Kritisch begutachtet ein junger Mann den breiten Philipp Plein Ledergürtel mit tiefschwarz beschichteter Batman Schnalle. „No Fake! No Fake! All Original!“ wirft ihm die Verkäuferin mit charmantem italienischen Unterton entgegen. „Made for a special customer“. Ich muss schmunzeln.

Die Uhrenbörse in München. Einst war sie Pflichttermin bei jedem Besuch in der bayerischen Landeshauptstadt. Ein bisschen stöbern, Uhren schauen, und mit irgendwas Neuem nach Hause gehen. Wenn schon mit keiner Uhr, dann wenigstens mit ein paar alten Lünetteninlays um 30 Euro, oder einem Natoband.

Lange sind meine Besuche her. Sehr lange. Heute habe ich es dann endlich mal wieder gewagt. Keine zwei Minuten in der großen Multifunktionshalle in Unterschleißheim und diese prickelnde Mischung aus Faszination und Abscheu setzt auch diesmal wieder ein.

Armbanduhren, diese fragilen, wunderschönen Gebilde, gebaut von Meisterhand, mit viel Liebe. Ein Begleiter durchs Leben. Wertvoll. Besonders. Einzigartig. So oder so ähnlich suggeriert es das Marketing nahezu jeden Herstellers und ist man bei den Manufakturen vor Ort, erlebt man, dass dies nicht nur hohles Geschwätz ist, sondern vielmals wirklich gelebtes Versprechen.

Willkommen im Paralleluniversum

Auf jenen rund anderthalbtausend Quadratmetern Uhrenbörse im Ballhausforum allerdings, begibt man sich in eine andere Welt. Nein, andere Welt, das trifft es nicht so recht. Im Grunde ist es nichts anderes als ein Paralleluniversum. Hier verkommen die feinen Zeitmesser zur bloßen Handelsware. Voller Verachtung scheinen sie in die ein oder andere Vitrine geschmissen worden zu sein. Hier verwischen Relationen, und das ganz schnell.

Geschätzte 80 Zentimeter breit ist eine Standardvitrine. Grob zusammengerechnet beherbergt sie Werte zwischen 50.000 und einer Millionen Euro. Jede Vitrine! Und Vitrinen, von denen gibt es verdammt viele.

Während ich dem Gedanken, was hier wohl an Werten versammelt ist, nachhänge, steht SIE vor mir. Ihren Namen habe ich bereits vergessen, ihr charmantes Lächeln hingegen keineswegs. Was ich denn hier machen würde, was ich suchen würde, fragt sie mich. Wo ich her käme, und ob sie mir etwas zeigen dürfe.

Versteckte Kamera – oder was?

Halt! Moment! Echt jetzt? Bin ich noch auf der Uhrenbörse? Oder was ist das hier grad? Investigativer Journalismus, das ist ja bekanntlich immer genau mein Ding. Also lasse ich mich kurzerhand auf ihr Angebot ein. Es wäre gleich da drüben, sagt sie mir und erzählt, dass sie übernächstes Wochenende nach Wien käme, ihre Freundin zu besuchen. Zufall? Oder wo ist die versteckte Kamera?

Unser Ausflug endet auf der anderen Seite der Halle. Hier hat ein russischer Händler seinen Stand aufgebaut. Schöne Uhren, ich solle doch mal schauen, was mir so gefällt, sie hätten noch viel mehr. Dann entschwindet sie auch schon, mit ihrer Kollegin die nächsten potenziellen Kunden abfangen. Ich schaue mir die Auslage an, also die der russischen Händleruhren. Jede Menge Ulysse Nardin, Jacob & Co. etc. Eine einzige Rolex, eine Datejust am Lederband. Nicht unbedingt das, was ich suche.

Was suche ich? Eigentlich nichts. Umso interessanter ist das Schauen. Auf der Börse liegt alles, was rar, gesucht und teuer ist. Die aufgerufenen Preise, einfach unglaublich. Zumindest, wenn man, wie ich, schon lange keine echte Börsenerfahrung mehr hatte.

5711, 15202, 116500 – you name it!

Patek Philippe Nautilus 5711, 5712, 5980 finden sich hier ebenso alle paar Meter wie die AP Royal Oak Ultra Thin 15202ST. Hier und da entdeckt man eine Richard Mille, Omega Speedmaster sind ebenso Massenware wie Rolex Hulk oder Batman. Erstaunlich selten: die neue Pepsi GMT. Zumindest in Relation zur aktuellen 116500 LN Stahl-Daytona.

Jeder Händler, der etwas auf sich hält, hat zumindest ein Exemplar des doch ach so gesuchten Cosmographen in der Auslage, meistens aber finden sich eher zwei bis sechs davon. Dicht gedrängt. Eine Farce, denke ich mir beim Begutachten des immergleichen Neuwarenportfolios der anwesenden Sekundärmarkthändler. Wenn jemand ein Gefühl für die vermeintliche Blase bekommen will, in der wir uns derzeit befinden, er sollte hier ein wenig durch die Gänge schlendern.

Wohltuend da schon die ein oder andere wirklich schöne Vintageuhr mit oder ohne Krone auf dem Zifferblatt. Hier hat es deutlich mehr gute Stücke als ich dies erwartete und einige von ihnen wechseln in die Hände stolzer Foren-Member.

Bekannte Gesichter – das eigentliche Highlight

Jene sind auch diesmal für mich wieder der Hauptgrund, ein bisschen länger zu verweilen. Die „üblichen Verdächtigen“ nach teils langer Zeit wiederzusehen macht Spaß und versetzt einen zurück in die alten Börsenzeiten, als ich noch selbst am Jagen und Sammeln war.

Heute indes verlasse ich die Börse, ohne einen Kauf getätigt zu haben. Dafür mit einer Erkenntnis. Die Lünetten, die ich damals für 30 bis später auch mal 50 Euro gekauft habe, sie werden heute für 2.000 bis 6.000 Euro angeboten. Vielleicht sollte ich doch mal wieder einen Blick in die Schubladen werfen. Und auf der nächsten Börse mein Habe gegen eine der „begehrten“ Neuuhren eintauschen.

Oder gegen einen Philipp Plein Gürtel mit großer, schwarzer Batman Schließe. Nach diesem habe ich eben gegoogelt. Gefunden habe ich ihn nicht. Verkauft wurde er trotzdem. War ja schließlich original. Wer würde daran schon zweifeln?

Fotos: © PCS 2019

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