5 Fragen zur aktuellen Zeit – an Georges Kern

Wie sehen die CEOs der Uhrenindustrie eigentlich die Zukunft ihrer Manufakturen, der gesamten Branche während und nach Corona? Was wird sich ändern? Welche Konsequenzen ziehen sie aus der derzeitigen Lage? 5 Fragen zur aktuellen Zeit sendeten wir zu einer ganzen Reihe von Manufakturen und mussten erkennen, dass ein nicht unerheblicher Teil sich zu diesem Thema derzeit – gar nicht – äußern möchte. Anders sah erfreulicherweise die Reaktion bei Georges Kern, dem CEO von Breitling aus. Hier also sind seine Gedanken zur aktuellen Zeit.

Corona und die Situation in der Uhrenbranche

Covid-19 hat die gesamte Welt gehörig durcheinander gewirbelt. Davon blieb natürlich auch die Uhrenindustrie nicht vollends verschont. Wie sehen Sie die aktuelle Situation im Allgemeinen und spezifisch für Ihre Branche?

Die Konsequenzen für die Gesellschaft und die Wirtschaft sind einschneidend und das ganze Ausmass und die Folgen daraus sind noch nicht hinreichend abschätzbar. Es bleibt zu hoffen, dass die Massnahmen, die zum Schutz der Bevölkerung und des Gesundheitssystems getroffen wurden, beitragen, möglichst schnell wieder zu einer Normalität zu finden und dass uns eine zweite Welle des Virus nicht mehr so stark trifft oder wir gar davon verschont bleiben. Die gesamte Wirtschaft ist beeinträchtigt und die Luxusbranche im Speziellen, da diese stärker von der Stimmung der Konsumenten abhängt. Allerdings erholt sie sich auch schneller als andere Branchen.

1300 von 1500 Verkaufspunkten derzeit geschlossen

Wie genau betrifft die jetzige Situation Ihr Unternehmen? Was hat sie für Auswirkungen auf den Absatz? Welche Änderungen / Anpassungen mussten Sie einleiten und wann denken Sie, zurück zu einer gewissen Form von Normalität zu finden?

Um Ihnen einen Eindruck der Situation zu geben: Von unseren rund 1500 Verkaufspunkten sind zurzeit 1300 geschlossen. Damit kann man sich vorstellen, welche Auswirkungen dies auf unseren Absatz hat. Zwei unserer wichtigsten Märkte, USA und UK sind zurzeit stark von Covid-19 betroffen. Die positive Nachricht ist, dass sich Asien wieder erholt. Wir konzentrieren uns momentan stark auf den Ausbau unserer E-Commerce Plattformen weltweit. Es wird eine neue Normalität geben, die digitaler sein wird.

Neuheitenpräsentation erstmals als Webcast

Wie sehen Ihre Pläne hinsichtlich neuer Modelle im Jahr 2020 aus? Planen Sie überhaupt einen Produktlaunch? Wie wird dieser vonstatten gehen? Planen Sie eine reine Online-Präsentation? Kundenevents? Eine Art kleine Messe?

Wir haben am 16. April um exakt 14.00h unsere Neulancierungen erstmals in der Geschichte nicht mit einem physischen Breitling Summit präsentiert, sondern mit einem digitalen Summit Webcast. Ich bin überzeugt, dass die Digitalisierung durch diese Krise nochmals einen massiven Schub erhält und sich die Einstellung dazu sowohl auf Unternehmensseite, wie auch Konsumentenseite stark verändern wird. Gezwungenermassen.

Kundenerwartungen haben sich gewandelt

Wie sehen Sie die Zukunft für Branchenmessen wie die Baselworld oder Watches & Wonders? Wird es diese über die kommenden Jahre überhaupt noch geben oder haben diese sich nach den diesjährigen Absagen endgültig überlebt?

Wir haben uns bereits vor eineinhalb Jahren für ein neues örtlich und zeitlich flexibleres Format entschieden: lokale Roadshows für den Handel und Breitling Summits für die Medien. Mit diesem Ansatz sind wir örtlich nahe bei unseren Kunden, Handelspartnern und Medienschaffenden, und wir sind zeitlich nahe am Verfügbarkeitsdatum der neuen Modelle. Das Konsumentenverhalten hat sich grundlegend verändert und unsere Kunden erwarten heutzutage, dass die neuen Produkte unmittelbar nach der Lancierung erhältlich sind. Zudem möchten wir regelmässig Neuheiten auf den Markt bringen und nicht nur einmal im Jahr. Deshalb hat sich dieses neue Konzept für uns in jeder Hinsicht bewährt. Was Zeitpunkt und Veranstaltungsort unserer Summits betrifft, entscheiden wir das je nach Marktfokus und Produktthema.

E-Commerce wird wichtige Rolle spielen

In jeder Krise steckt ja auch irgendwo eine Chance. Inwieweit wird die Corona-Krise die Uhrenbranche neugestalten? Was wird sich Ihrer Meinung nach nachhaltig ändern, in Bezug auf die Modellpolitik, die globale Ausrichtung und den Handel, online wie stationär? Was sollte die Branche jetzt für die Zukunft lernen?

In vielen Hinsichten ist man im Moment gezwungen zu improvisieren. Die Neuheiten werden wie erwähnt zum ersten Mal digital als Webcast vorgestellt. E-Commerce wird eine wichtige Rolle spielen. Es wird weniger aber grössere Hersteller geben. Die Krise wirkt wie ein Beschleuniger für die Trends, die sich bereits abgezeichnet haben. Ein neues Bewusstsein festigt sich beim Konsumenten für echte Werte, Nachhaltigkeit und Ökologie, diesen Gegebenheiten muss man sich als Unternehmen anpassen.

Fotos: © Harold Cunningham, John Phillips, Charley Gallay, Getty Images, Breitling SA