Mein iPhone meint es gut mit mir. „Morgen soll es laut Wettervorhersage regnen. Pack am besten den Regenschirm ein!“ rät mir die Facebook App. Wie überaus fürsorglich von ihr. Aber, um es mit James Bond zu sagen: „I won’t need one of these where I’m going.“ „Where’s that or – are you not allowed to say?“ entgegnet ihm Q darauf in Sag niemals nie. „The Bahamas.“ „Oh, lucky, bloody you!“
Nassau! Kaum eine andere Destination weckt bei mir so viel Vorfreude, so eine große Erwartungshaltung wie die Hauptstadt der Bahamas. Ein Grund: James Bond. Gleich mehrere seiner Abenteuer spielen in und um die auf der Insel New Providence gelegene Stadt. Doch ist dort alles wirklich so, wie man es aus den Filmen kennt? Das werden die kommenden Tage zeigen.
Los geht es in – London. Natürlich London. Wo auch sonst? Schließlich startet James Bond ja auch immer von dort. British Airways fliegt große wie kleine „Geheimagenten“ von Heathrow aus direkt nach Nassau. Das hat den großen Vorteil, dass man sich die meist zeitraubende US-Immigration spart und somit nach einem relativ kurzweiligen 9-Stunden Flug direkt an seiner Wunschdestination ankommt.
Weiterer Vorteil eben gerade jener Fluggesellschaft: die überaus großzügige Handgepäckregelung. Ganze 23 Kilogramm darf der Boardtrolley wiegen, darüber hinaus erlaubt: eine Laptoptasche mit ebenfalls noch einmal bis zu 23 Kilo. Wow! Das reicht für ordentlich viele Spielereien, frisch aus der Q-Abteilung.
Flug BA253 landet am frühen Nachmittag in Nassau, schon einige Zeit vorher tauchen die ersten Inseln mit ihren weißen Stränden und dem türkisblauen Wasser vor den Flugzeugfenstern auf. Grandios!
Nicht ganz so grandios: auch auf den Bahamas steht zunächst die Immigration an. Und die: dauert. Zwei Schlangen gibt es, jede führt zu einer ganzen Reihe von Schaltern, von denen aber meist nur jeweils zwei bis drei besetzt sind. Immerhin: eine Liveband versüßt die Wartezeit mit Steeldrums und karibischen Klängen. Am bekannten Motto „It’s better in the Bahamas“ scheint hier also zumindest schonmal was dran zu sein.
Nach kurzer Taxifahrt erreiche ich mein Hotel. Es ist das Hilton „British Colonial“. Ein imposanter Bau in prominenter Lage inmitten des Zentrums von Nassau. Seit 1924 steht es an der Stelle, wo einst das Old Fort of Nassau zu finden war. Es ist eines der bekanntesten Hotels auf der Insel und – es hat James Bond Historie.
So diente es schon als Kulisse für Feuerball (1965), den meisten bekannt aber dürfte es eher durch die nicht-offizielle Nachverfilmung „Sag niemals nie“ aus 1983 sein. Hier lauert Fatima Blush dem Agenten in der Lobby auf. Nach dem Generalumbau 1999 ist von der Originalszenerie allerdings nichts mehr zu erkennen.
Einzig der zum Hotel gehörende Steg, an dem sie, auf Wasserski, das erste Mal auf Bond trifft, ist noch vorhanden, die kleine Bar selbst allerdings fiel Ende der 90er Jahre einem Hurricane zum Opfer.
Das British Colonial Hilton kann mit dem einzigen Privatstrand der Stadt punkten. An diesem kann man in unmittelbarer Nähe der ein- und ausfahrenden Kreuzfahrtschiffe baden und ihnen bei ihren teils spektakulär anmutenden Wendemanövern zusehen. Ein ziemlich einmaliges Erlebnis.
Vom Hotel aus sind es nur ein paar Meter bis zur Christ Church Cathedral, in der eine eigene Bank permanent für den Fall reserviert ist, dass Queen Elizabeth II einmal vorbeischauen sollte.
Die ist heute zwar nicht in der Stadt, dafür wartet aber bereits Murray vor der Kathedrale. Er ist Guide bei den Tru Bahamian Food Tours, die den Touristen die wahre, bahamesische Küche näherbringen sollen. Schon in der ersten Tasting Location, dem Bahamian Cookin‘, gelingt das auf Anhieb.
Die Conch, gesprochen „Konk“, ist das Nationalgericht der Inseln und wird hier in vielen unterschiedlichen Formen angeboten, beispielsweise als Conch Fritters, Conch Salad, der Conch Chowder Soup, cracked Conch oder steamed Conch. Dazu einen frischen Cole Slaw als Beilage, Macaroni & Cheese oder Peas n‘ Rice. Wer es lieber etwas vertrauter mag, der greift zu den Grouper Fingers oder zum Steamed Chicken mit Fries.
Nur wenige Fußminuten weiter liegt das Towne Hotel, wo einen Max, der Papagei, sofort lautstark begrüßt. Max ist seit 1988 dabei, sein Besitzer, Ron aus Kanada, betreibt das Hotel sogar schon seit 1977.
Das Towne Hotel ist so etwas wie ein Informations-Hub für die Inseln. Wer einfach aufs Geradewohl auf die Bahamas fliegt, mietet sich hier erst einmal für ein paar Tage ein und plant dann erst vor Ort, wohin es weitergeht.
Entsprechend kommunikativ geht es auch im Hotel zu, was zusätzlich am herrlichen Planters Punch liegen mag, den Barkeeper „Lucky“ kredenzt. Wer es schafft, auf der an der Bar befindlichen Conch einen Ton herauszubringen, der erhält den ersten Drink übrigens aufs Haus.
Das Towne Hotel ist sicher in keinem Fall mit den großen, luxuriösen Hotels auf New Providence vergleichbar, hat aber seinen eigenen, sehr familiären Charme. Sogar Haustiere sind hier gerngesehene Gäste.
Für den Nachtisch stoppt die Tour bei den Chocolatiers von Graycliff. Das Graycliff Anwesen wurde 1740 vom Piraten Captain John Howard Graysmith erbaut und kann auf eine spannende Geschichte zurückblicken, deren Hoch-Zeit sicherlich in den 1920er Jahren lag, als das Haus einer Freundin Al Capones gehörte und Heimat der Schönen und Reichen wurde.
Nach einigen Jahrzehnten als Privatanwesen dient es seit 1973 wieder als Hotel und Restaurant. Hinzu kommen eine Zigarrenfabrik, ein kleines Heritage Village und eben jene Chocolaterie.
Und dort, wo Captain Graysmith einst seine Gefangenen versteckte, kann man heute einen der größten privaten Weinkeller der Welt finden. Über 250.000 Flaschen sind in den verschachtelten, kleinen Räumen zu finden, darunter ein Rüdesheimer Apostelwein von 1727. Leider ist das Fotografieren dort verboten, und so bleibt mir an dieser Stelle nur der Verweis auf ein kurzes Video, welches ich auf der Homepage des Hotels gefunden habe (Link).
Die Tru Bahamian Food Tour würde nun eigentlich noch drei weitere Punkte ansteuern, für mich allerdings geht es, vorbei am sehr hübschen National Art Museum, zu John Watling’s Distillery. Nicht weil ich bei den um die Mittagszeit herrschenden Temperaturen sonderlich Lust auf den sicherlich ganz vorzüglichen Rum hätte, nein.
Die Destillerie und die Mauer zu jener sind ein weiterer Drehort für ein James Bond Abenteuer. Im Film „Casino Royale“ von 2006 allerdings ist sie als Botschaftsgebäude in Madagaskar zu sehen, in welches Bond einen mutmaßlichen Bombenleger verfolgt.
Zurück nach Downtown Nassau und dort zur Bay Street, die wiederum in der Junkanoo-Karneval Szene aus Feuerball eine maßgebliche Rolle spielt. Hier locken heute Boutiquen, Juweliershops und Uhrengeschäfte Massen von in erster Linie Kreuzfahrt-Touristen mit steuerfreien „Schnäppchen“.
Spätestens wenn man das heutige Treiben zwischen Straw Market und Parliament Square dann mit den ebenfalls dort gedrehten Szenen aus „Sag niemals nie“ vergleicht (hier trifft Rowan Atkinson, alias Mr. Bean, auf Mr. Bond), merkt man, welchen enormen Einfluss die Kreuzfahrtindustrie doch auf die Insel hat. Auch einem echten Kreuzfahrtfan wie mir werden die Massen an diesem Tag in die Stadt strömender Passagiere dann irgendwann zu viel.
Abhilfe schafft da ein Ausflug nach Paradise Island. Auf die der Stadt Nassau vorgelagerte Insel gelangt man entweder per Auto über zwei große Brücken oder, landschaftlich schöner, mit der Fähre, die unweit des Cruise Terminals ablegt.
„What about a drink in my place?“ „Your place? Is it close?“ „Very.“ – sagt James Bond und schon nimmt die überaus hübsche Solange in „Casino Royale“ neben ihm im soeben beim Pokern gewonnen Aston Martin DB5 Platz. Die anschließende Fahrt geht einmal um die Auffahrt des Ocean Clubs herum und endet nur Sekunden später wieder vor dem Eingang des Hotels.
Der One&Only Ocean Club hatte im Herbst letzten Jahres gehörig mit den Auswirkungen von Hurricane Matthew zu kämpfen. Das Hotel musste daraufhin seine Pforten schließen, eröffnete erst wieder Mitte Februar diesen Jahres. Die Zeit dazwischen nutzte man für Umbauten und Renovierungen. Die Hotelauffahrt allerdings ist sofort wiederzuerkennen. Gleiches gilt für den Blick aus James Bonds Strandvilla gegenüber den wunderschönen Versailles-Gärten und – für die Bar.
Hier mixt mir der Barkeeper einen Martini nach dem Originalrezept des Films. „Three measures of Gordon’s, one of Vodka, half a measure of Kina Lillet – shake it over ice and add a thin slice of lemon peel“.
Und wie im Film, obgleich er den Drink dort erst im Casino von Montenegro für sich entdeckt, sieht er dann auch hier im One & Only Ocean Club aus. Der „Vesper“. Bonds Vorliebe für genau jenes Getränk kann ich schon nach dem ersten Schluck schlagartig nachvollziehen.
Die männlichen Gäste, so verrät man mir, würden bis zu fünf Vesper an einem Abend trinken, bei den Damen hingegen sei meist nach dem Zweiten Schluss. Ob ich noch einen möchte? Was für eine Frage! Auf der anderen Seite aber: Bonds Strandhaus ist derzeit wegen Renovierung geschlossen und so muss ich ja noch irgendwie in mein eigenes Hotel zurückkommen. Beim nächsten Mal dann.
Der Ocean Club liegt am Cabbage Beach, welcher – nicht zu unrecht – als einer der Schönsten der Bahamas gilt. An dessen anderem Ende wiederum liegt das Hotel Atlantis. Zu jenem geht es nun am Strand entlang und dem Sonnenuntergang entgegen. Was für eine traumhafte Szenerie!
Wenn, ja wenn da nicht der kurze Strandabschnitt des Riu Palace Hotels dazwischen läge. Denn was dort von weitem wie kleine funkelnde Diamanten im Sand zunächst durchaus hübsch ausschaut, entpuppt sich beim Näherkommen als hunderte Plastik-Strohhalme, Becher und sonstigem Unrat. „Widerlich. Einfach widerlich.“, wie James Bond es ausdrücken würde.
Ein paar Meter weiter allerdings ist der Spuk dann auch schon wieder vorbei. Ich bin am Beginn des riesigen Atlantis Resorts und entdecke einen Kanal mit einer großen, alten und verwitterten Betonmauer. Das kennst du! Das ist doch – exakt! Eine ikonische Kulisse aus Feuerball. Genial!
Nur ein paar hundert Meter weiter beginnt übrigens noch ein weiterer Drehort aus jenem Bond Abenteuer: Paradise Beach, heute Teil des Atlantis Resort. Für mich aber geht es nun zurück ins Hotel.
Noch Hunger? Immer! Aber wohin? Durch die Food Tour kenne ich nun ja schon die ein oder andere Lokalität und klar, allein schon bedingt durch die überwiegend US-amerikanische Kreuzfahrtklientel hat auch jede bekannte Fast-Food Kette hier ihre Filialen. Doch wer es lieber mal so richtig urig mag, der muss zum Arawak Cay.
Um dorthin zu gelangen, läuft man vom British Colonial Hilton etwa 15 Minuten die West Bay Street entlang – oder nimmt ein Jitney. So heißen die Kleinbusse, die auf festgelegten Routen die Insel entlang fahren und genau dort halten, wo man als Fahrgast gerade hinmöchte. Für 1,25 Dollar sicherlich die günstigste Fortbewegungsart auf New Providence.
Arawak Cay, oder Fish Fry, wie die Einheimischen sagen, grenzt an den öffentlichen Junkanoo Beach. Entstanden ist beides aus Aufschüttungen in Folge der Hafenvertiefung Ende der 60er Jahre. In den vielen bunten Holzbauten findet man das vielleicht authentischste Nassau. Hier gehen die Einheimischen Essen, begehen ihren Feierabend.
Lokale wie Goldies’s Conch House, Eddies Fish Fry, Bruno’s Sea Food & Steak Bar oder Frankie Gone Bananas servieren authentische, regionale Gerichte, zu denen in erster Linie natürlich wieder Conch und Fisch, aber auch Dinge wie etwa ein (extra scharfer) Chicken-Burger gehören. Dazu ein Kalik, das äußerst leckere einheimische Bier, und der Tag findet seinen perfekten Ausklang.
Am nächsten Morgen geht es für mich dann leider auch schon wieder zurück zum Flughafen. Auf der Suche war ich nach dem Nassau aus meinen Lieblingsfilmen, das Nassau von James Bond. Gefunden habe ich bei meinem Aufenthalt viel mehr als das. Kreuzfahrt-Tourismus mit all seinem Trubel, wunderschön ruhige, authentische Plätze nur ein paar Gassen weiter. Einzigartige Hotels, von Luxus bis einfach aber familiär, eine Menge toller Locations, dazu die immer wieder überwältigende Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Bahamians.
Mein Trip nach Nassau ist vorbei, doch die Reise, die geht weiter. Auf die Abacos. Mehr dazu im zweiten Teil.
Diese Reise wurde unterstützt vom Fremdenverkehrsamt der Bahamas www.bahamas.de und dem Segelanbieter The Moorings www.moorings.de. Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2017
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