Es war das Jahr 1997 als Stephen Spielberg zum zweiten Mal die Dinosaurier losließ. In „The Lost World – Vergessene Welt“ begeben sich Forscher auf eine einsame Insel um nach Dinosauriern zu suchen. Stilecht in einem Geländewagen.
Mercedes-AMG GLE 63 S 4MATIC Coupé in Lackierung palladiumsilber
Mercedes-Benz nutze den Film seinerzeit zur Vorstellung seiner brandneuen M-Klasse welche, sicher auch durch diese geschickte Marketingmaßnahme, schnell weltbekannt wurde.
18 Jahre später sind erneut die Dinos los. Diesmal in der Jurassic World, einem großen Themenpark auf Isla Nublar. Und wieder nutzt Mercedes den Film um ein neues Modell zu präsentieren: das Coupé der M-Klasse, die ab jetzt den Namen GLE trägt.
Mein Weg führt mich zum Allgäu Airport, wo ich am vergangenen Freitag „mein“ GLE Coupé in Empfang nehmen darf. Und nein, das was da vor mir steht ist nicht irgendein GLE Coupé, es ist das Topmodell der Baureihe, das Mercedes-AMG GLE 63 S 4MATIC Coupé. Palladium silver.
Wobei – Coupé? Ja doch. Die Zeiten, in denen Coupés an der Anzahl ihrer Türen gemessen wurden, sind spätestens seit dem CLS beendet. Was seither zählt, das ist die Form. Und die geht zweifellos in die Richtung.
Um ehrlich zu sein, als die ersten Fotos der Studie eines Mercedes Concept Coupé SUV durch die Presse gingen dachte auch ich mir im ersten Augenblick „Soso, den allseits bekannten Crossover gibt’s nun also auch mit Stern“. Ein Gedanke, der mir allerdings bei meiner ersten Begegnung mit dem GLE Coupé so live und vor Ort – zu meiner eigenen Überraschung – überhaupt nicht mehr in den Sinn kommt.
Das was hier vor mir steht, das ist ein Mercedes und nichts anderes. Ganz klar und vollkommen logisch. Das GLE Coupé wirkt, speziell als AMG, brutal muskulös, unvernünftig und dadurch extrem scharf. Mehr als ein Auto. Ein Statement. Ich fahre, was mir gefällt und was mir Spaß macht. So muss das.
Einsteigen, daheim fühlen. Der Innenraum wirkt sofort vertraut. Die aktuelle Mercedes-Formsprache findet sich auch hier wieder, inklusive des großen, freistehenden Displays in Form eines elektronischen Bilderrahmens. Das mag jugendlich frisch wirken, trotzdem wäre mir persönlich eine herkömmliche, integrierte Lösung wie etwa bei der S-Klasse dann doch lieber.
Es geht auf die A7 in Richtung Alpen. Wenig Verkehr und keine Geschwindigkeitsbegrenzung, perfektes Einsatzgebiet also für den 5,5 Liter V8 Biturbo mit seinen 585 PS und 760 Newtonmetern.
4,2 Sekunden benötigt der GLE 63 S für den Sprint von Null auf 100 km/h und ist damit der Schnellste unter den AMG Geländewagen. Schluss ist standardmäßig bei 250 km/h, mit dem AMG Driver’s Package inklusive Fahrertraining sind auch 280 km/h möglich. Aufpreis dafür beim GLE 63 S: 892,50 Euro.
Wo wir grad bei Preisen sind, der Listenpreis des Spitzenmodells beträgt 125.485,50 Euro, der Einstieg in das neue GLE Coupé allerdings beginnt schon bei 66.699,50 Euro (GLE 350 d 4MATIC) bzw. 67.235 Euro (GLE 400 4MATIC).
Schloss Neuschwanstein links, Schloss Hohenschwangau rechts
Die Autobahn meistert der „S“ erwartungsgemäß souverän, mit für ein Auto dieser Bauart vorbildlicher Straßenlage und, dank zuschaltbarem Sport Plus Modus, großartiger, AMG-typischer, Geräuschkulisse. Mit der Performance Abgasanlage (595 Euro) geht da sogar noch ein bisserl mehr.
Ab in Richtung Österreichische Alpen und damit in eine komplett andere Klimazone. Dichte, tief hängende Wolken, Dauerregen, schlechte Straßen. Da kann eine Testfahrt noch so gut geplant sein, der Wettergott ist manchmal grausam. Welch widerliche, undankbare Bedingungen. Und doch wüsste ich jetzt kaum ein Auto, in dem ich bei diesem Mistwetter lieber unterwegs wäre als in diesem Allrad-Crossover-SUV.
Echtes Tiroler Mistwetter
Scheinbar teilen aber nicht sämtliche zukünftigen GLE Kunden meine Liebe für Allradantrieb bei einem SUV und so wird es das Einstiegsmodell GLE 250d (nicht als Coupé erhältlich) zukünftig auch als reinen Hecktriebler geben. Angebot und Nachfrage eben. Muss man nicht verstehen, daher nur nebenbei erwähnt.
Der neue Mercedes GLE 400 4MATIC in designo diamantweiß bright Lackierung
Und was macht man, fährt man stundenlang bei so einem Mistwetter durch die regnerischen Wälder? Man macht sich Gedanken. Wirre Gedanken. Was, wenn das hier gar nicht mehr Österreich ist sondern ich mich in Wirklichkeit schon längst auf Isla Nublar befinde? Zur Regenzeit würde es da sicher auch nicht anders aussehen. Von den Temperaturen von derzeit 8 Grad vielleicht mal abgesehen.
Könnte ein Berg in Österreich sein – oder aber auch auf der fernen Dinosaurier-Insel Isla Nublar
Dann würde ich also auch gar nicht blind den Anweisungen des Navis folgen, welches mich nach Kitzbühel bringen soll, sondern wäre hier viel mehr auf der Suche nach Dinosauriern!
Nur wo findet man die Dinosaurier? Geht man nach dem Verständnis mancher Menschen, muss ich da gar nicht so weit weg suchen. Denn für diese bin ich, als Fahrer eines Geländewagens mit 5,5 Liter V8 Motor, selber einer.
The Lost World
Dass die Liebhaber solcher Autos, dass solche Autos selbst, vom Aussterben bedroht seien, das war schon zur Einführung des ersten ML immer wieder mal zu lesen. Doch die Realität auf unseren Straßen spricht eine deutlich andere Sprache.
Fürs grüne Gewissen gibt’s natürlich auch bei Mercedes und dem neuen GLE etwas. Ganz abgesehen davon, dass man bei den aktuellen Modellen wieder etliche Techniken integriert hat, um weiter wesentlich effizienter mit dem kostbaren Sprit umzugehen, gibt es mit dem GLE 500 e 4MATIC nun auch ein Modell mit Plug-In Hybridtechnik. Hier bringen es V6 Direkteinspritzer und elektrisches Hybrid-Modul auf eine Systemleistung von 442 PS. Die Zahl 500 orientiert sich demnach noch weniger am Hubraum als dies bei Mercedes generell schon der Fall ist (in Wahrheit sind es hier gerade einmal 3 Liter), sondern eher an der Leistung, die dem rein benzinbetriebenen GLE 500 4MATIC (4,7 Liter V8 mit 435 PS) mehr als ebenbürtig sein dürfte.
Armaturen im Mercedes GLE 500 e 4MATIC
Rein elektrisch schafft es der GLE 500 e auf eine Reichweite von bis zu 30 Kilometern oder auf eine Spitzengeschwindigkeit von 130 km/h. Ein intelligentes Antriebsmanagement unterstützt dabei den Fahrer, möglichst effizient zu fahren, etwa dadurch, dass der Modus so gewählt wird, dass die Batterie wieder voll geladen ist, wenn das Fahrzeug in die Stadt einfährt um den besonders kraftstoffintensiven Stop & Go Verkehr rein elektrisch bewältigen zu können.
Sturmschäden? Saurierschäden!
Das Gefühl, ein solches Auto (der GLE 500 e 4MATIC kostet 73.899 Euro, ist allerdings nicht als Coupé erhältlich) komplett geräuschfrei über die Straßen zu bewegen, ist schon extrem faszinierend. Abstriche gibt’s dafür ein wenig beim kleineren Kofferraumvolumen und der höheren Ladekante.
Doch zurück zum anderen Ende der Nahrungskette, zum kraftvollsten, dafür aber auch durstigsten der GLE Modelle, der es, etwa dank Segeltechnik im Comfort Modus, immerhin auch noch auf einen Normverbrauch von 11,9 Litern bringt. Das Wetter ist weiterhin äußerst widerlich und so verzichte ich auf übermäßiges Kurvenräubern, auch wenn die AMG-spezifische Kraftverteilung von 40:60 zu Gunsten der Hinterachse geradezu dazu einladen würde.
Aber auch „ganz brav“ ist eine Fahrt im GLE 63 S Coupé eine Wohltat für die Sinne. Die optionale Bang & Olufsen BeoSound AMG Anlage (4.938,50 Euro), mit der mein Testwagen ausgestattet ist, ist jeden Cent wert, sofern einem das Blubbern, Brabbeln und Knallen der Abgasanlage denn nicht schon Musik genug ist.
Die serienmäßigen AMG Sportsitze in Leder Exclusiv Nappa AMG bieten wunderbaren Sitzkomfort bei gutem Seitenhalt, die Verarbeitung des schwarzen Innenraums mit grauen Kontrastnähten wirkt hochwertig, auch wenn man über die Optik der ovalen Lüftungsgitter geteilter Meinung sein kann. Besonders positiv zu erwähnen sind dafür aber die wirklich massig vorhandenen Ablagen im Bereich der Mittelkonsole.
Mercedes wartet mit ein paar netten Spielereien auf, etwa mit einer Temperierung für die Cup Holder, deren Beleuchtung je nach gewähltem Modus (kühlen oder wärmen) die Farbe wechselt (249,90 Euro), einem aus den Außenspiegeln als Umfeld-Beleuchtung auf den Asphalt projizierten Markenlogo (35,70 Euro) oder dem beleuchteten Mercedes-Stern im Kühlergrill für 476 Euro.
Natürlich hapert es auch an durchaus sinnvollen Assistenzsystemen nicht, so gehören im Falle des GLE 63 S Coupé unter anderem Adaptive Break, Attention Assist, Collision Prevention Assist Plus, Pre-Safe, Seitenwindassistent und Rückfahrkamera bereits zur Serie.
Letztere ist auch absolut sinnvoll, denn der Blick in den Rückspiegel entlarvt eine formbedingte Schwäche. Das Fenster in der großen Heckklappe wirkt von innen vergleichsweise winzig.
Nach gefühlten Stunden erreiche ich Kitzbühel. Dinosaurier-Sichtungen soweit noch Null. Das Wetter? Es wird nicht besser. Nächste Station: Saalfelden. Offroad-Parcours. 48 Stunden Dauerregen haben die Strecke stark aufgeweicht. Gefahren wird der Parcours nicht im Coupé sondern in einem „normalen“ GLE 400 4MATIC mit Offroad-Technik-Paket (2.261 Euro, nicht für das Coupé erhältlich).
Mercedes-Benz GLE 400 4MATIC mit Offroad-Technik-Paket
Dynamic-Select mit Offroad-Fahrprogrammen
Alle wichtigen Informationen im Blick
Für mich als Nicht-Offroad-Spezialisten eine recht anspruchsvolle Strecke. Es geht bergauf, bergab, durch riesige Löcher und Schräglagen, bei denen man denkt, jeden Moment auf der Seite zu landen.
What goes up…
… must come down.
Eine Strecke, die ich maximal und auch nur dem guten, alten G-Modell zugetraut hätte. Doch der GLE meistert sie mit Bravur. Dank Downhill-Speed-Regulation kann man sich beruhigt zurücklehnen und die Technik einfach machen lassen. Der Fahrer lenkt, das Auto denkt. Das ist beeindruckend, auch wenn wahre Offroad-Fans nun vielleicht unken werden.
Und weil’s so schön ist, geht’s gleich noch ein zweites Mal über den Parcours. Anders als hier werden die Straßenverhältnisse auf Isla Nublar sicher auch nicht sein.
Warum man im Film dem GLE Coupé nur einen Kurzauftritt als schicken Lifestyle-Racer gönnt, den „normalen“ GLE gar nicht einsetzt und stattdessen einzig und allein auf den G vertraut – bei der Leistung, die der GLE hier an den Tag legt ist das fast schon unverständlich. Also nicht, dass ich der Ikone G ihre Leistungen absprechen möchte, das würde ja schließlich fast schon an Blasphemie grenzen und das will hier natürlich sicher niemand – also bitte, keinesfalls, ich mein‘ ja nur. 😉
Gefälle, das dem GLE gefällt…
… und der Moment, in dem du als Insasse denkst, das war’s jetzt
Nach dem Ausflug ins Gelände geht es zurück nach München. Dort scheint die Sonne. Perfektes Wetter, um mit dem GLE 63 S Coupé noch eine Runde über die Maximilianstraße zu fahren. Denn mit seiner besonderen Form und seinem AMG Sound würde er selbst dort derzeit wohl für viel Aufsehen sorgen.
Auf die schiefe Bahn geraten
Welcome to Jurassic Park
Doch leider warten schon die Nächsten und so heißt es viel zu schnell wieder Abschied nehmen, von einer außergewöhnlichen Mischung aus Geländewagen, Lifestyle-Kombi, Sportcoupé und Statement. Einem Auto, mit dem man gleichermaßen zum Einkauf bei Louis Vuitton vorfahren kann wie, und da bin ich mir ganz sicher, auf einer fiktiven Insel Dinosaurier jagen.
Naja, nur knapp daneben
Bos Taurus statt Tyrannosaurus
Mein Fazit: das GLE Coupé ist das ideale Auto für – ja für wen eigentlich? In den „normalen“ GLE passt mehr rein, der CLS Shooting Break ist eleganter – also wer braucht so ein Auto? Ganz einfach: jeder, dem sowas Spaß macht. Und Spaß macht das GLE Coupé. Speziell als AMG Version. Herrlich unvernünftig und wunderbar ungewöhnlich. Das GLE Coupé liebt man – oder man hasst es. Man versteht es – oder kann darüber nur den Kopf schütteln. Eine aus verschiedenen Genen zusammengemischte Spezies. Ein Dinosaurier? Vielleicht. Dann aber einer, dessen Ära gerade erst beginnt.
Das Mercedes-Benz GLE Coupé ist ab Juli 2015 erhältlich, die Markteinführung des GLE 63 und GLE 63 S erfolgt im September.
Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2015
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