Meine Lieblingsuhr? Eine gute Frage. Wie definiert man das? Welche meiner Uhren ich am liebsten habe? Oder welche Uhr mir überhaupt am besten gefällt? An mir? Wenn ich sie bei anderen sehe? Unabhängig vom Preis?
Coney’s Arbeitsplatz bei Nacht
Man könnte die Frage auf verschiedene Arten beantworten und trotzdem wäre die Antwort immer irgendwie richtig und trotzdem falsch. Also gehen wir es anders an: was muss eine Uhr können und wie muss sie aussehen?
Die Größe muss stimmen. Ich habe eher schmale Handgelenke und dazu passen weder zu große noch zu kleine Uhren. Ideal finde ich einen Durchmesser von 39mm. Doch auch die Proportionen machen viel aus. Und wo wir schon bei den Proportionen sind: bitte kein „Spiegelei“-Zifferblatt, keine zu breite Lünette und auch keine riesigen Indizes.
Ich mag helle Zifferblätter: Silber mit Sonnenschliff oder Weiß. Datum muss sein und eine drehbare Lünette: Ich stelle per Lünette an jedem Arbeitstag mehrfach ein, wann meine Pausen zu Ende sind – das ist jeden Tag anders und die Lünette hilft dabei enorm. Ein Fliegerei-Bezug wäre toll. Robust und bequem muss sie sein. Und reduziert auf das Wesentliche.
Meine perfekte Uhr wäre somit eine Rolex 1019 mit silbernem Zifferblatt, verstecktem Datum, unauffällig drehbarer Lünette und Saphirglas. Und heißen sollte sie Air-King. Und weil mir die keiner baut und ich keine Uhr gefunden habe, die alle meine Ansprüche erfüllt, muss die optimale Lösung eben ein Kompromiss sein.
In der Arbeit trage ich daher eine aktuelle Rolex GMT-Master II 116710 BLNR – weil sie alles kann, was sie können muss und dabei auch noch ziemlich gut aussieht. Meine Lieblingsuhr ist aber trotzdem eine andere: die Rolex Milgauss in ihrer aktuellen Version 116400 mit weißem Zifferblatt. Die Proportionen stimmen, die Uhr zitiert ihre Vorfahren und hat doch etwas Neues, Eigenes. Die Indizes changieren zwischen Orange und Blau und wenn man genau das richtige Licht erwischt, heben sich die Farben gegenseitig auf und die Indizes scheinen weiß zu sein.
Für mich ist die Milgauss der Punk unter den aktuellen Modellen und diese Andersartigkeit hat mich überhaupt erst zu Rolex gebracht. Denn Rolex hatte ich damals eigentlich gar nicht auf dem Schirm. Warum, das kann ich heute gar nicht mehr so genau sagen. Ich mochte die Marke einfach nicht und schon gar nicht deren Uhren mit Datumslupe.
Irgendwann aber blieb mein Blick auf dem Cover eines Uhren-Magazins hängen. Auf dem Titelblatt: die weiße Milgauss. Heft gekauft und immer wieder diese besondere Uhr angesehen. Die Uhr war nur leider nirgends zu bekommen. Alle Konzessionäre hatten bestenfalls ein müdes Lächeln als Antwort auf meine Frage nach der Milgauss parat.
So holte ich mir eine Abfuhr nach der anderen ab – dabei wollte ich die Uhr doch einfach nur mal anprobieren! Und so kam es, dass auch bei meinem zweiten Versuch der Herr am Tresen bei Wempe in der Weinstraße außer einem freundlichen Blick wieder nicht viel für mich tun konnte.
„Ich will sie doch nur mal anprobieren!“ – „Aber wir haben keine“ – „Schade, auf Wiedersehen!“. Doch da ertönte aus der Tiefe des Geschäfts eine Frauenstimme. „Eine zum Zeigen hätte ich, die ist aber schon verkauft.“ Egal, super! Die Verkäuferin war sehr nett und ließ mich die Uhr anprobieren. Ich war im siebten Himmel. Ein Blick auf die Uhr, das war wie sich frisch zu verlieben. Die Uhr musste ich haben. Warteliste? Ok. Und die Uhr hier? „Die bekommt der Erste auf der Warteliste, den Kunden habe ich grad angerufen.“
„Bis wann muss er die denn abholen?“ fragte ich. „Bis Samstag Abend, sonst bekommt sie der nächste auf der Liste.“ – „Und wie viele stehen da drauf?“ – „Einige.“ – „Na, dann schreiben Sie mich bitte auch dazu.“
Verliebt, unglücklich verliebt, zog ich von dannen. Und am Samstag Abend dann saß ich daheim und dachte mir „Jetzt hat er die Uhr bestimmt schon abgeholt.“ Aber was, wenn nicht? Ob sie den nächsten schon angerufen hat?
Gegen 17:15 hielt ich es nicht länger aus und griff zum Hörer. Der Kunde hatte die Uhr NICHT abgeholt. Und jetzt? „Wenn Sie es bis 18:00 Uhr zu uns ins Geschäft schaffen, gebe ich sie Ihnen.“
WIE BITTE!?
Sofort nahm ich meine Frau bei der Hand. Wir sprangen ins Auto und fuhren direkt in die Münchner Innenstadt. Parkhäuser? Alle voll! Also, und weil es doch eine Art Notfall war, schnell ins Parkverbot gestellt. Um 17:40 stand ich im Laden und die Verkäuferin begrüßte mich übers ganze Gesicht strahlend. Obwohl es kurz vor Ladenschluss war, nahm sie sich sehr viel Zeit und wir stießen mit einem Glas Sekt auf meine neue Uhr an. Auf die Uhr, die auch heute noch meine Lieblingsuhr ist.
Fotos & Text: © Coney 2015
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