Wenn man eine extravagante Jacht aufspüren möchte, ist man am besten an der südfranzösischen Riviera aufgehoben, genauer, in der wunderschönen Bucht von Saint Tropez. Und richtig, wenn unser Blick von den Höhen bei Plan-de-la-Tour in Richtung Süden schweift, liegt sie vor uns: die wunderschöne Halbinsel bei St. Tropez und die Bucht, die ebenfalls ihren Namen von dem einst so verträumten Fischerdorf hat. Wer ganz genau hinsieht, entdeckt den Dreimaster, der langsam durch die Bucht gleitet.

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Bevor wir uns aber der Yacht selber nähern, wollen wir uns um den Namen kümmern. Wie oft heißen Yachten nach irgend welchen Göttern, Frauen, Freundinnen, Winden. Aber Maltese Falcon? Ein Falke aus Malta? Da lohnt sich der Blick in die Geschichte.

Malta und seine Nebeninseln liegen etwa 100 km südlich der italienischen Insel Sizilien und nur etwa 300 km östlich des afrikanischen Festlands auf der Höhe von Tunesien. Die Inselgruppe hat eine bewegte Geschichte, die Jahrtausende zurück reicht. Im 13. Jh. n. Chr. ging die Insel nach den Herrschaftsperioden der Phönizier, Griechen, Römer, Byzantiner und Araber schließlich an Spanien. Im 16. Jh. wurde die Insel durch Kaiser Karl V., zugleich  König von Spanien, an den Johanniterorden übergeben,  der ungefähr ab der gleichen Zeit als protestantischer Orden in der Kontinuität des im 11. Jh. gegründeten Ritterordens der Johanniter von Jerusalem stand.

Ebenfalls im 16. Jh. wurde der Ordenssitz der Johanniter von Jerusalem nach Malta verlegt, und seitdem bürgerte sich der Name Malteserorden für den Johanniterorden ein. Das Malteserkreuz ist allenthalben bekannt. Und heute ist der Malteserorden der katholische Zweig des Johanniterordens, beide haben die gleichen Wurzeln. Und was hat es mit dem Falken auf sich, den wir hier als Segelzeichen in der Maltese Falcon sehen?

Falke

Als die Johanniter im Zuge der Vertreibung aus Jerusalem auch von der Insel Rhodos verjagt wurden, schenkte Karl V. den Johannitern die Inselgruppe Malta. Als zumindest symbolische Gegenleistung wurde vereinbart, dass der Orden dem König jedes Jahr einen Falken zu schenken habe! Gleichzeitig erhoffte sich der König natürlich, dass die Ritter, wie es für sie üblich war, ihren Sitz zu einer Festung ausbauten – nicht ganz ohne Kalkül, denn eine Festung an so exponierter Stelle im Mittelmeer sollte auch für Spanien eine gewisse Sicherheit bieten.

Die Rechnung sollte später tatsächlich aufgehen, als Malta dem türkischen-muslimischen Ansturm unter Suleiman dem Herrlichen erfolgreich widerstand und daraufhin deren Vorherrschaft im Mittelmeerraum zerbrach. Ein Stück europäische Geschichte wurde hier auf Malta geschrieben.

Mit diesem Wissen wenden wir uns jetzt den 88 Metern der Maltese Falcon zu. Majestätisch liegt sie in der Bucht von St. Tropez vor Anker.

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Vorsichtig umrunden wir sie auf eigenem Kiel und lassen uns einige Maße auf der Zunge zergehen: Länge 88 Meter, Breite 12,50 Meter, Tiefgang sechs Meter, Verdrängung 1.240 Tonnen, Masthöhe 58 Meter über Wasser, Segelfläche 2.400 Quadratmeter. Kraftstofftank 100.000 Liter. Reisegeschwindigkeit unter Motor 19,5 Knoten, Werft Perini in der Türkei.

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Aber nicht nur diese beeindruckenden Maße und Werte machen das Boot zu etwas Besonderem. Es ist vielmehr die einzigartige Technik, die der Yacht gleichermaßen ein eigenartiges Aussehen verleiht.

Eigner ist der Amerikaner Tom Perkins, lange Zeit in verantwortlicher Stellung bei Hewlett-Packard, heute sitzt er in der Konzernzentrale von Rupert Murdochs Imperium. Er wohnt in Kalifornien und Südengland.  Lange Jahre segelte er den historischen Schoner Mariette, dem wir in einem Bericht über die Voiles de Saint Tropez 2006 und mit einem Bericht zum Westward-Cup 2010 vor Cowes schon begegnet sind. (mehr hier über die Mariette.)

Im Jahr 2000 kaufte Perkins einen schon fertigen Stahlrumpf, ohne zu wissen, welches Rigg dieser Rumpf später tragen sollte. Der holländische Bootsarchitekt Gerard Dijkstra machte vier Vorschläge, und der Eigner entschied sich für einen innovativen Paukenschlag: das sogenannte Dyna-Rigg, eine Erfindung des Hamburger Ingenieurs Wilhelm Prölss aus den sechziger Jahren  Aber erst die Verwendung von hochfesten und leichten Werkstoffen und der Wagemut eines Investors ließen diese Erfindung nach fast 40 Jahren zur Realität werden.

Das Prinzip des Dyna-Riggs ähnelt dem eines Vollschiffs: An schwenkbaren Rahen sind mehrere Segel übereinander angeordnet. Die Kohlefasermasten des Dyna-Riggs – Masten wie die Säulen einer Kathedrale, schreibt ein Reporter – stehen im Rumpf auf einem Lager und werden nur am Decksdurchgang durch ein zweites Lager gehalten, sodass sie frei drehbar sind. Das und die geschwungenen Rahen erlauben einen Winkel von immerhin 35° am Wind! Und einen gewissen Reiz kann man den Linien von Mast und Rahen gewiss nicht absprechen.

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Die Personen an Bord geben erst den richtigen Maßstab: Wie klein wirken sie im Vergleich zu den riesigen Abmessungen des Rumpfes und des Decks!

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Genau sechs Minuten braucht die Crew, um 2.400 Quadratmeter Segelfläche an 15 Segeln und 18 Rahen zu setzen. Damit in Rahen und Masten die enormen Spannungen unter Kontrolle bleiben, wurden Hunderte faseroptische Sensoren installiert. Wenn das riesige Schiff mit dem Heck in 30 Sekunden durch den Wind geht, drehen sich die Masten wie von Geisterhand in die neue Windrichtung. Natürlich fährt man eine Wende oder Halse nicht von Hand, sondern mit vollautomatischen Segel- und Fahrsystemen. Ebenso werden Segel per Fingerdruck auf Touchscreenbildschirmen gesetzt und geborgen.

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Wenn man genau hinschaut, sieht man das in den Masten aufgewickelte Tuch, das dann jeweils nach rechts und links an den Rahen nach außen gezogen wird.

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Zu dem eigenwilligen Erscheinungsbild mag man stehen wie man will, eine Konzession musste man machen: Aufgrund der beweglichen Rahen und Masten können dort keine Antennen, Radome und sonstige technische Ausrüstungen untergebracht werden. So war man gezwungen, einen eigenen Signalmast auf dem Vorschiff zu bauen, der die Silhouette gleichermaßen charakteristisch wie hässlich macht. Aber wenigstens hat man aus der Not eine Tugend gemacht und gleich einen Kran im Mast versteckt.

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Leider bleiben uns Blicke ins Innere verwehrt. Sonst könnten wir sehen, dass für die Inneneinrichtung allein 36 verschiedene Lederarten verwendet wurden, dass es „nur“ die Eignersuite, eine VIP-Suite und drei Gästekabinen gibt, dass sich unter Deck zwei Beiboote von jeweils 10 Metern Länge befinden, dass es eigens eine Wäscherei und einen Kühlraum gibt…. Also fahren wir lieber noch einmal um den Riesen herum!

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Und was hat das jetzt mit Uhren zu tun? Richtig, die Megajacht hat eine Schiffsuhrenanlage des Münchner Großuhrenherstellers Erwin Sattler. Der Blick auf die Homepage http://www.erwinsattler.de zeigt, dass sich Sattler aber inzwischen mit weit mehr beschäftigt als mit den Präzisions-Pendeluhren, die inzwischen schon legendär und extrem beliebt sind. Das Thema Schiffsuhren wurde lange Zeit ein wenig vernachlässigt, doch man hat in München bald erkannt, dass Jachtbesitzer erstens eine große Affinität zu schönen und exklusiven Dingen, respektive Uhren haben, und dass – nicht zu vernachlässigen – dort auch ein ganz gute Portion Finanzierungskraft einen Markt für Sattler-Uhren bildet. Übrigens gibt’s seit einiger Zeit auch Armbanduhren aus dem Hause Sattler, sodass das ganze Portfolio für den uhrenbegeisterten Seemann zur Verfügung steht.

So kommen Hightech und traditionelle mechanische Uhren wieder zusammen. Erwin Sattler aus München, bekannt durch seine Präzisions-Pendeluhren, stellt auch wieder Glasen- und Schiffsuhren her. Die Schiffsuhr ‚Nautis’ hat einen Durchmesser von 25 cm und ein Gewicht von immerhin 9,5 kg! Das mechanische Kaliber hat eine Gangreserve von 15 Tagen und schlägt mit 18.000 Halbschwingungen. Das Gehäuse aus vernickelter Bronce ist wasserdicht. Zum Stückpreis von damals rund 8.000 Euro hängen gleich mehrere dieser Uhren auf der Maltese Falcon.

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So ist es nur folgerichtig, dass Sattler seit einigen Jahren auch auf der Internationalen Bootsaustellung ‚Boot Düsseldorf‘ ausstellt, und das nicht nur mit einem kleinen, irgendwo versteckten Stand, sondern mittendrin im exklusiven Jachting, in Halle 7a, bei den ganz Großen.

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Clou ist die ‚Atlantis‘, eine Präzisionsuhr, vollkardanisch aufgehängt, mit passendem Tisch oder passender Säule.

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Und ganz neu auf der diejährigen Messe: Der ‚Custodia‘ Uhrenbeweger, im Stil der Zeit heute natürlich über den Tablet-PC zu programmieren und zu bedienen!

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Wer mehr erfahren will, sollte sich einmal auf der Webseite von Sattler umschauen, und zum Thema Maltese Falcon gibt’s natürlich auch noch viele Informationen im Internet: auf http://www.symaltesefalcon.com oder ein Bericht auf meiner Segel-Seite.  Vieles weitere zum Thema Segeljachten, ob hypermodern oder klassisch, gibt es hier: http://www.standop.net/voiles.

Fotos & Text: © Gerhard Standop, 2013.

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