Zugegeben, ich war ein wenig fassungslos, als IWC bei seiner Ingenieur dem klassischen Gerald Genta Entwurf den Rücken kehrte und stattdessen eine Modellreihe präsentierte, die ihren designtechnischen Bezug wieder bei den deutlich früheren Ingenieur-Modellen der Zeit zwischen 1955 und 1976 suchte. 2016 war das, also gerade zu einer Zeit, zu der der große Hype um die von Gerald Genta entworfenen Audemars Piguet Royal Oak und Patek Philippe Nautilus bereits deutlich zu spüren war.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW3289 Ref 866A

Vintage: IWC Ingenieur der Ref. 866A aus ca. 1967

IWC Ingenieur und der ganz große Fehler

Andere Uhrenmarken würden sich sicher die Finger danach lecken, einen original Genta Entwurf im Portfolio zu haben. Bei IWC kehrt man davon ab. Unverständlich. Und obgleich die damals präsentierten Neuheiten zum Teil durchaus hübsch anzusehende Uhren waren, muss man sich in den darauffolgenden Jahren in Schaffhausen wohl doch das ein oder andere Mal gefragt haben, ob die Abkehr vom Design-Code Gerald Gentas, gerade auch noch zum 40-jährigen Jubiläum des selbigen, ein Fehler war.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW3289 Ref. 1832

Das Vorbild: IWC Ingenieur „Jumbo“ SL Automatic, Ref. 1832 aus ca. 1976

Wie auch immer, 2023 nun versucht man, das einst richtig miese Timing auszubügeln. Reichlich spät, muss man sagen, denn besagter Hype um jene Sportuhren im Design der 70er ist zwar immer noch allgegenwärtig, allerdings längst nicht mehr auf dem Level, wie dies vor ein oder zwei Jahren der Fall war.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328904

Die neue „Inge“ in Titan: IWC Ingenieur Automatic 40, Ref. IW328904

Messestand und Uhr als Highlights der Watches and Wonders

Dennoch, bis zum 50. Geburtstag wollte man wohl nicht warten, und so erscheint die neue IWC Ingenieur weitestgehend ohne geschichtsträchtigen Ankerpunkt zum – 47. Geburtstag. Für mich ist sie so etwas wie DIE Neuheit der Watches and Wonders. Wenn ich irgendwann einmal an die 2023er Messe zurückdenke, dann wird die Uhr, die mir als erstes ins Gedächtnis kommt, wohl die Ingenieur von IWC sein. Und das definitiv nicht alleine nur wegen des Messestandes.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW3289

Impressionen vom IWC Messestand, Watches and Wonders Geneva 2023

Mit diesem hat IWC aber sicherlich den spannendsten Messeauftritt hingelegt. Der Geist der 70er Jahre, Designklassiker und Kultaccessoires gaben sich auf dem großen Messetand ein Stelldichein und bereiteten der Neuheit so das perfekte Umfeld.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328901

Diese gibt es aktuell in vier Versionen: dreimal in Stahl und einmal in Titan. Allen gemein ist ihre Gehäusegröße von 40 Millimetern bei angenehm schlanken 10,8 Millimetern Bauhöhe und einer Wasserdichtigkeit von durchaus alltagstauglichen 10 bar, sprich 100 Metern.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328901

Weicheisenkern, prächtige Zifferblätter, tolles Finish

Auch das Weicheisen-Innengehäuse zur Abschirmung von Magnetfeldern, einst ein Kernpunkt der Ingenieur Modelle und bei der letzten Kollektion zu Gunsten von Glasböden einfach weggelassen, ist wieder zurück. Dazu gibt es ein gewölbtes, beidseitig entspiegeltes Saphirglas, unter dem die neu dekorierten Zifferblätter in ganzer Pracht erstrahlen können.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328901

IWC Ingenieur Automatic 40, Ref. IW328901

Ganz klassisch, mit schwarzem Blatt, gibt sich dabei die Ref. IW328901, während die Ref. IW328902 mit einem argentéfarbenen Zifferblatt glänzen darf. Für das i-Tüpfelchen an modernem Zeitgeist in der Kollektion sorgt die dritte Edelstahlvariante, die Ref. IW328903. Ihr Zifferblatt ist in der Farbe Aqua gehalten, ein gerade im Sonnenlicht äußerst spannender Farbton, der den Betrachter hier und da ein wenig an die Zusammenarbeit zwischen IWC und dem Mercedes-AMG Petronas Formel 1 Team erinnern mag, obgleich diese hier explizit nicht Pate stand.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328903

IWC Ingenieur Automatic 40, Ref. IW328903

Mit Aqua geht IWC neue Wege bei der Ingenieur

Im Gegensatz zu den anderen beiden Stahl-Versionen geht es beim Aqua Modell auch was das integrierte Edelstahlband angeht ein wenig funkelnder zu. Dafür sorgen hier die polierten Mittelglieder.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328903

Mit matter Optik wiederum überzeugt das Titan-Modell der Ref. IW328904. Das graue Zifferblatt mit schwarz umrandeten Indexen passt hierbei besonders gut zum Farbton des Grade 5 Titans, hätte aber sicherlich auch dem Stahl-Gehäuse recht gut zu Gesicht gestanden.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328904

„Grid“-Struktur nennt IWC dabei das Design, das alle vier Zifferblätter ziert. Das Muster aus um 90 Grad gegeneinander versetzten Linien wird bereits in den Weicheisen-Rohling gestanzt, ehe dieser dann entsprechend galvanisiert wird.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328901

Die charakteristischen fünf Schrauben der Lünette sind beim neuen Modell polygonal ausgeführt und – im Gegensatz zum Ursprungsentwurf Gentas, funktional. Wurde bei jenem die Lünette mit ihren fünf Vertiefungen nur als Ganzes auf den Gehäusering aufgeschraubt, wird diese bei der 2023er Version mit jenen fünf Schrauben fixiert. Die Schrauben sitzen somit immer an den exakt gleichen Stellen.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328902

IWC Ingenieur Automatic 40, Ref. IW328902

Grid-Design, funktionale Schrauben, Kronenschutz

Über den – ebenfalls beim Ursprungsmodell nicht vorhandenen – Kronenschutz kann man wohl geteilter Meinung sein. Als funktionales Element fügt er sich aber recht gut in das Gesamtdesign ein.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328901

Nah am Original-Entwurf, perfekte Größe, hübsche Blätter in schönen Farben, ein tolles Finish von Gehäuse und Band, endlich wieder ein Weicheisenkern, 100 Meter Wasserdichtigkeit, dazu noch 5 Tage Gangreserve, IWC hat mit der Ingenieur, Jahrgang 2023 eigentlich alles sowas von richtig gemacht. Und doch führt die neue Inge zu reichlich Diskussion. Aber – warum?

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328901

Die Ingenieur und ihr Preis

Der Punkt, an dem sich die Gemüter erhitzen, das ist der Preis, welchen IWC für seine Neuheit aufruft. 12.900 Euro sind das im Falle der Ingenieur in Stahl, die Version in Titan liegt gar bei 15.900 Euro. Angemessen? Total überhöht? Gar ein Schnäppchen? Nun, im Grunde von allem so ein bisschen.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328901

Denn man kann sich der Sache von zwei Richtungen nähern. Zum Einen: die IWC Ingenieur als Designklassiker. Gerald Genta erschuf in den 1970er Jahren Ikonen. Er kreierte die Royal Oak für Audemars Piguet, die Nautilus für Patek Philippe und eben die Ingenieur für IWC. Drei absolute Klassiker.

Audemars Piguet Royal Oak "Jumbo" Ref. 15202ST

Genta Designikonen: Audemars Piguet Royal Oak „Jumbo“, hier als Ref. 15202ST

Für die Royal Oak „Jumbo“ Extraflach in Edelstahl sind laut aktueller Preisempfehlung derzeit 34.300 Euro zu zahlen. Ein höchst illusorischer Wert, wie viele von uns schmerzlich wissen. Die Drei-Zeiger-Variante in 41 Millimetern, ebenfalls nicht wirklich einfach zu bekommen, liegt bei 27.200 Euro. Auch die Nautilus „Jumbo“ in Edelstahl lag bei ihrer Einstellung jenseits der 30.000 Euro Marke, die noch erhältliche 5712/1A hat bereits sogar die 50.000 Euro geknackt. Zu bekommen ist auch sie zu diesem Listenpreis kaum.

Patek Philippe Nautilus "Jumbo" Ref. 5811/1G

Patek Philippe Nautilus „Jumbo“, hier die aktuelle Ref. 5811/1G in Weißgold

Die Günstigste der drei Genta Entwürfe

Aus dieser Perspektive heraus betrachtet, kann man die neue Ingenieur einfach nur als eine Okkasion bezeichnen. Sie ist die mit Abstand günstigste Art, an eine Neu-Uhr mit Gerald Genta Design-Historie heranzukommen.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328904

IWC Ingenieur, hier als Ref. IW328904 in Titan Grad 5

Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass sich Nautilus und Royal Oak eben nicht nur durch ihr Design und ihre Verarbeitung auszeichnen. Sie haben einen Nimbus und – sie haben High-End Manufakturwerke verbaut. Im Falle der beiden „Jumbo“ Modelle war das früher das Jaeger-LeCoultre 920, heute werkeln in beiden Fällen echte Eigenentwicklungen der jeweiligen Manufaktur.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328902

Auch für die Ingenieur gibt IWC die Verwendung eines „IWC-Manufakturkalibers“ an. Wie so oft aber, ist „Manufaktur“ auch im Falle des IWC 32111 ein recht dehnbarer Begriff. Denn das Kaliber ist ein Uhrwerk, das das Licht der Welt bereits vor einigen Jahren als Baumatic erblickt hat. Ein Basiswerk, ursprünglich produziert von ValFleurier für die Richemont Konzernmarke Baume et Mercier, genutzt etwa auch von Panerai als P.900 und letztlich entwickelt auf der Grundarchitektur eines ETA 2892 bzw. Selitta SW300.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328904

Die Sache mit dem „Manufakturwerk“

Nichts daran, das sei hier explizit erwähnt, ist vom Grundsatz her schlecht. Wir sprechen über ein solides Werk, das auf einem klassischen, viele Jahre lang bewährten Entwurf basiert und diesen sicherlich noch ein Stück weit perfektioniert hat.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328903

Unverständlich aber bleibt die dann doch eher unvorteilhafte Formulierung, mit der man sich im Zweifel vollkommen unnötig angreifbar macht. Schaut man etwa auf Pressemitteilungen der Swatch Group, so wird dort recht offen kommuniziert, wenn ein Uhrwerk von der konzerneigenen ETA gefertigt wird und auch, was daran exklusiv für die jeweilige Marke gestaltet wurde. Das wäre im Falle von Richemont und ValFleurier doch ebenso möglich.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328901

Natürlich muss man sich dann mit Fragen auseinandersetzen, warum das gleiche Werk etwa in der Pilot’s Watch Mark XX für die Hälfte des Preises zu bekommen ist oder es die Riviera Baumatic von Baume et Mercier sogar schon für ein Drittel gibt. Doch wissen wir alle, dass Marken und auch Modelle – nicht nur im Luxussegment – preislich positioniert werden. Und daran ist nichts weiter auszusetzen. Denn letztlich entscheidet der Kunde, ob ihm das Gebotene das Geld wert ist oder nicht. Ihn aber vollumfänglich über solche Details zu informieren, das sollte selbstverständlich sein.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328904

Ist jetzt ein Preis von fast dreizehntausend Euro angemessen für eine Uhr mit einem solchen Werk oder müssen wir hier gar einen Skandal wittern? Ich gebe zu, als ich den Preis das erste Mal hörte, war auch ich überrascht. Ich hätte die Uhr bei ein klein wenig unter zehntausend Euro gesehen und für einen solchen Preis würde ich sie an dieser Stelle auch tatsächlich als echtes Schnäppchen titulieren. So ist sie zumindest das nicht. Aber sie ist dennoch die günstigste Möglichkeit, eine solche, echte Design-Ikone (neu) am Handgelenk zu tragen.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328903

Und sie ist noch dazu einfach eine verdammt schöne Uhr. Für mich ist sie eine echte Überraschung – und so ziemlich das Schärfste an Neuvorstellungen, das IWC in den letzten Jahren auf den Markt gebracht hat. Allein dafür schon ein ganz großes Kompliment nach Schaffhausen.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328902

Schönes Band mit kleinem Manko

Ein kleines Manko ist für mich der Verzicht auf eine Komfortverstellung beim sehr angenehm zu tragenden Integralband. Das Weglassen einer solchen geschah seitens IWC durchaus bewusst und zu Gunsten einer nahtlosen Optik, könnte sich in der Praxis allerdings trotzdem als nervend herausstellen, gerade bei warmen Temperaturen.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328901

Eine Schließe mit entsprechender Feinverstellung, so ließ IWC Schaffhausen CEO Chris Grainger-Herr noch während der Messe verlauten, könne nachgeordert werden. Allerdings geht diese dann wiederum auf Kosten der Ästhetik, da sie optisch alles andere als dezent ausfällt.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328904

Bleibt die Frage nach der Verfügbarkeit der neuen IWC Ingenieur, Jahrgang 2023. Da sieht es für den Anfang nicht ganz so rosig aus. Wer also auf sinkende Preise auf dem Gebrauchtmarkt setzt, um eines der Modelle zu erstehen, dürfte enttäuscht werden. Hinzu kommt, dass die vier „Inges“ ausschließlich in den IWC Boutiquen erhältlich sein sollen. Ein Umstand, der auf der Messe verständlicherweise für die ein oder andere Zornesfalte bei den Fachhändlern sorgte. Doch scheint „Boutique only“ zumindest mittelfristig noch nicht zu einhundert Prozent in Stein gemeißelt. Für das Startjahr 2023 aber dürfte man sich bei IWC in Puncto Begehrlichkeit ganz klar an den anderen beiden Genta-Klassikern orientiert haben.

Luxify Review Hands-on IWC Ingenieur 2023 IW328904

Datenblatt:

  • Modell: IWC Ingenieur Automatic 40, Ref. IW238901
  • Gehäuse: 40 Millimeter, Edelstahl, wasserdicht bis 10 bar (100 Meter), Weicheisen-Innengehäuse, gewölbtes, beidseitig entspiegeltes Saphirglas
  • Zifferblatt: Schwarz, Zeiger und Indexe mit Leuchtmasse belegt
  • Armband: Integriertes Edelstahl-Armband mit Butterfly-Faltschließe
  • Uhrwerk: Kaliber 32111 (In-House), Automatik, 28.800 A/h (4 Hz), 120 Stunden Gangreserve
  • Funktionen: Stunde, Minute, Sekunde, Fensterdatum
  • Limitierung: keine
  • Garantie: 2 Jahre, 6-jährige Verlängerung bei Registrierung
  • Preis: EUR 12.900 (DE)
  • Verfügbarkeit: Neuheit 2023
  • Link zum Hersteller: https://www.iwc.com/de/de/watch-collections/ingenieur/iw328901-ingenieur-automatic.html
  • Varianten: Ref. IW238902 mit argentéfarbenem Blatt, Ref. IW238903 mit Aqua-Zifferblatt und teilpoliertem Armband, jeweils EUR 12.900 (DE); Ref. IW238904 in Titan Grade 5 mit grauem Zifferblatt EUR 15.900 (DE)

Die Uhr im Luxify Watches and Wonders Recap

Fotos: © PCS 2023

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