Heute gehts zur 2. Dame im Bunde, Sabine. Sabine, die Autoschieberin und Abschlepperin, die mich Helmut genannt hat, sich hobbymäßig als Zumba-Instructor verdingt und gestern durch ziemlich derbe Sprüche und reines Oxford-Pfälzisch brilliert hat. Die war heutige Gastgeberin.

Vortreffen heute in Landau, kurz vor 4. Wieder das altbekannte Team, der Kameramann von gestern und Gabor, der Interviewer. Heute werde ich nicht allein interviewt, sondern mit Birgit, der gestrigen Gastgeberin. Die ist natürlich sichtlich gelöster und hats als einzige von uns hinter sich. Dennoch: Housekeeping ist kein Beruf, sondern eine Berufung, sie ist immer noch extrem bedacht, was sie sagt und wie das alles nach außen wirkt. Komm mal klar, Prinzessin! Location ist ein ziemlich stylishes und gut frequentiertes Bistro im Zentrum von Landau. Erstes Hallo aufgrund der Tatsache, daß der Betreiber meine Marmeladen führt. Wieder einleuchten und mit Micro ausstatten. Gabor fragt gewohnt routiniert und freundlich, der Kameramann wird immer derber und gibt sich sichtlich Mühe, zu provezieren. Da er wirklich witzig ist und keine Skrupel hat, sich vor uns, dem Team und der stetig wachsenden Zaungastmenge zum Deppen zu machen, gelingt ihm das auch recht gut. Kameramänner sind anscheinend oft verhinderte Showstars; wie bei Musikalienverkäufern, die sich eigentlich auch eher auf der Bühne sehen und „das hier“ nur machen, bis der Karrierebus kommt. Es gibt Kaffee und Wasser – heute keinen Gin Tonic – und los gehts. Wie war der gestrige Abend, was hat gefallen, was sind die Erwartungen an den heutigen Abend? Das Team, das sich ja in der Konstellation zum ersten mal für diese Runde versammelt hat, wirkt heute routinierter, alles geht deutlich schneller vonstatten. Es fehlt aber auch der Kick des ersten Mals. Der Salbader geht heute leichter von den Lippen.

Es kommen die Fragen zu Sabine. Wie wohnt sie wohl? Wie ist sie wohl drauf? Ich vertue mich komplett. Mein Wissen über sie beschränkt sich darauf, daß sie einen Familienbetrieb mit ihrem Bruder leitet, den der Vater vor 50 Jahren gegründet hat. Ich seh dann immer gleich prosperierende Dynastien vor mir und weil ich weiß, wie prosperierende Familien ticken und meine Klischees über Gebrauchtwagenverwerter schillernd sind, wähne ich sie in einem sopranoesquen Umfeld mit pfälzer Einschlag. Die Fragen werden konkreter. Ob Sabine wohl ein Vereinsmensch ist, ob sie Motorrad fährt, ob wir uns was unter dem Begriff Hochzeitspaar des Jahres vorstellen können.

Und da ist sie wieder: die normale Welt. Hochzeitspaar des Jahres, das ist nicht meine Welt, das riecht nach Lokalblatt und Gutschein vom ansässigen Modeuhren-Konzi als Preis. Allerdings war der Ausflug in die „normale“ Welt gestern schon irgendwie erfrischend und nett, insofern reisse ich sie nieder, die Wall of arrogance und laß mich wieder drauf ein auf Plüsch-Mäuse, pfiffige Kompaktklasse-Cabriolets französischer Bauart und Landlust-Magazinen, die vor meinem geistigen Auge aufwabern. Was solls, das wird gut.

Wir bekommen das Menu. Auch hier wieder ein netter Einfall, das Menu ist von Hand auf ein Etikett geschrieben, welches sich auf einer Rotweinflasche befindet. „Deftiges wie bei Muttern“ wird angekündigt, heidernei, vermutlich reduziert man da draußen die Pfalz tatsächlich nur auf diese Attribute. Aber warum nicht, ist ja auch geil.

Es gibt:

Als Aperitif einen „Hugo“ mal anders und dazu einen „Zahnfüller“ (wtf??)

Als Vorspeise Schwimmende Pfälzer Maultaschen

Als Hauptspeise Rindsroulade mit Hausgemachten Spätzle und Rotkraut

Als Dessert Früchte, ansprechend verpackt

Gut. Das Interview ist durchaus lustig, wir wähnen Fleischbällchen im Hugo und sind uns sicher, daß es zum Nachtisch nur Schnaps gibt. Auch vermuten wir, daß Sabine wohl nicht so gut kochen kann. Birgit ist froh, daß sie nicht den Ton angeben muß und stimmt meistens zu. Sie wirkt ein kleines bißchen naiv und ich muß gestehen, daß ich das ziemlich charmant finde.

Das Interview endet um 17 Uhr, noch eine Stunde Zeit. Da ich mein Gastgeschenk zuhause vergessen habe und weiß, daß Sabine nix Süßes mag und ein Abstecher zum ansässigen Pralinenkonzi somit flachfällt, fahre ich noch schnell zu meiner Schwester nach Mussbach und hole einen Kanister Olivenöl. Hier schreiben wir „Helmut’s gutes Olivenöl“ (hihi) drauf, das wird bestimmt.

Nachdem ich Sabine in eine 27-Zimmer-Villa mit Bullmastiff und einer Küche voller E-Geräte verortet habe, fahre ich zur angegebenen Adresse. Outskirts of Landau, durch den Gebrauchtwagendealerring in das Gebiet der ehemaligen Franzosenkasernen. 27 Zimmer dürfte hinkommen, unter der genannten Adresse erreiche ich ein stattliches Appartementhaus, welches offensichtlich mal eine Kaserne, oder zumindest ein Wohnkomplex des französischen Militärs war. Was nicht schlecht ist, da deren Grundrisse großzügig sind und deren Architektur durchaus Grandezza aufweisen. Heute natürlich alles regermanifiziert und in ziviler Hand. Die Gegend ist bürgerlich, an den Rändern wirds bissi graffitilastig, nicht uncool. Ich parke den Boliden auf einem numerierten Parkplatz vor dem Haus und werde sofort von einem älteren Mann in lindgrüner Tracht und Lederhose kritisch beäugt. Okay, der wird mir gleich sagen, daß ich hier nicht parken darf und wird seinen Dackel auf mich hetzen. Aber es bleibt beim gegenseitigen kritischen Beäugen. Hinter ihm blitzen weitere trachtengewandete Gestalten auf. Ich merke schließlich, daß der irgendwie dazugehört und mich nur mustert, weil er in mir einen möglichen Showkandidaten wittert. Wir ahnen wohl, daß wir uns jetzt gerade eigentlich hier garnicht sehen dürfen und ich werde in diesem Moment von Susanne, der gütigen, aber strengen Chefin eingefangen und zum Haupteingang komplimentiert. Dort treffe ich auf die beiden anderen. Christoph gibt wieder den Musterrocker mit einer Flasche Alk in der Hand, Birgit hat sich neu gewandet, jetzt in Pink, und riecht gut.

Die üblichen Shots: wir drei auf dem Weg zum Eingang, hintereinander wie die Daltons. „Klingeln“, warten, reingehen. Im Treppenhaus warten, bis sich das Kamerateam neu positioniert hat und hoch in den ersten Stock. Hier wohnt Sabine, die uns in ihrem (O-Ton) Glücks-T-Shirt und ihrer Glücksjeans – beide Kleidungsstücke kenne ich von ihrem Vorstellungsfoto – empfängt. Sabine ist völlig tiefenentspannt und verbreitet eine angenehme, dezente Rotweinnote. Sie bittet uns in ihre Wohnung, die mich auf den ersten Blick ein wenig bestürzt. Keine Sopranos, kein Bullmastiff, sondern alles erstaunlich normal und pragmatisch. Bestürzung weicht, Rührung kicks in. Eigentlich ist’s cool, daß Leute einem so die eigene Existenz zu Füßen legen. Familienbilder an den Wänden, Pokale von irgendwas auf einem kleinen Regal, bissi Deko, bissi Kitsch, bissi Bilder an den Wänden, Dreierreihungen von gemalten Weinetiketten Öl auf Leinwand ohne Rahmen, Afrikanische Ethno-Motive. So wohnt Sabine; danke, daß ich dabei sein darf. Und natürlich waren Sabine und Andreas 2009 Brautpaar des Jahres, ein vom örtlichen Stadtanzeiger ausgelobter Titel. Die Seite hängt gerahmt im Flur. Anzeige vom Händler französischer Autos drunter, ein Trauringstudio inseriert darüber, schönes Bild von den beiden, may it last forever.

Sabine scheißt sich eins auf meine Sentimentalitäten, grüßt mich herzlich, sie kriegt von mir ein „Ich bins, der Helmut“ und reagiert erwartungsgemäß. Haha, Hihi. Wir gehen raus durch die Küche auf den Balkon und bekommen den Aperitif.

Vorher jedoch kommt von unten ein Signal und die Horde gewandeter Menschen entpuppt sich als eine veritable Blaskapelle. Die fangen sofort an, zu spielen und sind saugut. Hier, mit guter Blasmusik kriegt man mich sofort, ich bin komplett begeistert, weil die alles geben. 2 Stücke, großer Applaus aus allen umliegenden Balkonen – klar, Dinner ist da, weiß hier jeder – und weiter zum Aperitif. Der „Hugo“ mal anders besteht aus neuem Wein mit Dornfelder Likör. Ich hasse neuen Wein und vertrag ihn zudem nicht, aber kleines Schlückchen geht. Dazu kleine Blätterteigschneckchen mit Speck.

Wir rein und das erste Interview. Wieder werden Birgit und ich im Team interviewt. Wie läufts? Wie fanden wir das Konzert? Wie den Aperitif? Die Fragen stellt wieder Susanne, die, anders als Gabor, eher nicht auf skandalträchtige Statements aus ist sondern die Fragen in eher mütterlichem Duktus hält. Ueberschaer so Laberflash, Birgit so: seh ich auch so. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich kann irgendwie nix negatives sagen und hab keinen Bock, den Zyniker oder den Arsch zu geben. Irgendwie mag ich die grad alle sehr gern. Es geht ins Eßzimmer, welches erwartungsgemäß mit einem opulenten Herbstgesteck dekoriert ist, das so aussieht, wie wenn ein Kleinstadtflorist, der den Auftrag „Hier, ich bin im Dinner, mach mir was herbstliches und gib dir Mühe“ bekommt, Bock hat, abzuliefern. Das Ding gefällt mir jedenfalls tatsächlich, es ist fröhlich und lebendig.

Wir sitzen da und warten auf das Essen. Das Team sitzt in der Ecke und filmt uns beim Warten. Das Gespräch ist lebhaft und amüsant, ich muß sagen, daß ich mich wohlfühle. Das Essen kommt. So richtig begeistert bin ich nicht, die Maultaschen schwimmen nicht – schade, ich hatte mich auf ne schöne Rinderbrühe eingestellt/gefreut – und sehen aus wie Ravioli. Sie sind gefüllt mit Bratwurstfüllsel und Leberwurst, darüber eine Senf-Mehlschwitze (links) und eine Pfifferling-Mehlschwitze (rechts), dazwischen Feldsalat mit Feigen-Datteldressing und gehackten Walnüssen. Ich freu mich darüber, daß Sabine sich Mühe gegeben hab und fang an, zu essen. Die Portion ist nicht allzu groß, es schmeckt mir aber auch nicht besonders. Weiß auch nicht, egal. Als Getränk gibts Riesling, den ich aber zugunsten eines Winzertraubensafts verschmähe, ich muß ja noch fahren.

Bevor es zum Hauptgang geht, kommt jetzt das „In der Wohnung stöbern“. Fiel gestern irgendwie aus, weil es ja Weinprobe gab. Wir also rein ins Wohnzimmer zum stöbern, da sitzt Sabines Mann. Sabines Mann ist wie Sabine, nur in männlich. Laut, breit, jovial, herzlich. Und er kann Trompete spielen. Und er hat 4 Trompeten vor sich. Und jeder bekommt eine. Und wir sollen spielen.

Und wir spielen Trompete.

Wenn man sich ans Klavier setzt und eine Taste drückt, kommt ein Ton. Drückt man mehrere gleichzeitig, erklingt eine Tonfolge. Sie mag nicht gut klingen, vielleicht doch, aber der Ton kommt sicher. Bei einer Gitarre ist das Zupfen einer Saite auch nicht so kompliziert, auch hier ist selbst für blutige Laien die Erzeugung eines Tons kein Ding. Bei der Trompete ist das bissi anders, da die Atem-, bzw. Blastechnik speziell ist und etwas Kraft benötigt. Da sitzen wir also mit 4 blitzsauberen Trompeten in der Hand und sollen die Dinger spielen. Und irgendwie klappt das sogar. Wir sitzen da und spielen Trompete. Alle zum ersten Mal. Nur Birgit, die bekommt keinen Ton heraus und geniert sich sichtlich, sich vor der Kamera zum Deppen zu machen. Das interview zu dem Thema bricht sie später ab und noch später erzählt sie mir, daß sie das Wort „blasen“ nicht vor der Kamera aussprechen wollte. Weiber…

Der Break ist großartig, das kräftige Atmen tut gut, ich fühl mich wie nach nem kleinen Lauf. Zurück an den Tisch und Hauptgang. Es gibt Rouladen mit Sauce, Spätzle und Rotkraut. die Rouladen sind ein Gedicht. Butterzart, mit Fleischwurst und Gürkchen (!!) gefüllt und mit schönem Dornfelder-Aroma. Die Spätzle sind unspannend, aber gut. Das Rotkraut fällt ab, braucht aber eh kein Mensch. Die Sauce hingegen könnt ich saufen. Der Fonds offensichtlich selbst gemacht, super aromatisch und komplex. Warum reicht hier eigentlich keine Sau Brot? Ich muß den Dessertlöffel zweckentfremden, DIE Sauce geht jedenfalls nicht zurück in die Küche.

Danach gibts Geschenke! Für uns! Sabine überreicht jedem von uns einen Gutschein für eine Probestunde Zumba. Zumba! Ich bin froh, daß es ein Gutschein ist, da ich bereits die Befürchtung hatte, wir müßten heute abend selbst eine Zumbaeinlage vor laufender Kamera geben. Hier hätte ich gestreikt, aus so vielen Gründen. Den Gutschein nehm ich jedoch gern an und denke an die vielen uneingelösten Gutscheine, die ich in den letzten Jahren von den Mädels geschenkt bekommen habe.

Danach wieder Bewertung. Birgit zeigt leichte Anzeichen von Stutenbissigkeit und kritisiert das Essen, welches zugegebenermaßen nicht so gut war wie ihres von gestern. Ich find alles gut, wir reden über die Konzerteinlage, die Tischdeko und so weiter.

Meanwhile verletzt sich Sabine. Sie schneidet sich in den Finger, und zwar so tief, daß die Blutung nicht aufhört. Sie zieht aber eisern durch, packt sich nen Verband drum und nimmt Schmerzen und Blutverlust hin wie ne Frau, die mit bloßen Händen Mittelklassewagen auf Abschleppautos zieht. Ich mag Sabine, Sabine ist ehrlich und nett, hat Nehmerqualitäten und ist völlig sie selbst. Birgit hingegen tut sich zunehmend schwer, ißt wenig und wird bissi nörgelig. Christoph ist, nachdem er ein Bier bestellt und bekommen hat – ein Wunsch, dem ich mich anschließe – selig, amüsant und eloquent. Wir stellen fest, daß wir beide früher gern ein Instrument gelernt hätten, aber nicht in der Flöten- oder Xylophon-AG waren, sondern – charmante Koinzidenz – in der Schach AG. Uns verbindet das Tryptichon Bauerndiplom-Turmdiplom-Königsdiplom, wir monieren, daß Schach völlig aus der Öffentlichkeit verschwunden ist, seit damals der Computer gegen den Mensch gewonnen hat und betrauern, daß wir seit Ewigkeiten nicht mehr gespielt haben.

Nach dem Essen gibt es einen Schnaps (gefühlte 750 ml) und Christoph übernimmt kurzzeitig das Gesprächsheft. Der Alkohol tut ihm gut. Das Gespräch gewinnt nochmal an Verve.

Das Team ist heute wesentlich ruhiger und schneller als gestern. Man merkt auch hier, daß Routine einsetzt. Babsi, die eine Assistentin, ist deutlich netter und offener als gestern, wir reden in den Pausen über den Kölner Karneval und sie erzählt, daß sie es war, die das erste Telefoninterview mit mir geführt hat. Ansonsten hören wir wenig vom Team, gestern waren die noch ständig am Witze reißen, heute geschäftiges Treiben.

Das Dessert kommt – und es ist scheiße. Sabine mag keine Süßigkeiten und das merkt man. Und was soll diese blöde Sternfruchtscheibe da? Dumme, dumme Sternfrucht, wer ißt die eigentlich gern? Es gibt gummiartige Quarkbällchen in Amarettinikrümeln gewälzt, eine Creme aus Vanillepudding und Quark und Matsche, dazu Traubengelee und je eine in Schokolade gehüllte Pflaume und Traube. Insgesamt zu viel, zu süß und zu dumpf. Espresso gibts wieder keinen, Portwein auch nicht, dafür wieder Schnaps, wer mag.

Es geht zum Endbewertungsinterview, Birgit gibt jetzt kritikmäßig alles und nörgelt fleißig, die herben Züge um ihre Mundwinkel gewinnen überhand und paaren sich mit der Müdigkeit zu einem unschönen Faltenwurf-Ensemble. Ich bleib bei meiner Diplo-Haltung, auch wenn ich das Dessert ebenfalls monieren muß, es war einfach nicht so gut.

Dann geht wieder alles ganz schnell: Jacke an, Sabine verabschieden, raus vors Haus, Punkte geben. Ich geb heute 6 Punkte. Es war einfach nicht so gut wie gestern, aber 5 Punkte schienen mir zu wenig. Gestern hätte ich wohl nen Punkt mehr geben können, aber 8 Punkte sind doch 8 Punkte und das schien mir gestern irgendwie zu viel.

Bertram erwähnte heute beiläufig, daß Christoph morgen wohl auffahren will. Ich bin sehr gespannt, was der anstellen wird. Und ich hab bei Sabine meinen Zumba-Gutschein und die Rotweinflasche mit dem Menu vergessen. Die muß sie mir am Donnerstag unbedingt mitbringen.

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Text: © Tobias Ueberschaer
Foto: © VOX / ITV

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