Ich treffe Tobias in seiner Werkstatt in Neuleiningen. Es ist ein schöner Spätsommertag und die Sonne strahlt über dem hübschen Örtchen in der Pfalz. Vom Parkplatz an der Burg, im Sommer regelmäßig Veranstaltungsort von Konzerten, sind es noch ein paar Treppen hinunter zur Mittelgasse.

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„Donluigi“ vor seiner Galerie

Tobias Ueberschaer arbeitet hier gemeinsam mit seiner Frau Renate, vier Angestellten und Auszubildenden. Schon von der Kopfsteingepflasterten Straße aus kann man ihnen bei der Arbeit zusehen. Die Werkplätze sind in den Verkaufsraum integriert.

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Bei der Arbeit

Ist das nicht ein eher ungewöhnliches Konzept? 

Wir sind Goldschmiede, keine Juweliere. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Während ein Juwelier lediglich mit gekaufter Schmuckware handelt, stellen wir alle Schmuckstücke und deren Komponenten selbst her, teilweise bis zum Schliff der Edelsteine. Das kann und soll der Kunde ruhig wahrnehmen. Wer möchte, kann sogar selbst Hand anlegen im Rahmen der Schmuckworkshops, die meine Frau hält.

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Fast fertig!

Du kommst aus einer Gastronomiefamilie. Da ist Goldschmied doch eine eher ungewöhnliche Berufswahl gewesen, oder? Wie kamst Du dazu? 

Die Berufe sind sehr wesensverwandt. Ob man jetzt einen Smaragd oder eine Erdbeere verarbeitet, macht prinzipiell keinen großen Unterschied. Das Rohmaterial muß perfekt und das Rezept muß stimmig sein, dann wird’s auch was. Auch die angepeilte Klientel ist dieselbe. Wer etwas von gutem Essen versteht, schätzt auch die anderen schönen Seiten des Lebens. Bonusergötzung: meine Kreationen werden vererbt und nicht verdaut. Das gefällt mir.

Was sagten Deine Eltern? War die Übernahme der elterlichen Gastronomie nie ein Thema? 

Meine Eltern haben mich gewähren lassen. Und wie alle guten Selbständigen haben sie mir immer abgeraten, in ihre Fußstapfen zu treten. Sternegastronomie ist bei aller Faszination kein Spaß, mich hat immer die Abhängigkeit vom Personal und das „jeden Tag wieder auf den Punkt abliefern müssen“ gestört. Das knochenmühlenhafte Element der Gastronomie fehlt in meinem Beruf komplett.. Meine Schwester ist der Branche dann treu geblieben und macht das besser, als ich das jemals könnte.

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Logomania

Welche Faszination übt Schmuck für Dich aus?

Ich mag den Reiz, extrem seltene und kostbare Materialien zu bewegen, insbesondere schöne Edelsteine haben es mir seit je her angetan. Steine sammle ich seit meiner Kindheit, meinen ersten 10.000-Eurostein hab ich in meiner Lehrzeit gekauft und ihn über die Lehrzeit hinweg abgestottert. Ich mag, daß ein Schmuckstück nur deshalb entsteht, weil ich es will und es kann. Und ich mag die Verwandlung, die – wenn ich alles richtig gemacht habe – mit einer Person einhergeht, die ein neues Stück aus meinem Atelier zum ersten mal anlegt.

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Aus dem Atelier

Mit welchen Materialien arbeitest Du am liebsten und warum?

Gold ist toll! So geschmeidig, so kleidsam, so grenzenlos verformbar. Ein faszinierendes Material, ich kann nachvollziehen, daß man darüber Kriege führt. Ansonsten mag ich Edelsteine, die so schön und knackig von der Farbe her sind, daß man sie nicht als natürliche Materialien wahrnimmt. Neongrüne Paraiba-Turmaline etwa, knallorangene Mandaringranate, apfelgrüne Peridots oder krassblaue Tansanite. In den letzten Jahren ist mein Interesse an farbigen Diamanten erwacht. Weil sie so schön sind, aber mehr noch, weil sie so extrem selten sind.

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Letzte Kontrolle

Wie ist er so, der typische Ueberschaer Kunde? Gibt es sowas überhaupt?

Meine Kunden sind Genußmenschen, schätzen das außergewöhnliche und geben gern, die meisten meiner Stücke werden verschenkt. Es sind ein paar versierte Sammler dabei, die suchen, was kein anderer hat. Das Auftreiben von Steinen bester Qualität ist die größte Herausforderung, mein Schmuck muß mitunter auf recht illustren Parketten bestehen, da geht nur das Beste vom besten, sonst wird’s peinlich für die Trägerin. Wobei wir natürlich aber auch ganz normals Alltagsstücke und Trauringe fertigen. In den letzten Jahren tauchen vermehrt Kunden auf, die sich auch für Schmuck und Steine als Anlageform interessieren.

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Rotgold!

Schmuck als Wertanlage?

Es ist doch so: Konsumenten und Investoren sind gleichermaßen verunsichert. Klassische Anlageformen sind hinfällig, Geld hat aktuell die paradoxe Rolle, gleichzeitig wertlos und schwer begehrt zu sein. Was nur tun damit? Heutzutage sind viele durch die Entwicklungen etwa des Vintage-Uhrenmarkts versaut und stellen auf einmal an alle ihre Alltagsgegenstände die Anforderung, „Rendite“ zu „erwirtschaften“ – und warum auch nicht, es funktioniert ja mitunter. Das ist neu. Früher hat man entspannter konsumiert und gekauft, was einem gefällt, heute muß alles den Stresstest überstehen. Man kauft den Oldtimer, die Uhr, das Möbelstück, das Gepäckstück nicht nur, weil es einem gefällt, sondern weil man ihm auch gewisse Renditechancen oder zumindest Wertstabilität einräumt. Das kann man machen, es ist legitim, die begrenzte Ressource Geldes, die einem zur Verfügung steht, weise einzusetzen. Aber es bleibt etwas auf der Strecke: die Individualität. Man vertraut eher einer Markenstrahlkraft oder dem Wort seiner Peers, als dem eigenen Geschmack.

Zum Thema Schmuck als Wertanlage muß man sagen: wenn man vornehmlich Rendite erhofft, sollte man Aktien kaufen. Aber wenn man gute Steine mit Bedacht kauft und sachgemäß trägt, wäre man überrascht, was diese nach vielen Jahren des Tragespaßes noch wert sind. Wenn wir hin und wieder Nachlässe schätzen, sind die Gesichter der Erben bei der Taxierung von Omas Diamanten jedenfalls strahlender als bei der von Opas Briefmarken.

Gute Steine sind noch nie billiger geworden und werden immer begehrt sein, sie brauchen keine Revision und haben keine Halbwertzeit. Sieht man den Tragespaß als Form der Rendite, wird ein Schuh draus.

Schmuck gehorcht hier übrigens anderen Gesetzen als Uhren. Bei Uhren ist die Marke entscheidend, bei Schmuck die Substanz. Und gerade bei Edelsteinen funktioniert nicht beides gleichzeitig. Marke bedeutet immer Masse, aber Masse ist unmöglich bei sehr guten Steinen, weil man sie eben nur als seltene Einzelstücke bekommt. Und Seltenheit ist wichtig, wenn es um den Erhalt eines substantiellen Werts geht.

Und es gibt durchaus Steine, die eine gewisse Renditephantasie erlauben: fancyfarbige Diamanten etwa oder richtig seltene Topsteine wie die erwähnten Paraiba-Turmaline. Aber wie bei allen Anlageformen, die nicht börsennotiert gehandelt werden: die Güte einer Wertanlage zeigt sich, wenn man sie veräußern will – oder muß. Man braucht dann einen Zugang zum Markt oder muß sich diesen erkaufen. Schmuck und schöne Steine kauft man also am besten, um sich und anderen hier und jetzt eine Freude zu machen.

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Herzig!

Wer ein wenig in unserem Forum querliest, der merkt schnell, dass Du für die ungewöhnlichsten Dinge zu haben bist. Ich erinnere mich da zum Beispiel an Kragenstäbchen aus Platin. Wie oft kommt es vor, dass Du Dir bei einem Auftrag sagst – Geile Idee eigentlich? 

Ich finds immer toll, wenn sich ein Kunde mit Ideen einbringt und mich fordert. Ich mag Trüffelschweine, die Steine suchen, die kein anderer hat. Und ich mag Spinner. Gerade arbeiten wir für einen Rapper einen Anhänger in Form einer fast originalgroßen, lebensechten Mac 10-Maschinenpistole aus Gold, die man auch als Wasserpfeife nutzen kann. Bin gespannt, wie er die durch den Zoll bringt.

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Alles hier entsteht in mühseliger Handarbeit

Schmuck soll ja schon ein Stück weit zeitlos sein, in sofern ist die Frage nach aktuellen Trends vielleicht etwas fehl am Platze. Dennoch: gibt es irgendwelche Trends fürs Weihnachtsfest? 

Ich arbeite nicht in Trends. Meine Stücke sind nie modisch.

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Stimmung: trotzdem super. 

Was trägt Mann eigentlich?

Immer mehr. Die Armbandthematik nimmt immer lustigere Züge an, insbesondere die verwendeten Materialien werden kostbarer und spezieller. Ansonsten arbeiten wir wieder verstärkt Manschettenknöpfe und eher grobe Ketten aus Feingold oder Platin.

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Diamanten!

Was ist zur Zeit Dein liebstes Schmuckstück?

Ich habe hier eine handgeschmiedete Blüte aus Weißgold, in die haben wir über 800 Brillanten eingearbeitet, im Zentrum befindet sich ein perfekter Paraiba-Turmalin aus Brasilien. Den Stein trag ich seit 15 Jahren mit mir rum, das Stück hat fast 2 Jahre vom Entwurf bis zur Vollendung gebraucht. Und jetzt ist es fertig und begeistert mich sehr. Meine besten Schmuckstücke sind aber die, die noch kommen. Wenn ein Stück fertig ist, bin ich durch damit. On to the next one.

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Natürlich darf die Frage aller Fragen nicht fehlen: wie lautet Deine Definition von Luxus?

Mit meiner Frau Trüffelnudeln zu essen. Und meinem Hund Micki zuzuschauen, wie er auf dem Sofa schläft.

Dein größter Luxus?

Aktuell? Daß ich obszön viel Zeit in mein Hobby, der Jagd, versenke.

Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast. 

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Tobias mit seinen Mitarbeitern, Sophia und Micki

Die Goldschmiede von Tobias Ueberschaer finden Sie in der Mittelgasse 17, 67271 Neuleiningen. ‪www.tobias-ueberschaer.com

 

Fotos: © Tobias Ueberschaer (1), PCS (12) 2016

 

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