Hinten ein größerer Felgendurchmesser als vorne, Leichtbaumaterialien, ein riesiger Heckflügel, Diffusor, Entlüftungen hinter den vorderen Radhäusern, hochdrehender Saugmotor, mittig angeordnete Doppelendrohre, mit Alcantara bezogene GFK-Schalensitze mit Vierpunktgurten, ein Fahrzeug aus dem Rennsport direkt auf die Straße abgeleitet – der neue Porsche GT3 RS…?

Nein. Ein 15 Jahre alter Lotus.

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Eigentlich sollte mein nächstes Traumauto ein BMW M2 werden, nur kam es anders und ich war um ein zukünftiges Traumauto ärmer. Aber so ganz ohne Drittwagen geht es eben auch nicht und es stellte sich die Frage, was den M2 ersetzen soll. Es sollte etwas kleines, leichtes, fahraktives sein und im Gegensatz zu meinem Touring ein halbwegs modernes Auto mit Einspritzung, unkompliziert, einsteigen und losfahren. Einheitsbrei gibt es jedoch genug, warum nicht einmal etwas völlig anderes suchen?

Zu Beginn waren da nur diese schwammigen Vorstellungen, so dass ich ein paar Wochen lang ziellos auf Mobile, Pistonheads und Racecarsdirect umhergeirrt bin. So wirklich wusste ich auch nicht was ich wollte. Ein Rallyeauto? Einen Youngtimer? Da waren Noble M12, TVR Cerbera, eine Lola T70 Recreation mit Straßenzulassung, die aber leider das Budget überstieg, und verschiedene andere Fahrzeuge. Eines hatten sie irgendwie alle gemeinsam: es waren Engländer und meistens eben auch Rechtslenker. Anscheinend haben die Engländer es drauf, kleine und große Spaßautos zu bauen, auch wenn deren Ruf nicht überragend sein mag.

Von den richtigen Exoten wie TVR, Noble und Lola habe ich mich dann langsam zu den im Vergleich Großserienfahrzeugen durchgesucht. Vielleicht einen Caterham? Yes! Mehr Spaßauto geht nicht! Das würde aber nicht zu meiner Einleitung passen – über Caterham bin ich am Ende bei Lotus gelandet. Jeder kennt die Lotus Elise, neben den Caterhams eins *der* Spaßautos für große Jungs. Wenig Gewicht, im Vergleich dazu gute Leistung und das sprichwörtliche Brett auf der Straße.

Was aber tun, wenn man wie ich nicht so auf Roadster steht? Dann nimmt man den Exige. Davon gibt es auf Mobile genügend, fast ausschließlich Series 2. Sehr aggressives Design, ein Gesicht wie eine Wespe, Fahrzeuge mit Kompressor und ordentlich Leistung besonders bei einem Gewicht von um die 900kg.

Zwischen den ganzen Series 2: ein einziger Exige Series 1. Ein wunderschönes Auto, die Front wie ein Sportwagen der 60er oder auch ein Ford RS200, das Heck wie bei einem McLaren F1 und ein riesiger Diffusor. Nur eben leider ein Rechtslenker. Sehr schade, mir gefallen Sportwagen der 60er, Ford RS200 und McLaren F1.

Von den Series 2 hatte ich dann sehr schnell genug gesehen, dieser eine Series 1 hatte es mir angetan. SMS geschrieben, telefoniert, noch einmal telefoniert, wieder telefoniert, dazwischen viele Whatsapp geschrieben und 2 nervenaufreibende Wochen später stand das Auto auf meinem Hänger und kurz darauf bei mir in der Garage.

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Ich habs nicht bereut. Das Auto ist einfach eine Granate. Der erste Exige ist die Straßenversion der Rennversion der Straßenversion der Lotus Elise, dabei aber noch mehr Renn- als Straßenversion.

Das merkt man. Der VHPD (very high performance derivative) genannte Vierzylinder Saugmotor jubelt bis über 7800 U/min, bei denen er seine 180 PS erreicht und gibt das dem Umfeld auch sehr lautstark kund.

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Standgeräusch sind 97dB(!) – und zwar nicht von einem gut gelaunten TÜV-Prüfer eingetragen, sondern auf dem COC-Dokument von Lotus ab Werk. Dies und geänderte Abgasnormen führten dazu, dass man bei Lotus nach 604 gebauten Exemplaren gemerkt hat, dass das Fahrzeug so nicht mehr zulassungsfähig ist.

180 PS klingen nicht nach viel, aber das Fahrzeug wiegt vollgetankt mit mir fettem Deppen als Fahrer 852 kg – plusminus ein bisschen, je nachdem wieviel ich vorher gegessen habe. Immerhin genug Leistung, um in unter 5 Sekunden von Null auf Hundert zu sprinten.

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Neben nackten Zahlen ist da aber auch das Fahrgefühl, das sich kaum mit dem eines anderen Autos vergleichen lässt. Eine messerscharfe, höchst mitteilsame Lenkung in Verbindung mit einem Sportfahrwerk und Semislicks macht aus dem Auto ein Schienenfahrzeug auf der Straße.

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Scheinbar reicht allein schon der Gedanke an eine Richtungsänderung und es passiert. Dabei aber nicht angestrengt, wie bei größeren, schwereren Sportwagen, sondern mit einer im Wortsinne Leichtigkeit, die mich schon so manches mal vergessen lassen hat, dass ich jetzt doch schon hart an der Geschwindigkeitsbeschränkung vorbeischramme. In einem Forum hatte einer die Signatur: „Ein 911er ist eine Streitaxt, ein Exige ein Skalpell“

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Diese Leichtigkeit beinhaltet auch, dass der Exige kein bockhartes, unbequemes Rennauto ist. Die Bodenbeschaffenheit wird mir immer firm, aber nie unangenehm hart mitgeteilt und selbst der Grenzbereich kündigt sich in einem wunderbar fließenden Übergang an. Dabei ist die Feder-/Dämpfereinheit technologischer Stand von 2000. Nachdem sich seitdem auf dem Sektor viel getan hat, liegt auch schon ein neues Fahrwerk hier bereit, um die wenigen kleinen Schwächen vollends auszubügeln.

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Ich bin schon in viel größeren, luxuriöseren Straßenautos bedeutend unentspannter angekommen als mit dem Exige. Denn ich sitze einfach perfekt, trotz der spärlich gepolsterten Glasfaserschalen und den Vierpunktgurten. Vielleicht habe ich aber auch einfach die perfekte Statur und Körperform für diese Sitze.

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Der Klang ist ziemlich dreckig sägend. Vielleicht etwas wie ein Lancia Stratos. Ich habe auch schon den Vergleich „wie ein Ferrari Achtzylinder mit nur einer Zylinderbank“ gehört. Understatement ist jedenfalls nicht die große Stärke des Exige. Zwar mag das „New Aluminium“ genannte Leasinggrau vielleicht unauffällig sein, Form und Klang ziehen jedoch die Aufmerksamkeit auf sich.

Besonders Kinder freuen sich über das Auto. Liegt vielleicht auch an dem auf den ersten Blick freundlich strahlenden Gesicht mit großen Augen. Sieht man jedoch genau hin, verbirgt sich hinter der Abdeckung ein aggressiv fokussierter Blick. Das entspricht ganz dem Charakter, wie sich das Auto gibt. Entgegenkommend, bequem, feinfühlig, aber wenn man es drauf ankommen lässt kompromisslos mit dem Messer zwischen den Zähnen.

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Immer auch interessant, wie die (fast) durchwegs positiven Reaktionen so ausfallen. Letztens an der Tankstelle war da so eine Gruppe Kinder, die mich minutenlang ausgefragt und bewundert haben. Wär Bruce Wayne mit dem Batmobile vorgefahren, er hätte in deren Augen wohl auch nicht cooler sein können. Mit einem lakonischen „ja, ganz nett, aber so ein Bugatti Veyron wär schon viel geiler“ holte mich dann einer der Jungs jedoch recht schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Kinder können so grausam sein.

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Einsteigen ist so eine Sache für sich. Die Öffnung zwischen hohem Schweller und niedrigem Dach kommt nicht jedem entgegen. Hat man es einmal raus, ists aber relativ easy. Einer der Vorbesitzer hatte mit seinen fast 70 Probleme mit der Hüfte, ließ deswegen sogar das Kupplungspedal verlängern und hat es anscheinend doch regelmäßig geschafft ein- und auszusteigen.

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Erklärt man Mitfahrern jedoch nicht wie das funktioniert, kann man sie damit ganzschön auflaufen lassen, was beim Aussteigen dann durchaus ähnlich würdelos wie ein Fisch auf dem Trocknen aussehen kann. Welch Jammer wenn so etwas direkt vor der Eisdiele passieren würde.

Für mich jedoch ist der Lotus Exige alles in allem der perfekte Drittwagen für enge Landstraßen, Roadtrips und Trackdays.

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Zu Beginn hatte ich ja geschrieben, dass ich ein unkompliziertes Auto zum einsteigen und losfahren suchte. Pustekuchen! Nachnicht einmal 30 Meilen Fahrt hat mich der Wahnsinn gepackt und ich habe angefangen, von Rechts- auf Linkslenker umzubauen.

Doch das ist eine eigene Geschichte – für Teil 2.

 

Fotos & Text: © Joe Reiter 2015

 

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