Ein Review über eine Uhr zu schreiben, die man eh nicht kaufen kann, erscheint zugegebenermaßen zunächst einmal etwas witzlos. Und die Zenith Defy Lab ist genau so eine Uhr. Vergangenen September vorgestellt waren alle zehn Exemplare sofort vergriffen. Pech gehabt.
Auf der anderen Seite – in vier Wochen beginnt die Baselworld. Zeit für neue Modelle, auch bei Zenith. Und dass der Aufwand, der in die Entwicklung jener revolutionären Technik geflossen ist, welche die Defy Lab auszeichnet, nicht nur für zehn Uhren betrieben wurde, auch das dürfte klar sein. Und so stehen die Chancen vielleicht gar nicht so schlecht, dem neuartigen Gangregler bereits in diesem Jahr erneut begegnen zu können.
Ein Konzept aus 1675
1675 präsentierte Christiaan Huygens vor der Französischen Königlichen Akademie der Wissenschaften eine Uhr mit Unruh und Spiralfeder. Ein Grundkonzept, das bis heute mehr oder weniger unverändert im Uhrenbau Verwendung findet.
Zenith nun ersetzt bei der Defy Lab Unruh, Spiralfeder und Anker mit einem neuartigen Gangregler. Das Stück monokristallinen Siliziums ist mit 0,5 Millimetern dünner als ein menschliches Haar und macht über 30 Einzelteile eines herkömmlichen Regulierungsorgans überflüssig.
108.000 Halbschwingungen
Der Gangregler schlägt mit einer Frequenz von 15 Hertz. Das ist dreimal so schnell wie das hauseigene El Primero, welches mit seinen 36.000 Halbschwingungen sowieso schon zu den Schnellschwingern gehört. Erstaunlich: trotz dieser unglaublich klingenden Frequenz schafft man eine im Vergleich zum El Primero noch einmal um 10% höhere Gangreserve von 60 Stunden.
Auch die durch die hohe Frequenz resultierende Ganggenauigkeit ist atemberaubend. Die durchschnittliche Abweichung beträgt gerade einmal 0,3 Sekunden am Tag!
Da der Gangregler aus einem einzigen Teil besteht, benötigt er auch keine Schmierung. Denn Reibung und Verschließ können nicht auftreten, wenn keine Teile miteinander in Kontakt stehen.
Dank der Konstruktion und des Werkstoffs profitiert man darüber hinaus von einer Unempfindlichkeit gegenüber Temperaturschwankungen, Schwerkrafteinflüssen und magnetischen Feldern.
Zehn Einzelstücke aus Aeronith
Die zehn im vergangenen Herbst präsentierten Einzelstücke jener ersten Zenith Defy Lab Edition eint ihr spezielles Gehäuse aus Aeronith. Dieses Verbundmaterial folgt dem Motto „The Art of Fusion“, welches bereits impliziert, wer sich für die Entwicklung verantwortlich zeichnet.
Aeronith stammt aus der R&D Abteilung der Konzernschwester Hublot. Im Fertigungsprozess wird Alu-6082 bis zu seinem Schmelzpunkt erhitzt, in eine Form gegossen und in einem speziellen Verfahren in einen offenporigen Metallschwamm umgewandelt.
Die gleichmäßig im Material verteilten Hohlräume werden dann mit einem äußerst leichten, UV-beständigen und hypoallergenen Polymer gefüllt. Das Ergebnis ist ein Hybrid-Werkstoff, der 2,7 mal leichter ist als Titan, 1,7 mal leichter als Aluminium und immer noch 10% leichter als Kohlefaser-Verbundwerkstoff. Dennoch ist er äußerst stabil und widerstandsfähig. Aeronith kann genauso bearbeitet werden wie andere Gehäusematerialien.
Blick ins Herz
Die Zenith Defy Lab mit ihrem Aeronith Gehäuses hält auch live gewichtsmäßig das, was die nackten Daten versprechen. Die Anmutung des Materials ist spannend, wenn auch nicht wirklich jedermanns Sache. Gleiches gilt für das offen zur Schau gestellte Werk, Kaliber ZO 342.
Die unglaublich schnelle Bewegung des Zenith Oszillators ist definitiv extrem faszinierend. Die Ruhe, die die Bewegungen in einem herkömmlichen, klassischen Uhrwerk ausstrahlen, sucht man hier demzufolge vergeblich. Auf Dauer kommt beim Betrachten so vielleicht sogar ein wenig Hektik auf.
Was bleibt ist also, neben der Frage, wann überhaupt die Serienproduktion der Defy Lab startet, die, ob man dann auch Uhren mit geschlossenem Zifferblatt sehen wird und ob man in der Serie ebenfalls auf konventionellere Gehäusematerialien baut. Es bleibt also spannend, vier Wochen vor Basel.
Fazit
Mein Fazit: der neue Zenith Oszillator – ist das jetzt überhaupt noch Uhrmacherei im klassischen Sinne? Ein Thema, über das auch in unserem Forum nach Vorstellung der Defy Lab leidenschaftlich diskutiert wurde. Um die Worte von Jean-Claude Biver zu zitieren: „Ohne Tradition gibt es keine Zukunft. Ohne Fortschritt gibt es keine Zukunft.“ Zenith nutzt die Vorteile des Werkstoffs Silizium, zusammen mit der bahnbrechenden Konstruktion Guy Sémons optimal aus. Das Ergebnis jedenfalls ist eine Revolution.
Datenblatt:
- Modell: Zenith Defy Lab, Ref. 27.9000.342/78.R582
- Gehäuse: 44 mm, Aeronith, wasserdicht bis 5 bar (50 Meter), gewölbtes Saphirglas, beidseitig beschichtet, Gehäuseboden mit Saphirglas
- Armband: Kautschuk mit Alligator-Leder, Doppelfaltschließe aus Titan
- Uhrwerk: Zenith Oszillator, Kaliber ZO 342, automatischer Aufzug, 108.000 A/h (15 Hz), 60 Stunden Gangreserve, monolithischer Gangregler aus monokristallinem Silizium
- Funktionen: Stunde, Minute, Zentralsekunde
- Auflage: 10 individuelle Einzelstücke
- Preis: 29.900 CHF (ausverkauft)
Fotos: © Zenith (3), PCS (12)
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