Tag 1 beginnt heute um 14.10 im Hotel Kaisergarten in Deidesheim. Hier treffe ich auf das 1. Team, welches mich in die Besonderheiten der Runde einführt und mir die anderen Teilnehmer vorstellt. Außerdem lerne ich heute das Menu des Abends kennen.

Das Setup ist ein Tisch im Barbereich. Kameramann, Tonmann, Assistentin und Gabor, mein Interviewer, den ich schon von den Vorgesprächen kenne. Ich werde verkabelt und ausgeleuchtet, bekomme was zu trinken und das Interview beginnt. O-Töne sammeln. Wie ich zum Dinner gekommen bin, was ich mir erwarte, ob ich gewinnen will – solche Sachen. Der Frager fragt freundlich und unverbindlich, aber man merkt schon, daß er auf griffige Statements aus ist. Dann spezifischer: wie man sich vorbereitet hat, ob man schon nervös ist usw. Irgendwann liegt ein Stapel Bilder auf dem Tisch. Jeder Kandidat hat ein Bild von sich eingeschickt, kein Kommentar dazu, kein nix. Die Bilder bekomme ich jetzt ebenso kommentarlos in die Hand und soll sie – ja klar – kommentieren. Auf den Bildern: eine ältere Frau, Typ Ärztin oder Sekretärin; eine bissi ausgeflippte, bissi derber wirkende Blondine mit zerrissenen Jeans und ein Irokesentyp mit diversen Ohrringen vor dem Eiffelturm auf Bild 3. Zu denen was sagen. Was man ihnen für Berufe zuordnen würde, welche Namen man ihnen geben würde (Die Derbe Blonde hab ich „Sabrina“ genannt, sie heißt dann tatsächlich Sabine) und als welchen Superhelden man die Person sich vorstellen könnte.

Man merkt: das hier ist Vox und nicht Arte. Das Team tut alles, um griffige Statements zu bekommen. Insbesondere der Kameramann – ein wirklich witziger und aggressiver Typ, der sein Metier perfekt beherrscht. Folgender Dialog spielt sich tatsächlich ab:

Ich: Bild von Sabine in der Hand

Kamermaman (filmt über die Schulter): „Hier, die sieht doch aus, als ob sies faustdick hinter den Ohren hätte.“

Ich: „Ja, die kann bestimmt gut kochen“

Kameramann: „Nee, das ist doch bestimmt ne richtige Sau. Sag doch mal!“

Ich: „Ich glaube, daß die richtig gut kochen kann und ziemlich witzig ist“

Kameramann: „Witzig? Nee, das ist ne Sau. Hundertpro“

Ich: „Den O-Ton, den du von mir erwartest, kriegst du nicht.“

Kameramann: „Ach komm, Ton ist doch aus“

Ich: „Ich glaub dir kein Wort“

Tonfrau (Mit Kopfhörer auf ) „Muahahaha“

Team: „Muahaha“

True story.

Dann wird das erste Menu vorgestellt. Man kann sich sein Menu entweder als Word-Dokument gestalten und ausdrucken oder man kann es gestalten. Das erste ist gestaltet, die 3 Gänge sind mit goldenem Edding auf Herbstblätter geschrieben. Schöne Bastelarbeit. 3 Blätter, 3 Gänge.

Was gibts am ersten Abend?

Amuse: Blinis mit Kaviar und Lachs

Aperitif: Champagner oder Apfel-Cassis irgendwas- Cocktail

Vorspeise: Jacobsmuscheln auf Fenchelschaum

Hauptgang Osso Buco auf Thymianjus mit Schneebällchen

Dessert: Kastanienmousse.

Dann wieder Zuordnung: von wem stammt das Menu und wie schätze ich es ein? Mein Tipp: die ältere Dame hat das gemacht. Wird aber nicht aufgeklärt. Dann muß ich noch raten, wie die Dame wohl eingerichtet ist. Hier liege ich völlig daneben, da ich sie in eine eher mondäne Altbauwohnung in einem der cooleren pfälzischeren Orte wie Speyer verorte und ihr eine Bücherwand, größer als ihr TV zuordne…

Danach dann rasches Ende, da die nächste Kandidatin ankommt und wir uns nicht treffen dürfen und schließlich noch einen Zettel mit der Adresse der ersten Gastgeberin. Be there 18 Uhr. Es ist 15:20.

Punkt 18 Uhr bin ich da. Offenbach an der Queich, keine Ahnung, nie gehört, nie da gewesen. Ist ein eher unschöner Winkel der Pfalz, in der Rheinebene zwischen Landau und Germersheim, irgendwie Niemandsland. Der Ort hat die saturierte Tristesse einer Speckgürtel-Schlafstatt aus den 80ern. Solide Einfamilienhäuser, gepflegte Gärten mittleren Formats, vor der Tür neue Minivans und ältere Mittelklasse. Rollos runter, „Wachsamer Nachbar“-Aufkleber, Tempo 30 allenthalben. Ich schön den 560er auf 2 Parkplätze und hin zur Adresse. Hier: nix. Weil ich 3 Minuten zu früh bin. Ein freundlicher Kameraträger bittet mich darum, in ein paar Minuten wieder zu kommen. Überhaupt: alle extrem freundlich und höflich.

Ich bin um Punkt 18h wieder da und laufe dem 2. Kamerateam in die Arme. Hier dabei: Bertram, der Aufnahmeleiter und Susanne, die Chefin von dit janze. Beide passen mich ab und halten mich von der 2. Kandidatin fern. Auch der 3. Kandidat, der gerade angefahren kommt, wird auf Distanz gehalten. Wir dürfen uns unter keinen Umständen vorher unterhalten, da wir in der Sendung zu beginn ja offiziell Fremde sind. Klar, wir kennen uns ja nicht. So stehen wir also gut 20 Minuten vor der Hütte der Gastgeberin, in etwa 20 Metern Entfernung zueinander und schauen uns blöd an, denn wir dürfen ja nicht miteinander reden. Irgendwann sind die Vorbereitungen abgeschlossen und es geht los: Eintreffen der Kandidaten. Hierbei wird jeder abgefilmt, wie er auf das Haus zuläuft und klingelt. Einmal, zweimal, dreimal. Dann wird gefilmt, wie die Gastgeberin die Tür öffnet und uns reinbittet. Einmal, zweimal, dreimal. Das Haus ist von innen so, wie man es von außen erwartet: Möbelhausmöbel, nicht aus der Mitnahmeabteilung, sondern mehr so aus der „Elegant“-Abteilung. Großer Flachbild, kein einziges Buch, Holztisch mit passenden Stühlen und passender Anrichte, alles in apricot-Wischtechnik gehalten, Terracottafliesen. Stehleuchten, Eiserner Kronleuchter mit den schöneren Energiesparbirnen drin. Im ersten Stock ein ausgebautes Mansardenappartement, in dem wir den Aperitif nehmen und in dem wir später einzeln und paarweise interviewt werden: cremfarbene 3-2-1er-Couch, holzgetäfelte Schrägwände, helles Laminat. Beistelltisch mit der unautorisierten Bio von Hannelore Kohl drauf, im Regal „Landlust“-Jahrgänge, diverse Kochzeitungen, Deko. Überhaupt ist das ganze Haus voller Deko.

Die Gastgeberin ist keine Ärztin oder Anwältin, sondern Head of Housekeeping im vorher erwähnten Hotel. Hat also bissi Ahnung von Gastro und sofort wird einem schlüssig, warum die komplette Hütte so klinisch rein ist. Wir gehen in ein kleines Zimmer, in dem nur ein Stehtisch steht. Bissi skurril, an den stellen wir uns, geben unsere Geschenke ab (nicht zuviel, keine störende Zellophanverpackung, ich bring einen Kanister Olivenöl mit. „Was ist das?“ „Öl“ „Oh“ „Ah“). Sabine bringt ein Glas selbstgekochte Marmelade mit, Christoph, der gepiercte Iro, den ich als Bildhauer, Steimetz oder Schreiner eingeschätzt habe, der aber Onlinemarketing macht und in natura deutlich schmächtiger ist als auf dem Foto, bringt eine Flasche Williams mit. Was uns eint? Wir haben alle Hunger wie Sau. Aber es dauert noch.

Immer wieder neue Einstellungen. Das Team besteht aus 3 Kameramännern. Einer hat die große Kamera, 2 haben kleine Handhelds dabei. Eine für den Ton, eine für generelle Assistenztätigkeiten, Bertram und Susanne. Eingespieltes Team, die sich alle von unterschiedlichen Gigs her kennen und als Taskforce für alle VOX-Formate, die es so gibt, herhalten. Das schweißt zusammen, die bewegen sich wie eine Einheit und lassen uns als Kandidaten da kaum rein. Ist auch okay, wir sind ja auch die Kandidaten und haben keinen Einblick in deren Insiderwelt, die voll von Insidern ist. So muß es sich für einen Nicht-R-L-X’ler anfühlen, wenn er kurz am R-L-X Tisch sitzt und dann langsam, aber sicher merkt, daß er rein garnix zum Gespräch beitragen kann und dann bald wieder geht, obwohl keiner am Tisch unfreundlich oder abweisend zu ihm war.

Wir am Tisch, Birgit (die ich erst als Helga oder Inge bezeichnet habe und die ich am ehesten als Lois Lane gesehen hätte) kommt rein, bringt ihren Aperitif, der sehr süß und sehr klebrig ist, aber irgendwie gut reinhaut – wir sind ja alle noch hungrig – und später ihr Amuse-Gueule. Oder besser ihr Amuse-Bouche. Hier großes Raten, was denn der Unterschied zwischen Amuse-Gueule und Amuse-Bouche ist (Hilfe, wo bin ich hier?) und dann reinhauen. Das Amuse ist riesig: 3 Blinis aus Zucchiniteig, mit einem Batzen Lachs und einem großen Löffel Kaviar. Die Blinis perfekt, schön rausgebacken und knusprig, zergehen auf der Zunge und sind schön angenehm gewürzt. Der Lachs okay, der Kaviar natürlich grottig. Warum tun Leute sowas? Egal, Hunger!

Schnell zeichnen sich die Charaktere ab. Sabine ist eine typische Pfälzer Rampensau. Ihr Vater hat vor 50 Jahren ein Unternehmen für Autoabschleppen, Schrott, Gebrauchtwagenhandel und Tankstelle gegründet (damals der jüngste Tankwart Deutschlands!) und diesen Betrieb führt sie heute mit ihrem Bruder. Sabine find ich sofort sensationell. Wirklich witzig, grundehrlich und voller Anekdoten a la „wie ich das erste Mal ein Auto abgeschleppt hab mit dem dicken LKW und damals grad 2 Wochen den Führerschein hatte“. Christoph ist mehr so bemüht, sein Iro-Image aufrecht zu erhalten, gibt so bissi den Hardcoretrinker und Proll, ist aber glaub ich garnicht so. Naja, mal sehen, wie der sich entwickelt. Wir wolfen das Amuse runter und sind immer noch hungrig. Von unserer Gastgeberin erfahren wir wenig, sie ist unterwegs und sichtlich im Streß, auch wenn sie ihre Sache gut macht.

Erste Einzelinterviews. Wir schauen leicht neben die Kamera und beantworten die Fragen aus dem Off, wie uns Aperitif und Amuse geschmeckt haben, danach gehts runter ins Eßzimmer. Es ist mittlerweile 20 Uhr.

Im Eßzimmer dann: wir sitzen und das Kamerateam ist am Rand des Tisches und filmt jedes Wort und jede Bewegung. Die Vorspeise kommt: Jacobsmuscheln auf Fenchelschaum. Die Jacobsmuscheln sehr gut, schön bißfest und von feinem Aroma. Da hat sie sicher den Küchenchef ihres Hotels bemüht. Der Fenchelschaum total mißlungen, leider komplett verwässert und keinerlei Schaum, was natürlich bedeutet, daß man nix davon schmeckt. Die Jacobsmuschel auf Orangenfilets und rosa Pfeffer. Die Orange erschlägt alles. Gut, daß ich die guten Muscheln vorher gegessen habe. Dazu ein excellenter Muskateller, hier hat der Sommelier des Arbeitgebers gut beraten.

Der Sommelier kommt später auch und macht eine kleine Weinprobe. 2 Weine aus der Pfalz, ein bissi zu flachbrüstiger Grauburgunder aus gutem Hause und eine schöne Scheurebe eines unbekannteren Winzers, präsentiert von einem wirklich bemühten, kompetenten und netten Sommelier. Sabine und Christoph sind wenig begeistert, Christoph trinkt nur Bier und Sabine nur Schorle, aber sie lassen sich ein und heucheln Interesse. Ich hasse Sommeliers und deren Worthülsen eigentlich, aber die Weine sind ordentlich und ich hab langsam Bock auf die Show und liefer daher ab, wenn ich Keywords erahne. „Ui, der paßt bestimmt zur Gänseleber“ und so weiter.

Weiter O-Töne und ab zum Hauptgericht. Der Ochsenschwanz ist nahezu perfekt, schön mürb und butterweich, die Rotweinsauce dazu deftig, komplex und gehaltvoll. Die caramelisierten Möhren dazu passen schön, nur das Kohlblatt, auf dem das alles drapiert ist, macht vieles kaputt, weil es das Gericht abkühlt und ihm eine unschöne Note verleiht. Keine Ahnung, was das sollte. Aber egal, der Gang war gut und der Rotwein dazu offenbar wieder aus berufener Hand.

Stimmung steigt, paar gute Sprüche kommen am Tisch, das Gesprch dreht sich um Berufe der Teilnehmer und wie sie die anderen jeweils eingeschätzt. Sabine hat mich „Helmut“ genannt und mich als Außendienstler gesehen. Aber Helmut, naja, in der Pfalz ist das bissi wie ein Adelstitel, denk ich mir und bin versöhnt.

Essen weg, Foodstill abgefilmt, weitere Interviews. Ständig werden wir einzeln vor die Kamera gezerrt und müssen Fragen beantworten, wie uns das Essen geschmeckt hat und so. In der Pause schnapp ich mir Bertram, den Aufnahmeleiter, er erzählt mir von Frauentausch, DSDS und den internen Castings für Moderatoren. Das sind alles Getriebene, alle Freiberuflich, hangeln sich von Gig zu Gig und hadern mitunter mit dem, was sie tun. Frauentausch, unisono, die schlimmste Sendung ever. Die macht keiner gern und am schwierigsten sei es bei dem Format, neutral zu bleiben, was aber gleichzeitig immens wichtig ist. Unisono „ja, das ist alles echt, die sind so und es bewerben sich immer mehr.“ Dinner ist besser, weil netter.

Dessert kommt. Bissi massiges Kastanienmousse mit Rotweinpflaumen und Schokolade. Dazu einen guten deutschen Portwein. Birgit erzählt wenig, kommt eigentlich kaum aus der Küche raus. Der Gastgeber hat am wenigsten von seinem Abend, hieß es schon am Anfang. Birgit ist nervös, aber professionell, ihr Timing stimmt. Wenn die Teller jetzt noch warm wären, würde das alles ganz gut aussehen.

Stimmung hingegen super. Das Ding macht echt Spaß. Das Essen ist gut, die Getränke sehr gut, Gespräche lustig, Runde skurril-unterhaltsam. Um 23.30 ist schluß. Erstaunlich früh, manchmal gehts bis 4:30, bis alles fertig ist. Aber das passiert nur, wenn Kandidaten völlig danebenhauen und partout meinen, ihre Hollandaise selbst herzustellen zu müssen und auch nach dem 5. Anlauf noch Rührei produzieren.

Zum Schluß noch Abschlußinterview mit den großen Fragen wie wars und was kommt morgen. Ganz am Ende Punktevergabe. Birgit bekommt von mir 7 Punkte für den wirklich netten Abend.

Ich ins Auto, per SMS die neue Location erfahren, morgen um 15:45 gehts weiter in Landau.

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Das perfekte Dinner – Tag 2: Sabine, if anyone is still interested

Text: © Tobias Ueberschaer
 Foto: © VOX / ITV

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