Ich bin Mercedes-Fan. Quasi geboren und aufgewachsen im /8er, waren Limousinen mit dem Stern immer sowas wie mein Zuhause. Doch gab es in meiner Liebe zu den Stuttgarter Automobilen stets Höhen und Tiefen. Wobei wir schon mittendrin sind im Thema. Automobildesign. Ein schwieriges Thema. Und eines, an das ich heute höchst subjektiv herangehen möchte.
Beginnen will ich mit rund fünf Jahrzehnten Mercedes-Design im Schnelldurchlauf. Am Beispiel der E-Klasse. Was nun also folgt, das sind jede Menge nerdiger Baureihenbezeichnungen. Wen sowas langweilt (wohl die meisten), der springe darum bitte direkt einen Absatz weiter.
Ein wenig Design-Geschichte im Schnelldurchlauf
Nach meinem geliebten W 114/115 kam ein Jahr nach meiner Geburt der W 123 auf den Markt. Ein für mich bis heute noch schrecklich unschönes Auto. Welch großer Wurf hingegen dessen Nachfolger W 124. Mit dem W 210 der 90er Jahre erreichte das Mercedes-Design dann seinen wahrscheinlich absoluten Tiefpunkt, ehe es mit dem W 211 wieder merklich bergauf ging. Dessen Nachfolger W 212 wiederum – nun, hüllen wir besser den Mantel des Schweigens über ihn und enden den Überblick mit dem aktuellen W 213, der (wie gesagt natürlich rein subjektiv) schönsten E-Klasse von allen.
Was lernen wir daraus? In den vergangenen fünf Jahrzehnten Mercedes Design wechselten sich meine persönlichen Highlights immer mit vermeintlichen Fehlgriffen ab. Seit sechs Jahren nun aber konnte ich meine Vorliebe für die Autos mit Stern wieder in vollen Zügen und ohne schlechtes Gewissen auskosten.
Mercedes CLS unter Gorden Wagener
Denn die Designphilosophie jener letzten Zeit unter der Feder von Gorden Wagener war sowas von hundertprozentig mein Geschmack, dass es besser nicht mehr ging. Begonnen mit der S-Klasse folgten C-Klasse, E-Klasse, GLE Coupé, GLC und natürlich der AMG-GT.
Doch nichts ist so beständig wie die Veränderung. Das gilt insbesondere für das Design von Kraftfahrzeugen. Und als die aktuelle, dritte Generation des CLS das Licht der Öffentlichkeit erblickte, wusste ich einmal mehr: die guten Jahre, sie sind schon wieder vorbei.
Die guten Jahre sind vorbei
Versuche, meine erste Aussage zu rekapitulieren, die ich angesichts der damaligen Präsentation in unserem Forum absonderte, schlugen leider fehl. In jedem Fall aber war sie alles andere als positiv. Was bitte sollte das sein, was da Ende 2017 mitten in der Nacht als Pressemitteilung in meinem E-Mail-Eingang landete? Ein Mercedes? Oh mein Gott!
Nun, warum begleitete uns also genau jener CLS als unser „Road to Basel“ Vehikel dieses Jahr? Eine durchaus berechtigte Frage. Als Antwort könnte ich jetzt alles Mögliche erzählen. Die Wahrheit? Die ist ganz einfach. Ich war mit meiner Anfrage schlicht und ergreifend viel zu spät dran. Es war nichts anderes mehr frei. Mein Fehler. Da gibt es nichts zu beschönigen.
Vorbei also, du schöne Basel Zeit mit den 63er AMG, Adieu, du neue G-Klasse. Ob ich dich wohl jemals testen darf? CLS – oder gar nix. Und da das mit der Prinzipientreue ja so eine Sache ist, war meine Antwort sowas wie „Oh super! Her damit.“ Jaja, so bin ich. Blöd nur: es gibt vom aktuellen CLS keinen 63er AMG mehr. Das liegt maßgeblich daran, dass es den AMG GT ja nun auch als 4-Türer gibt und die beiden Modelle zu dicht beieinander wären. Also heißt unser Baselworld Reisemobil 2019: CLS 450.
Wir sprechen also von einem Reihensechszylinder mit drei Litern Hubraum, der es auf 367 PS, unterstützt von 22 elektrischen Pferdchen, bringt. Was hatte nochmal der E 63S? Verdammt! Jammern auf höchstem Niveau? Aber sowas von! Eine Runde Mitleid? Dankeschön.
Ein Mann sieht rot
Es kommt jetzt nämlich – noch schlimmer! Denn das „Ding“, was da am Tag vor unserer Reise geliefert wird ist – ROT! Hyazinthrot Metallic. Und, wie der geneigte Leser nicht erst seit meinem Review des GLC 43 AMG weiß: ich hasse rote Autos.
Ebenfalls bei jenem GLC zeigte sich jedoch bereits damals: fotogen ist sie schon, diese Farbe. Dennoch. Wir fassen noch einmal zusammen: vor mir steht das vielleicht unförmigste Auto, welches Mercedes in den letzten Jahren auf den Markt brachte (A- und B-Klasse mal außen vor gelassen, wir sprechen hier jetzt schließlich von einem „richtigen“ Mercedes), in einer der am wenigsten begehrenswerten Farben, die das aktuelle Portfolio so zu bieten hat. Läuft bei mir. Eindeutig. Oh, was bin ich? Undankbar? Stimmt! Extrem. Ob man mir in Stuttgart nach dem Lesen dieser Zeilen wohl jemals wieder ein Auto wird geben wollen? Fraglich. Andererseits: die ungeschminkte, ungeschönte Wahrheit muss auch mal sein, oder?
Der Innenraum des Mercedes CLS begeistert
Das ganze Jammern hilft natürlich nichts. Abfinden und einsteigen. Denn wenn man drin sitzt, sieht man schließlich weder die viel zu klein geratenen Rücklichter noch dieses aufdringliche Haifischmaul. Stattdessen: eine perfekt anmutende, schön geschwungene Armaturentafel, ein riesiger Doppelscreen, traumhafte Lüftungsdüsen. Einsteigen, wohlfühlen, daheim sein. Kein Zweifel, denke ich mir, von innen können sie’s noch. Da haben sie noch nicht verlernt, wie man verdammt geile Autos baut. Immerhin.
Wenn, ja wenn da halt nur nicht dieses Äußere wäre. Aber sehen wir uns das doch mal noch etwas genauer an. Und beginnen da – mit der Seitenlinie. Wenn man sich die so anschaut, kommt man bereits auf den ersten Blick zu dem Schluss, dass es sich hier – wirklich ganz unverkennbar – um einen CLS handeln muss. Das ist ja immerhin schon mal etwas.
Der Neue ist ein echter CLS
Warum ist das so? Weil die Formensprache des Grundmodells C 219 aus 2003, seinerzeit entworfen von Automobildesigner Michael Fink, beim neuen C 257 konsequent weitergeführt wurde. Wesentlich konsequenter übrigens, als dies beim direkten Vorgänger, der Baureihe C 218, der Fall war. Die dritte CLS-Generation wirkt wieder außerordentlich puristisch, nicht so weichgespült wie die zweite Generation.
Die gedrungene Fahrgastzelle, die rahmenlosen Scheiben, die hohe Bordkante, keine Frage, dieses Auto verkörpert das, was einst eine ganze neue automobile Nische begründete: die der viertürigen Coupés. Der CLS brachte seinerzeit wortwörtlich Schwung ins Limousinendesign. Mit einer Form, die das Auge fesselte, die polarisierte, die heute zeitlos erscheint.
Mercedes CLS: ein Design, das polarisiert
Dass sein Design polarisiert, das kann man zweifelsohne auch vom CLS, Jahrgang 2019, behaupten. Gewölbte, hohe Schulterlinie, schmale Seitenfenster, dazu kurze Überhänge und eine tiefe Dachlinie, sind zwar ganz typische Designmerkmale eines Mercedes CLS, der Neue kommt aber mit deutlich weniger markanten Linien zurecht, bietet dafür mehr glatte Flächen.
Das wirkt zwar auf den ersten Blick eben so gar nicht gefällig, doch wie die Kanten und Sicken zu den Heckleuchten münden, wie die Dachlinie in den Kofferraumdeckel mit seinem nach oben hin leicht negativen Sturz übergeht, die scharf gestalteten Rückleuchten einen spannenden Kontrast zum sonst eher weich geformten Heck bieten, das zieht das Auge schon in seinen Bann. Schön übrigens, dass auch die dritte CLS Generation ohne sichtbaren oder gar ausfahrbaren Spoiler auskommt. Möglich macht das ein Diffusor im Unterbodenbereich. Das aber nur am Rande erwähnt.
Wie ein Raubtier, zum Sprung bereit
Die Fahrgastzelle des C 257 ist weit nach hinten gezogen. So ruht das optische Hauptgewicht ganz klar auf der Hinterachse. Das wirkt extrem dynamisch. Wie zum Sprung bereit steht er da, der CLS, auch die Scheinwerfer erinnern von der Seitenansicht an ein Raubtier. Oder geht jetzt einfach nur die Fantasie mit mir durch? Schon möglich.
Nanu? Wir werden doch langsam nicht etwa auch noch Gefallen finden, am anfangs als unförmig bezeichneten großen Mercerdes Coupé? Wie war das gleich mit der ungeschminkten, ungeschönten Wahrheit? Nun, Fakt jedenfalls ist: das neue Design benötigt seine Zeit. Es ist eben keinesfalls auf den ersten Blick so gefällig, wie dies bei der noch aktuellen Generation von C-, E- oder S-Klasse der Fall ist. Man muss sich mit ihm auseinandersetzen. Dann aber wirkt es letztlich – und an dieser Stelle muss ich mich fairerweise dann doch geschlagen geben – durchaus schlüssig.
Eine Art Fazit
Und so merke ich während der insgesamt zwei Wochen mit dem CLS 450 4matic, wie sich nach und nach mein Verhältnis zum Wagen und dessen Design immer mehr ändert. Das gipfelt sogar darin, dass ich, während ich die für dieses Review gemachten Bilder betrachte, zugegebenermaßen sogar tatsächlich ins Schwärmen gerate. Irgendwie macht er eben doch verdammt was her, der neue CLS.
Gut, wahrscheinlich werde ich nie der größte Fan des riesigen, sich nach unten stark öffnenden Haifischmauls. Und auch den Diamantgrill hätte man für meinen Seelenfrieden gerne in der werten A-Klasse belassen können. Dennoch: in meiner Zeit mit dem aktuellen Mercedes CLS habe ich irgendwann meinen Frieden mit seinem Design gefunden. Mehr als das. Der CLS der dritten Generation hat tatsächlich das Zeug zu einem echten Klassiker. Als Vorreiter einer ganz neuen Designsprache bei Mercedes. Vielleicht haben die „guten Jahre“ ja doch gerade erst angefangen…
Datenblatt
Mercedes-Benz CLS 450 | |
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Motor | 3,0-Liter Reihen-Sechszylinder mit Turbolader und EQ Boost |
Hubraum | 2.999 ccm |
Leistung | 270 kW (367 PS) zzgl. 16 kW (22 PS) EQ Boost |
Drehmoment | 500 Nm bei 1600-4000/min |
Antrieb | Allradantrieb |
Getriebe | 9G-TRONIC |
Beschleunigung | 4,8 s (0-100 km/h) |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Effizienzklasse | C |
Informationen
Mehr Informationen zum aktuellen Mercedes CLS gibt es auf mercedes-benz.de.
Hinweis zur Transparenz
Der Mercedes CLS 450 wurde uns vom Hersteller im Rahmen unserer Baselworld Berichterstattung kostenlos zu Verfügung gestellt, wofür wir uns an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bedanken möchten. Eine redaktionelle Einflussnahme auf diesen Artikel fand nicht statt.
Fotos: © PCS 2019
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