Es gibt viele Gründe, sich mit Uhren zu beschäftigen und sie zu sammeln. Nicht zu unterschätzen ist dabei der Statusgedanke. Aber auch der Werterhalt spielt eine Rolle. Bei beiden Faktoren ist man mit der Wahl einer wohlbekannten Uhrenmarke sicher gut aufgehoben.

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Und doch gibt es da noch mehr als nur das, was die Faszination des Faktors Uhr, gerade auch für den männlichen Betrachter, ausmacht. Es ist die Technik. Zeit ablesen, das geht schon lange von jedem Mobiltelefon oder der billigsten Quarzuhr aus dem Discounter. Ein feines Automatik- oder Handaufzugskaliber indes ist Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den Menschen, die sich mit dieser feinen Mechanik auseinandersetzen. Den Uhrmachern und den Konstrukteuren – und manchmal auch den Visionären.

Kennen Sie HYT? Mir kam dieser Name zum ersten Mal 2012 unter, als mich ein Freund dazu überredete, die Halle 1 der damaligen Baselworld Uhrenmesse links liegen zu lassen und mich den Marken in einem kleineren Pavillon zuzuwenden. Was ich damals sah, war durchaus interessant, wurde von mir aber ziemlich schnell und zugegebenermaßen auch ganz schön oberflächlich als ‚teure Spinnerei‘ abgetan.

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Die nächste Begegnung fand einige Monate später im Rahmen der Vorbereitung des aktuellen Uhren Exclusiv Kataloges statt. Ah, HYT, stimmt. Kenn‘ ich. Crazy!

Mehr durch Zufall bekam ich vergangene Woche nun wieder einen Prospekt von HYT in die Hände. Nimmste mal mit, dachte ich mir und daheim schaute ich die vorgestellten Uhren dann doch etwas genauer an.

Uhren? Streng genommen besteht das bisherige Portfolio aus einer Uhr, der H1. Zu sagen, dass das Design auf Anhieb gefällig scheint, das wäre anhand der Abbildungen etwas beschönigend. Das Gehäuse, 48,8 mm im Durchmesser und erhältlich in verschiedenen Material-Mixen, hat es dafür aber im wahrsten Sinne des Wortes in sich.

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Direkt ins Auge fallen die zwei metallisch glänzenden Bälge, die die untere Hälfte des Zifferblattes beinahe vollständig ausfüllen, und ein grünlich-gelb schimmernder Ring, welcher das Zifferblatt umrahmt. Zusammen ergeben sie ein System, welches in der Uhrmacherei bisher einzigartig ist: eine Hydro-mechanische Zeitanzeige.

Die dicke, über das bombierte Saphirglas hinausstehende Metallnocke bei 6 Uhr deutet es an, hier beginnt der Tag der H1. Die Bälge sind mit zwei Flüssigkeiten gefüllt. Eine ist transparent, die andere gelb-grün und fluoreszierend. Um 6 Uhr nun beginnt das mechanische Handaufzugwerk, eine Entwicklung von Jean-Francois Mojon und der Chronode SA, über eine Art Schneckenrad den linken Balg zusammenzudrücken. Durch diese Kompression wird die farbige Flüssigkeit kontinuierlich in das das Zifferblatt umgebende Kapillarröhrchen aus Spezialglas gedrückt und übernimmt damit die Rolle des Stundenzeigers.

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Um 18 Uhr, wenn der gesamte Ring mit der fluoreszierenden Flüssigkeit gefüllt ist, drückt der nun vollständig gefüllte rechte Balg die farblose Flüssigkeit wieder zurück in den Ring. Die Stundenanzeige fließt retrograd in unter einer Minute wieder zurück auf ihren Ausgangspunkt um dort wieder von Neuem mit ihrer Arbeit zu beginnen.

Trotz des Kraftaufwands, den das Uhrwerk für die Pumpen aufbringen muss, hat die H1 eine Gangreserve von 65 Stunden. Eine Anzeige zwischen 2 und 3 Uhr gibt über den momentanen Stand Auskunft.

Mittig im Werkmodul findet sich die Minutenanzeige, die auf einen herkömmlichen Zeiger vertraut. Die kleine Sekunde ist im Stil einer Wasserturbine gehalten und befindet sich bei 9 Uhr. Das schön finissierte Werk lässt sich durch den Boden aus Saphirglas wunderbar bei der Arbeit beobachten.

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An der Entwicklung der H1 arbeiteten zwei Teams unter der Gesamtleitung von Bruno Moutarlier parallel. Während Jean-Francois Mojon und das Chronode Team wie bereits erwähnt für die Mechanik des Uhrwerks zuständig war, wurde die Liquid-Technik durch Preciflex entwickelt. Hinter Preciflex stehen die Gründer von HYT Patrick Berdoz, Lucien Vouillamoz und Emmanuel Savioz. Hilfe bekamen sie von Helbing Technik, einem Spezialisten aus dem Bereich Medizintechnik.

Die große Herausforderung war zum Einen, die notwendigen Kräfte zur Betätigung der Bälge so gering wie möglich zu halten, zum Anderen die Flüssigkeiten so zu wählen, dass sie sich nicht vermischen und sich unter verschiedenen Umgebungsbedingungen wie beispielsweise der Außentemperatur gleich verhalten. Ebenfalls galt es, das gesamte System so zuverlässig abzudichten, dass keine Flüssigkeit austreten und das Uhrwerk beschädigen kann.

Eine spezielle Legierung kam bei den Bälgen zum Einsatz, welche die aufzuwendende Energie bestmöglich reduziert, Stöße absorbiert und absolute Wasserdichtigkeit garantiert. Das Glasröhrchen wird per Nanotechnik siebenfach von innen beschichtet, um einen gleichmäßigen Fluss der beiden Flüssigkeiten zu gewährleisten. Die Entwicklung dieses Systems ist nicht nur im Bereich der Uhren revolutionär, es soll auch in der Humanmedizin zur Anwendung kommen.

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Das alles klingt nicht nur äußerst faszinierend, es sieht auch so aus. Grund für mich, mir die H1 auch einmal in Natura anzuschauen. Mein erster Eindruck? Was soll ich sagen? Zunächst einmal Überraschung. Die H1 schaut live wirklich sehr sehr gut aus. Sehr technisch natürlich und etwas martial, aber keineswegs aufdringlich oder gar prollig.

Und sie ist leicht. Grundmaterial ist Titan, ein Werkstoff den ich persönlich gerade wegen seiner Leichtigkeit bei Armbanduhren so gar nicht mag. Auch hier drängt sich mir zwar das Gefühl auf, dass die H1 für eine Uhr dieser Größe gerne etwas schwerer hätte sein dürfen, doch nach kurzer Gewöhnung ‚passt‘ es dann sogar für mich.

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Wie sich die H1 generell als Handgelenkschmeichler entpuppt. Trotz eines Durchmessers von 48,8 mm und 17,9 mm Bauhöhe sitzt sie perfekt am Arm, wirkt nie wie ein Fremdkörper.

Wobei ich allerdings gestehen muss: die meiste Zeit hatte ich die H1 nicht an meinem Arm sondern in meinen Händen. Schon ewig nicht mehr habe ich so lange vor einer Uhr gesessen, sie von allen Seiten betrachtet, versucht, sie zu verstehen, in diese Technik einzutauchen.

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Nach fast zwei Stunden – gefühlten 10 Minuten – macht sich denn auch gleich eine erste Erkenntnis bei mir breit: beim Betrachten der H1 – kann man vollkommen die Zeit vergessen.

Weitere Erkenntnis? Als Fan der liquiden Zeitmessung sollte man zunächst einmal auch selbst einigermaßen „flüssig“ sein. Der Einstieg in die Welt der H1 beginnt bei glatt 40.000 Euro für das reine Titan Modell. Die von mir getestete H1-TB mit Bronze-Coating liegt bei 45.000 Euro, die H1-Red2, eine Kombination aus Titan und Rotgold, bei der die Stundenflüssigkeit in Rot gehalten ist, kostet 54.000 Euro.

Beide Neuheiten sind limitiert auf jeweils 50 Stück weltweit.

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Nur 25 Stück wird es von einer weiteren Neuheit geben, der H1 Azo Project mit einem Gehäuse aus Azo-Polyepoxid. Mit 55.000 Euro ist sie die teuerste Nicht-Edelmetall-Version der H1.

Genau das Doppelte, nämlich 110.000 Euro kostet die ebenfalls auf der Baselworld 2013 vorgestellte HYT H2, eine Neuinterpretation der Hydro-Mechanischen Technik in Zusammenarbeit mit Audemars Piguets Manufaktur Renaud et Papi, die wir hier auf luxify bei Gelegenheit gesondert vorstellen werden.

HYT Uhren spielen damit in einer Preisregion, in der man auch bei den traditionellen Uhrenherstellern eine Menge schöner, wenn auch nicht wirklich annähernd so aufregender Uhren findet. Womit wir wieder bei der sehr persönlichen Ausgangsfrage angekommen wären.Statusgedanke oder Technikbegeisterung? Warum sammeln Sie eigentlich Uhren?

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HYT H1 Black DLC

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HYT H1 Pink Gold / HYT H1 Titanium

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HYT H1 Azo Project / HYT H1 Chrysoberyl Dome

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HYT H1 Diamond Dome / HYT H1 Black DLC Pink Gold

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HYT H1 Black Sapphires Dome / HYT H1 Red2

Fotos: © HYT (5), PCS (14)

Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2013

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