Vor drei Jahren war es soweit. Vor mir stand mein neues Auto. Ein Roadster. Zu heftiger Freude gesellte sich alsbald allerdings ein Problem. Wo fährt man mit so einem Auto eigentlich am besten? Klar, die ein oder andere Strecke hier in Rheingau und Taunus ist mir natürlich von diversen Ausfahrten geläufig, doch da muss es doch noch mehr geben. Hier und vor allem – woanders. Aber wo sind sie, die besten Strecken für so ein Auto?
Ähnliches muss wohl auch den Verantwortlichen der Autovermietung Avis durch den Kopf gegangen sein. Denn dort sucht man jetzt ganz offiziell „die beste Straße der Welt“. Und weil man sich dabei nicht auf subjektive Eindrücke verlassen will, hat man sich drei Experten ins Boot geholt.
Hermann Tilke dürfte den meisten Formel 1 Fans ein Begriff sein. Er designte unter anderem die Grand Prix Strecken von Shanghai, Bahrain und Malaysia und auch der wunderschöne Yas Marina Circuit in Abu Dhabi entstammt seiner Feder.
Was er für Rennstrecken, ist John Wardley für Achterbahnen. Viele spektakuläre Rollercoaster tragen seine Handschrift, unter ihnen auch der im letzten Jahr eröffnete „Flug der Dämonen“ im Heidepark Soltau.
Zusammen mit Dr. Mark Hadley, einem Quantenphysiker der University of Warwick, entwickelten sie eine Formel für den optimalen Fahrspaß: die Avis Driving Ratio.
Um es kurz zu fassen, sie haben das Autofahren in vier Phasen unterteilt: Kurven, Beschleunigung, Fahren, Bremsen. Und sie kamen auf ein optimales Verhältnis zwischen Kurven und Geraden, das, neben einer eindrucksvollen Landschaft, die Beste Straße der Welt ausmacht. Ihr Ergebnis lautet 10:1. Sprich auf 10 Sekunden auf einer Geraden kommt eine Sekunde in einer Kurve.
Erhöht sich das Verhältnis, nimmt also der Anteil an Geraden zu, so ist die Strecke entspannter, kann aber auch entsprechend langweiliger werden. Verringert sich das Verhältnis, erhöht sich die Herausforderung, eventuell aber auch der Stress.
Leuchtet soweit ein. Doch wie fühlt sich die optimale Straße in der Realität an? Wer das wissen will, der sollte sich nach Portugal begeben und dort die N-222 von Pesoda Régua nach Pinhão befahren. Mit einem Verhältnis von 11:1 kommt sie von derzeit 25 getesteten Strecken weltweit dem Optimum am nächsten, ist somit die beste Straße der Welt.
Auf Platz 2 liegt der legendäre Highway Nr. 1 von Castroville nach Big Sur in Kalifornien. Hier liegt das Verhältnis bei 8,5:1.
Also auf zum Testen. Nach Portugal. Oder nach Kalifornien. Ooooooder – nach Böblingen. Denn zufälligerweise gibt es genau hier in der Nähe ebenfalls eine Strecke, die auf ein Verhältnis von 8,5:1 kommt.
Residenzschloss Bad Urach
Das ist zwar etwas schade für mein Meilenkonto, andererseits könnte das Wetter in Portugal oder Kalifornien auch nicht besser sein als an diesem Donnerstag in Baden-Württemberg. Und spätestens das nagelneue Porsche Carrera 4 GTS Cabriolet, welches hier auf mich wartet, lässt den Wunsch nach fremden Gefilden augenblicklich komplett vergessen.
Schwarz. Schwarz, wie es schwärzer kaum geht, steht der GTS vor der Motorworld in Böblingen. Schwarzer Lack, schwarzes Leder, schwarze Schriftzüge, schwarze Felgen, ja sogar schwarze Auspuffrohre. Allein Bremssättel, Drehzahlmesser und Nähte an Sitzen, Gurten und Armaturenbrett sind in Knallrot gehalten.
Nie im Leben käme es mir in den Sinn, ein Auto in solcher Optik zu bestellen. Zu „böse“, zu „laut“ wirkt diese Kombination auf mich.
Eigentlich also ganz und gar nicht meins und trotzdem, oder vielleicht genau deshalb, macht mich das Ding hier aber mal so richtig an!
Ist das nicht auch irgendwie gerade einer der Vorteile von – solchen – Mietwagen? Einfach mal etwas Ungewöhnliches ausprobieren, was man sich im normalen Leben eben nicht erlauben würde? Mal einen Tag oder ein Wochenende Spaß haben, ohne gleich eine ‚Langzeitbeziehung‘ eingehen zu müssen?
Also, damit wir uns nicht missverstehen, ich spreche hier schon noch vom Auto. Und dieses ist nagelneu. Keine hundert Kilometer hat der GTS auf dem Tacho, die Stempel der Erstzulassung sind quasi noch druckfrisch. Und diesen Elfer darf ich jetzt bewegen. Auf der, vielleicht nicht besten Straße der Welt, aber einer, die dieser vom Mathematischen her sehr nahe kommt. Ich bin gespannt.
Alcantara und Kontrastnähte im Innenraum
Zentralverschluss an den schwarzen 20″ Turbo S Felgen
Ihren Anfang nimmt die Strecke am Residenzschloss in Bad Urach, endet dann, gut 72 Kilometer später, auf der Burg Hohenzollern.
Kloster Bebenhausen
Auf dem Weg zum Startpunkt der Route führt mich ein kleiner Abstecher zunächst nach Bebenhausen.
Deckengewölbe des Sommerreflektoriums
Das einstige Zisterzienserkloster, welches im 19. Jahrhundert als Schloss diente, wurde nach dem 2. Weltkrieg als Landtag des Landes Württemberg-Hohenzollern genutzt.
Der Kreuzgang
Auch Bad Urach diente einst als Regierungssitz, allerdings bereits im 15. Jahrhundert. Aus dieser Zeit stammen die Bauten des Residenzschlosses, das noch heute zu besichtigen ist.
Hier speiste einst der Herzog von Württemberg
Goldener Saal
Besonders imposant sind hier der Goldene Saal und die Prunkschlittensammlung.
Prunkschlitten damals…
Prunkschlitten, wenn das mal keine gute Überleitung ist. Denn natürlich: auch wenn so ein wenig Kultur am Rande nicht schaden kann, steht draußen vor der Türe ein Bolide mit 430 PS, darf der Ausflug in die Bildung auch gerne ein wenig kürzer ausfallen. Außerdem wartet nun ja endlich Sie auf mich: die Beste Straße. Mathematisch.
… und heute
Aus Bad Urach heraus geht es kurz ein Stück nach Links die B465 entlang, dann sofort rechts ab auf die L249. Ein steiler Anstieg, Kurven, vor mir ein weiterer GTS, hinter mir ein C63 Erprobungsfahrzeug von Mercedes-AMG.
Man merkt, der könnte eigentlich noch viel schneller, aber man muss ja erst mal ein Gefühl für sein Fahrzeug bekommen. Das geht ziemlich schnell, denn mit dem Fahrwerk des GTS und dem Allradantrieb scheint wirklich ALLES möglich. Grenzen der Physik? Morgen dann wieder.
Um mit gnadenlos abgedroschenen Metaphern zu sprechen: er klebt auf der Straße, er fährt wie auf Schienen. Selten war das zutreffender als hier. Es ist echt unglaublich – was dieses Auto mit sich machen lässt, lässt mich grinsen und mit dem Kopf schütteln zugleich.
3,8 Liter 6-Zylinder Boxer im Heck, 430 PS, 440 Nm, 301 km/h Spitze, 4,2 Sekunden von 0 auf 100, 2,7 Sekunden für den Spurt von 80 auf 120. Gerade die Zahl ist hier auf der Landstraße besonders wichtig. Stichwort Überholen. Mit diesem Auto und seinem genialen PDK Getriebe wirklich kein Problem. Auf diese Art haben der vorausfahrende GTS und ich den Verfolger denn auch nach wenigen Minuten abgehängt.
Oder dieser ist einfach abgebogen, weil er keine Lust mehr auf das lahme Gegurke vor ihm hatte. Man weiß es nicht.
Sirchingen, Upfingen, Lonsingen, Gächingen, in den kleinen Ortschaften heißt es Aufpassen. Denn Radarfallen erstanden die Landgrafen hier seinerzeit wohl im Sonderangebot.
Warnung vor Geschwindigkeitskontrollen – nicht nur hier in Bebenhausen
Von der L249 geht es rechts ab auf die L230. Dort warten noch mehr lange Geraden. Und Kurven. Wunderbare, langgezogene und gut überschaubare Kurven mit so gut wie keinem Verkehr. Links und rechts rauscht die blühende Frühlingslandschaft vorbei, der Blick nach oben: blauer Himmel, Sonnenschein. Natürlich fahre ich offen. Was denn sonst?
10:1 – mit jedem Kilometer wird mir mehr klar: an der Formel muss was dran sein. Denn auf dieser Strecke zu fahren macht einfach nur unglaublichen Spaß. Die Beschleunigung des Porsche 911 Carrera 4 GTS im Sport Plus Modus ist berauschend, der Sound des Klappenauspuffs großes Kino.
Dank vieler langer Geraden ist ein Überholen gefahrlos möglich, keinerlei Notwendigkeit für eventuell riskante Manöver. Die Kurven und Kehren sind genau richtig dosiert, um den Fahrspaß nicht in zu große Arbeit ausarten zu lassen.
Irgendwann kommt die Burg Hohenzollern in Sicht und ich ertappe mich bei dem Gedanken, die Strecke am liebsten gleich noch einmal abfahren zu wollen.
Doch es wartet noch ein weiteres Highlight. Wo Besucher normalerweise nur vom unterhalb der Burg gelegenen Parkplatz mit einem Kleinbus hinauf gefahren werden, dürfen die 911 GTS heute weiter. Den Berg hinauf, in die Burg, bis hoch zum Burghof!
Ein wahrlich einmaliges Erlebnis. Der Sound dieser Autos erschüttert die Tunnels der Burg, Passanten sind zwischen Empörung und Begeisterung hin und her gerissen, meist überwiegt aber das letztere.
Nach einem zünftigen Hohenzollernteller und einer Burgführung (die Kultur wieder) geht es zurück nach Böblingen. Über die A81. Unbegrenzt. Für ein Auto wie dieses dann ja irgendwie auch eine Art „beste Straße“.
Mein Fazit: #AvisBestRoad – unter diesem Hashtag läuft die neue Kampagne zur Suche nach der besten Straße der Welt. Die Avis Driving Ratio, jenes optimale Verhältnis zwischen Geraden und Kurven von 10:1, wird sicherlich jeder subjektiv ein wenig anders empfinden, ich habe sie jedoch als ziemlich perfekt erlebt.
Insgesamt 25 Strecken aus der gesamten Welt findet man derzeit auf der Homepage. In einem Wettbewerb gibt es eine Reise zur Besten von ihnen, der N-222 in Portugal zu gewinnen.
Burg Hohenzollern
Avis aber hat die Chance, aus diesem Projekt mehr zu machen, als nur ein kurzfristiges Gewinnspiel. Mit etwas Hingabe könnte hier eine weltweite Datenbank schöner Strecken entstehen, getestet von Usern für User. Somit bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass man das Projekt nicht bloß als reine Marketingmaßnahme ansieht.
Wer die Strecke von Bad Urach nach Hohenzollern einmal nachfahren will, dem habe ich die Route auf Google Maps verlinkt. Diese entstand aus meinem Gedächtnis, ich hoffe daher, sie ist so korrekt.
Den Porsche 911 übrigens kann man als Cabriolet oder Coupé in der Avis Prestige Flotte mieten. Und auf Grund des derzeitigen Fuhrparkbestandes stehen die Chancen gar nicht so schlecht, dass dann statt eines „normalen“ 991 ein Carrera 4 GTS wartet.
Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2015
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