Beobachtet man den Sekundenzeiger des Zeitmessers am eigenen Handgelenk, kann man sich leicht davon überzeugen, dass die Zeit äußerst konstant voranschreitet. Gefühlt allerdings vergeht sie mal langsamer, mal schneller. Für mich zum Beispiel ist es kaum zu glauben, dass die Watches and Wonders 2022, die erste große Präsenz-Uhrenmesse nach drei Jahren Zwangspause, schon wieder gute zwei Monate zurück liegt.
Über die Neuheiten von Rolex haben wir hier schon ausführlich gesprochen, die neuen Modelle von Patek Philippe mit Staunen beäugt, uns von Jaeger-LeCoultre auf eine Stellare Odyssee entführen lassen und über die Zukunft von Tudor philosophiert. Heute nun ist es an der Zeit, 10 Uhren vorzustellen, die bislang auf Luxify noch nicht zum Zuge kamen.
Die Reihenfolge der Vorstellungen stellt übrigens keine Wertung dar, sondern entspricht jener, in der die Uhren mir tatsächlich „vor die Linse“ gekommen sind. Viel Vergnügen also beim kleinen Rundgang durch die Genfer Messehallen.
Vacheron Constantin Historiques 222
Beginnen möchte ich mit einem echten Knaller. Wen immer ich im Laufe der Messe auch fragte, was sein persönlicher Favorit sei, keine Antwort folgte so oft wie jene der drei Ziffern „Two-Two-Two“. Und klar wusste damit auch jeder sofort, was gemeint war: die Historiques 222 von Vacheron Constantin.
1977, zum 222. Geburtstag der Manufaktur, lancierte Vacheron Constantin die 222 als neues Modell mit integriertem Armband. Die von Jorg Hysek designte Uhr war mit 7 Millimetern Bauhöhe ultraflach, ihr Durchmesser von 37 Millimetern brachte der Uhr, die später auch noch in 34 und 24 Millimetern auf den Markt kam, den Beinamen „Jumbo“ ein.
Bis 1985 verblieb die 222 im Programm, 2022 ist sie wieder zurück. Und man muss schon zweimal hinschauen, um Original und Neuauflage auseinander zu halten. Am leichtesten gelingt dies mit einem Blick auf den Gehäuseboden. Dieser ist nun nämlich mit einem Sichtfenster aus Saphirglas versehen. Statt des damaligen Kalibers VC1120 auf Basis des Jaeger-LeCoultre 920, verrichtet nun das moderne Kaliber 2455/2 seinen Dienst.
Die Vacheron Constantin Historiques 222, Ref. 4200H/222J-B935 bleibt den 37 Millimetern Durchmesser treu und ist in einem Gehäuse aus 18kt Gelbgold mit Malteserkreuz in Weißgold erhältlich. Da die 222 als Boutique only Modell geführt wird, steht in Deutschland aktuell ausschließlich die Boutique in Frankfurt am Main für Bestellungen zur Verfügung. Der Preis der Uhr liegt bei 61.500 Euro.
Cartier Masse Mystérieuse
Weiter geht’s mit einem uhrmacherischen WOW-Effekt. Fast acht Jahre Entwicklung stecken im neusten Coup von Cartier. In der Cartier Masse Mystérieuse wird das Uhrwerk zum Rotor. Oder ist es gar umgekehrt? Alle Bauteile jedenfalls finden auf der Schwungmasse Platz, die feine Skelettierung sorgt für tiefe Einblicke. In der Mitte: Stunden- und Minutenzeiger, die, gänzlich unbeeindruckt von dem, was sich da um sie herum dreht, ihrer Wege gehen.
Möglich macht das alles ein Differenzialsystem, das man sich aus dem Automobilbau abgeschaut hat. Die Masse Mystérieuse ist das technisch anspruchsvollste Modell, dass die Uhrmacher bei Cartier jemals entwickelt haben und führt die Reihe von „Mysterie Clocks“ am Handgelenk fort, die 1911 mit einer Tischuhr begann.
Die 43,5 Millimeter große Uhr aus Platin ist auf 30 Exemplare limitiert und wird rund 300.000 Euro kosten.
TAG Heuer Aquaracer 200 Solargraph
Kommen wir von komplexester Feinmechanik zu – einer Quarzuhr. Wirklich? Wirklich. Uhren dieser Art finden sich ja im Allgemeinen eher seltener in den Archiven von Luxify. Und dennoch, der neue Aquaracer 200 Solargraph, der hat es mir irgendwie angetan.
Es ist die erste solarbetriebene Uhr der Marke, ausgerüstet mit einem von La Joux-Perret gefertigten Kaliber namens TH50.00. Zwei Minuten Sonnenlicht, das durch das halbtransparente Zifferblatt scheint, reichen aus, um das Uhrwerk einen Tag lang am Laufen zu halten. Nach nicht einmal 20 Stunden hat die Batterie genügend Power für sechs Monate und sobald die Uhr im Power-Save-Modus läuft, verlängert sich die Laufzeit sogar auf dreieinhalb Jahre. Klingt toll, Freunde mechanischer Uhrwerke allerdings werden auch diese Zahlen nicht zu spontanem Frohlocken bringen.
Das, was mich am Solargraph allerdings beeindruckt hat, ist daher auch eher optischer Natur. Das 40 Millimeter Edelstahlgehäuse mit schwarzer DLC-Beschichtung wird nämlich gekrönt von einer einseitig drehbaren Lünette aus Carbon. In diese wiederum ist Super-LumiNova eingarbeitet. Und das – schaut gerade bei Dunkelheit richtig stark aus. Erhältlich ist die Uhr voraussichtlich ab Oktober, zum Preis von rund 2.800 Euro.
Hermès Arceau Le Temps Voyageur
Besonders gern schaue ich auf der Messe ja bei Hermès vorbei. Denn die dortigen Zeitmesser sind immer wieder für eine Überraschung gut. Wer beispielsweise die Weltkarte der neuen Zeitzonenuhr Le Temps Voyageur ganz genau betrachtet, der wird zunächst ziemlich sicher ein wenig verwirrt sein ob der dort abgebildeten Kontinente. Kein Wunder, denn die Phantasiekarte entstammt einem von Jérôme Colliard für ein Hermès Carré entworfenen Motiv.
Hermès‘ eigenes Manufakturwerk H1837 hat man um ein Modul erweitert, das die Zeitanzeige in einem Satelliten antreibt. Per Knopfdruck bewegt dieser sich entlang dem mit Städtenamen versehenen Außenring und wechselt auf die jeweils dort gültige Ortszeit. Die eigene Heimatzeit hat man dabei durch die 24-Stunden-Anzeige bei 12 Uhr stets fest im Blick.
Die Hermès Arceau Le Temps Voyageur gibt es in zwei Versionen: in Edelstahl am Alligatorlederband für 18.000 Euro oder in einer Kombination aus Platin und Titan für 23.000 Euro.
H. Moser & Cie. Pioneer Cylindrical Tourbillon Skeleton
Fixer Pflichttermin für mich im Carré des Horlogers, in dem die kleineren, unabhängigen Marken ausstellen, ist jedes Mal H. Moser & Cie. Skelettierte Uhren waren dort bislang ja eher weniger zu bewundern. Die Pioneer Cylindrical Tourbillon ändert das. Das Manufakturkaliber HMC 811 ist von Ober- wie von Unterseite skelettiert und bietet, auch dank der ebenfalls skelettierten Schwungmasse aus Gold, sensationelle Einblicke.
Ein Highlight ist sicherlich das Tourbillon, welches mit seiner zylindrischen Spiralfeder samt zwei Breguet Endkurven zu bewundern ist. Ebenfalls ein Hingucker sind die Stundenindexe auf dem in Funky Blue Fumé erstrahlenden Nebenzifferblatt bei 12 Uhr. Sie sind aus Globolight gefertigt, einem keramikbasierten und mit Super-LumiNova versetzten Material, das der Uhr zusätzliche Dreidimensionalität verleiht.
Verpackt ist das alles unter einem gewölbtem Saphirglas und in einem 42,8 Millimeter großen Gehäuse aus Stahl. Besonders erfreulich: mit einer Wasserdichtigkeit von 12 ATM taugt die Uhr auch für sportliche Freizeitaktivitäten. Die Ref. 3811-1200 hat einen empfohlenen Verkaufspreis von 79.000 Schweizer Franken.
Ulysse Nardin Freak S
Im wahrsten Sinne des Wortes „Freakig“ wird’s bei Ulysse Nardin. 2001 brachte man eine Uhr heraus, die mit ihrem Konzept der Zeitanzeige so manches in der Uhrmacherei über den Haufen warf. Die Freak kommt nämlich ohne herkömmliche Zeiger aus. Ihr Uhrwerk selbst zeigt stattdessen über zwei Brücken Minuten und Stunden an, dreht sich dabei einmal pro Stunde um sich selbst. Die Zeiteinstellung erfolgt durch Drehen der Lünette statt über eine Krone.
Zur Watches and Wonders Geneva 2022 nun geht Ulysse Nardin mit der Freak S den nächsten Schritt. Ein geneigter Doppel-Oszillator mit zwei im Winkel von 20° zueinanderstehenden Silizium-Unruhen schwingt mit einer Frequenz von zweimal 2,5 Hz. Über ein vertikales Differenzial miteinander verbunden, werden etwaige Gangungenauigkeiten so optimal ausgeglichen. Die Siliziumkomponenten werden für höhere Leistungsfähigkeit, Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit nun sogar mit einer Schicht aus synthetischem Diamanten überzogen.
Wie ein Raumschiff auf seiner Startrampe – bei Fans von Austin Powers könnte hier auch eine andere Assoziation ausgelöst werden – wartet das Werk über einem Sternenhimmel aus schwarzem Aventurin im 45 Millimeter großen Gehäuse aus Roségold 5N, schwarzer Keramik und DLC-beschichtetem Titan. Die bis 30 Meter wasserdichte Freak S erscheint in einer auf 75 Exemplare limitierten Edition zum Preis von 123.500 Euro.
Parmigiani Tonda PF GMT Rattrapante
Eine der für mich größten Überraschungen der Messe fand ich am Stand von Parmigiani. Bislang nahm ich die Manufaktur aus Fleurier ehrlich gesagt ja eher am Rande wahr. Doch die Tonda PF GMT Rattrapante hat das in diesem Jahr wirklich schlagartig geändert.
Bei Rattrapante denkt man ja gemeinhin an einen Chronographen. Doch von einer solchen Vorrichtung ist auf dem in Mailänder Blau gehaltenen Zifferblatt nun wirklich nichts zu erkennen. Hier verbirgt sich der roségoldene Schleppzeiger vielmehr hinter dem Stundenzeiger und kommt bei Bedarf zum Vorschein, um eine zweite Zeitzone anzuzeigen. Mittels Drücker bei 8 Uhr springt der obere Zeiger dann stundenweise weiter, beim Druck auf die Krone wiederum, kehrt er augenblicklich wieder zurück und der goldene Zeiger der Heimatzeit verschwindet in seinem Versteck.
Mit einem Durchmesser von 40 Millimetern und einer Bauhöhe von 10,7 Millimetern ist das Edelstahl-Gehäuse der Tonda PF wunderbar dimensioniert. Die kannelierte Lünette aus Platin sorgt für zusätzlichen Glanz. Angetrieben wird die bis 60 Meter wasserdichte Uhr von einem lediglich 4,9 Millimeter hohen und sehr schön finissierten Manufakturkaliber PF051 mit Mikrorotor aus Roségold. Preis: 26.000 Euro.
Roger Dubuis Knights of the Round Table Monotourbillon
Alleine schon akustisch führte auf der Messe kein Weg am Stand von Roger Dubuis vorbei. Die Präsentationen der Manufaktur aus Meyrin sind legendär, die Uhren jedes Jahr aufs Neue ein echter Hingucker. Highlight diesmal: das Monotourbillon der Knights of the Round Table Reihe im 45 Millimeter großen Gehäuse aus 18-karätigem Roségold, das ich leider nur in seiner Vitrine fotografieren durfte.
Doch schon dort überwältigt die Uhr durch ihr Detailreichtum. Zwölf Ritter, jeweils lediglich sechs Millimeter groß und gefertigt aus Roségold, formieren sich um das im Zentrum schlagende Tourbillon. Dazwischen: Blöcke aus Muranoglas. Auch der das gesamte Szenario umgebende Höhenring besteht aus einem einzigen Muranoglasblock.
Geradezu eine Nebenrolle spielt da schon fast die eigentliche Zeitanzeige. Das Kaliber RD115 mit seinen 72 Stunden Gangreserve treibt zwei Scheiben an, auf denen goldene Marker die Position von Stunde und Minute einnehmen. Acht Exemplare der Uhr wird Roger Dubuis herstellen, welche alle bereits im Vorfeld der Messe von interessierten Kunden bestellt wurden. Sie müssen rund 600.000 Euro für ihre Tafelrunde ausgeben.
Panerai Submersible QuarantaQuattro Carbotech Blu Abisso PAM01232
In eine Art Unterwasserwelt entführte der Stand von Panerai. Dunkel, mystisch gab er sich, passend zu der Hauptneuheit des Jahres. QuarantaQuattro heißt die und positioniert die Submersible größentechnisch wieder dort, wo sie schon von Beginn an hingehörte: bei 44 Millimetern. Die Modelle ergänzen dabei die bereits in der Kollektion befindlichen Submersibles im 42 und 47 Millimeter Gehäuse.
Angeboten wird die bis 300 Meter wasserdichte QuarantaQuattro in einer Vielzahl von Zifferblattvarianten und Materialien, unter ihnen auch drei auf besondere Nachhaltigkeit bedachte eSteel Modelle. Mein persönliches Highlight aber ist die Blu Abisso. Sie setzt auf ein Gehäuse aus Carbotech, auch Lünette und die typische Kronenschutzbrücke sind aus jenem besonders leichten Material.
Zusammen mit dem dunkelblauen Blatt und dem farblich passenden Kautschukband wirkt die Uhr geheimnisvoll wie die Unterwasserwelt. Hübsches Detail sind die schwarzen Zeiger, die für eine optimale Ablesbarkeit innen mit einem weißen Rand versehen sind. Unter dem Gehäuseboden aus schwarz beschichtetem Titan verrichtet das ValFleurier-Kaliber P.900 (3 Tage Gangreserve) seinen Dienst. Preis: 17.400 Euro.
Van Cleef & Arpels Lady Arpels Heures Florales
So eine Messe schlaucht. Und so ist es nicht verwunderlich, dass ich kurz versucht war, den Termin bei Van Cleef & Arpels an Tag 5 einfach auszulassen. Ein Glück, entschied ich mich anders. Denn was ich dort zu sehen bekam, waren Kunstwerke ihrer ganz eigenen Art. Und auch wenn wir uns bei dieser Zusammenstellung auf Uhren begrenzen, die man am Arm tragen kann, lohnt ein Blick auf den YouTube Kanal der Marke, um dort in die Funktionswelt der Großuhren-Unikate einzutauchen.
Wir beschäftigen uns an dieser Stelle aber mit einer Uhr der Poetic Complications Reihe und hier der Heures Florales. Die Uhr, die es im 38 Millimeter Gehäuse aus Weißgold oder Roségold gibt, fasziniert mit einer ganz besonderen Form der Zeitanzeige. Die Anzahl der mit Diamanten versehenen, geöffneten Blüten gibt dabei Auskunft über die aktuelle Stunde, die Minuten werden über ein seitliches Sichtfenster abgelesen. Dafür wurde das ValFleurier Automatikkaliber Q020 (36 Stunden Gangreserve) mit einem speziellen Modul ausgerüstet.
Die 12 Blumen geben dabei zu jeder vollen Stunde ein einzigartiges Schauspiel ab. Denn nicht etwa öffnet sich jedes Mal einfach eine Blüte mehr, vielmehr schließen sich zunächst die geöffneten Blumen, um kurz darauf neue zu öffnen. Blüten, Blätter, Zweige, Wolken, nicht weniger als 226 Elemente zieren insgesamt das Zifferblatt, die 424 Diamanten bringen es auf 5,06 Karat. Die nummerierte Edition ist für 260.000 Euro erhältlich.
Das Video zum Top 10 Review Watches & Wonders 2022
Fotos: © PCS 2022
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