Seit über 10 Jahren bin ich Member hier bei R-L-X. Diese 10 Jahre haben meine Beziehung zu Armbanduhren nennenswert geprägt und verändert. Ich habe die übliche Forumskarriere absolviert – mit einer Uhr (in meinem Fall ein Tigerauge, die Rolex GMT-Master) hier angekommen, in die Community eingetaucht und nach und nach alles geflippert, was irgendwie zu einer Forumskarriere „dazugehört“ – und dann irgendwann festgestellt, daß ich nicht in der Lage bin, Uhren zu halten.

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Sei es der Kaufmann in mir, sei es der ständige Drang nach was anderem. Es war dann zum Schluß auch so, daß jedes mal, wenn ich eine neue oder alte Uhr am Arm hatte, irgendjemand kam, der just so eine Uhr haben wollte. Und wieder war sie weg. Ich glaube, ich habe allein 2013 vier weiße Rolex Explorer 2 gekauft, immer mit der Prämisse: „Diesmal bleibt sie“. Nie blieb sie länger als 2 Wochen…

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Ich war das flippern und die ständige Beantwortung der Frage „was kommt jetzt?“ leid. Auch wollte ich irgendwann keine Uhr mehr, die irgendwie jeder hat. Denn sind wir mal ehrlich: auch wenn jede Uhr so ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Details haben mag: eine Rolex ist unterm Strich nichts besonderes und schon garnichts seltenes. Auch hatte ich zunehmend den Eindruck, daß dieses ganze Markengehype von einem Höhepunkt zum nächsten, von einer limitierten Auflage zur anderen irgendwie merkwürdige Dimensionen annahm. Mich sprach das irgendwann nicht mehr an. Ich wollte was anderes.

Die Prämisse meiner Suche: ich möchte eine Uhr, die mir gefällt und dennoch so jenseits des Massengeschmacks und Markenhypes ist, daß sie mir definitiv niemand so schnell abkaufen würde.

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Meine Suche führte mich ins Schwabenland, genauer: zu Jochen Benzinger nach Pforzheim. Seine Manufaktur stellt feine, handgefertigte Kleinserien, basierend auf berühmten alten und neuen Uhrenwerken namhafter Hersteller her und veredelt diese mit allem, was ich mag: Skelettierungen, Gravuren und Guillochierungen. Insbesondere die letztgenannte Technik der halbautomatischen Spiralmustergravur hat mich schon während meiner Goldschmiedeausbildung schwer fasziniert und mein Interesse an guillochiertem Schmuck der Firma Faberge und guillochierten Zifferblättern von Breguet geweckt.

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Da mich dieses „Manufakturwerk“-Geschwurbel noch nie sonderlich interessiert hat, ich andererseits aber ein Faible für ausgefallenes und gekonntes Handwerk habe, konnte ich mich mit dem Fertigungsprinzip rasch anfreunden. Außerdem hat mich die Handwerkskunst von Jochen Benzinger fasziniert. Die Uhren entstehen ausschließlich in Handarbeit, ich bezweifle, daß es noch einen weiteren lebenden Handwerker gibt, der das Metier so virtuos beherrscht und über den entsprechenden historischen Maschinenpark verfügt.

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Derartige Uhren müssen imho aus Edelmetall sein, wenn schon, denn schon. Ich entschloß mich daher für ein Gehäuse aus Rotgold. Das eine oder andere Detail wurde nach meinen Wünschen konfiguriert – wie gesagt: die Uhren entstehen in microkleinen Serien in kompletter Handarbeit, insofern ist da einiges an Kundenwünschen machbar. Gewartet habe ich etwa 6 Monate auf die Fertigstellung.

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Was mir an der Uhr gefällt: das Drama. Ich mag die Farbgestaltung, das Zusammenspiel der Linien und Kurven, das Gewicht der Uhr und die unendlich vielen Details auf allen Seiten. Nein, schlicht ist sie wahrlich nicht. Aber ich trag sie gern und oft. Auch wenn sie kaum ablesbar ist. Aber für die Ermittlung der Uhrzeit nutze ich ohnehin mein IPhone. Auch schön: die Blicke auf Forentreffen, irgendwo zwischen Mitleid und gerunzelter Stirn. Hin und wieder kommt mal eine Beileidsbekundung, manchmal auch ein „Du kannst sowas tragen“, sprich: eine euphemisierte Beileidsbekundung. Frauen hingegen mögen die Uhr.

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Daher: Mission accomplished. Ich kann mit der Zwiebel auf Forentreffen gehen mit der Gewißheit, damit auch wieder zuhause anzukommen. Und in der Zwischenzeit ist sie mir treuer und hochgeschätzter Begleiter.

Text: © Tobias Ueberschaer
Fotos: © PCS

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