings versetzte der auf dem Zifferblatt angebrachte Markenschriftzug: Patek Philippe.

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Ein lustiges Photoshop Experiment, dachte auch ich mir sofort. Nett gemacht, das ganze hat nur einen Fehler: niemals würde Patek Philippe so eine Uhr heraus bringen. Niemals.

Doch am darauffolgenden Vormittag erschienen immer mehr Fotos der Uhr, ein Newsletter brachte dann, noch vor Öffnung der Hallen, Gewissheit. Die Bilder sind echt. Patek Philippe präsentiert auf der Baselworld 2015 mit der Calatrava Pilot Travel Time 5524 tatsächlich eine Fliegeruhr.

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Freunde der Marke hatten sich gerade erst an die im vergangenen Jahr präsentierte 5960/1A gewöhnt, da erscheint nun also erneut ein vollkommen unvorhersehbares, ja wirklich ganz neues Modell, welches im Aussehen, sagen wir mal ein wenig Patek-untypisch daher kommt.

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Baselworld Neuheit aus dem vergangenen Jahr: die 5960/1A-001

So ganz ohne historischen Background allerdings launcht Patek die Pilotenuhr nicht. Denn schon einmal, in den 30er Jahren, entwickelte die Genfer Manufaktur Fliegeruhren, wenn auch ausschließlich für das Militär.

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Zwei davon findet man heute in der Sammlung des Patek Philippe Museums. Die rund 55 Millimeter großen Uhren sind so genannte Stundenwinkel- oder Siderometer-Armbanduhren, die auch zur relativ einfachen Positionsbestimmung dienten.

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Auf diese Funktion verzichtet Patek Philippe bei der 5524, da dies in Zeiten von GPS nicht mehr wichtig sei. Stattdessen verfügt die Calatrava Pilot über den schon 1959 patentierten Travel Time Mechanismus.

Im aktuellen Modell ist dieser Teil des äußerst genauen (-3/+2 Sekunden / Tag) Automatik-Kalibers 324 S C FUS mit Gyromax Unruh und Spiromax (Silinvar-Silizium) Spirale, bekannt aus der Patek Aquanaut Travel Time 5164A.

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Wie bei jener wird die Heimatzeit durch einen skelettierten Stundenzeiger angezeigt der sich hinter dem mit Leuchtmasse befüllten Stundenzeiger für die Ortszeit versteckt, solange Orts- und Heimatzeit identisch ist.

Beim Wechsel der Zeitzone kann die jeweilige Ortszeit durch Betätigen einer der beiden Drücker an der linken Gehäuseseite in Stundenschritten eingestellt werden. Der Drücker auf der 8-Uhr Position lässt den Zeiger jeweils eine Stunde nach vorne springen, der Drücker bei der 10 um eine Stunde zurück.

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Ergänzt wird die Anzeige noch durch zwei Tag/Nacht Indikatoren, für die Heimatzeit bei 3 Uhr, für die Ortszeit bei 9 Uhr. Das Datum ist als Zeigerdatum bei 6 Uhr ausgeführt. Neu bei der 5524 ist die Ziffernfolge im 3-Tages-Intervall. Diese wurde gewählt, um das Hilfszifferblatt nicht zu sehr mit Zahlen zu überfrachten.

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Um ein versehentliches Betätigen der hier weit hervorstehenden Drücker zu verhindern, verfügt die Calatrava Pilot über eine zum Patent angemeldete Sicherung. Bevor die Ortszeit eingestellt werden kann, muss der jeweilige Drücker mit einer Vierteldrehung entriegelt werden.

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Ein Highlight der Uhr stellt sicher die Grundfarbe des Zifferblatts dar. Patek ließ sich hier vom Anstrich amerikanischer Jagdflugzeuge der 30er Jahre inspirieren. Das Blau des lackierten Blatts wirkt je nach Lichteinfall immer unterschiedlich, erscheint mal fast schwarz, mal anthrazit, im nächsten Moment dann wieder kräftig dunkelblau.

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Die Calatrava Pilot gibt es derzeit nur als 5524G, also als Weißgold Modell. Das Gehäuse misst 42 Millimeter, ist bis 3 bar wasserdicht und wird an einem Kalbslederband in Vintage-Braun mit Weißgold-Stiftschließe geliefert.

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Mein Fazit: das fällt diesmal etwas länger aus. Denn Patek hat mit der 5524 tatsächlich eine schöne Fliegeruhr herausgebracht. Zeiger und Ziffern wirken auf mich zwar ein wenig zu rustikal, zumindest aber kam man nicht auf die Idee, der Uhr auch noch eine Zwiebelkrone zu spendieren. In sofern ist sie vom Gehäuse her eine relativ schlichte, klassische Grande Taille Calatrava.

Was bleibt ist die grundsätzliche Frage nach dem „Warum“. Warum diese Uhr, die trotz historischer Berechtigung so untypisch Patek ist wie kein anderes Modell im Programm. Eine Uhr, auf die sicher kein Patek-Aficionado jemals gewartet hätte, eine Uhr die – ja was eigentlich ist? Die Luftfahrt-Alternative zur Aquanaut?

Schwierig zu sagen, welchen Weg Patek mit der Pilot gehen will und gehen wird. Auf jeden Fall aber macht sie ihr ungewöhnliches Erscheinungsbild zu einer der interessantesten Pateks der jüngeren Geschichte. Eine Tatsache, die auch Sammlern nicht verborgen bleiben wird.

Und noch eines zeigt dieses Modell: dass Patek Philippe jederzeit für eine gewaltige Überraschung gut ist. Und das – gefällt.

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Die Patek Philippe Calatrava Pilot Travel Time 5524G-001 kostet 41.260 Euro.

 

Fotos: © Patek Philippe (2), PCS (11)
Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2015

 

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