Das italienische – insbesondere das neapolitanische – Schneiderhandwerk gilt als die höchste Qualitätsstufe. Ungefütterte Schulterpartien, perfekt taillierte Schnitte, garniert mit handgemachten Knopflöchern, sind die Aushängeschilder der in Rede stehenden Handwerkszunft.

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Die Reihenfolge, wie Sie sich den Traum eines Maßteils verwirklichen können entscheiden Sie allein. Beginnen Sie mit der Festlegung des Schnittes oder doch lieber mit der Stoffauswahl?

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Zu den verfügbaren Stoffen gehören neben den vermeintlichen Basics wie Schur- und Mohairwolle auch verschiedenste Cashmere-/Seidegemische, diverse Super100´s-Qualitäten, Guanaco-Cashmere und als Krönung der sagenumwobene Stoff „Vicuña“.

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Heute möchte ich Sie allerdings nicht mit Informationen über die weitestgehend bekannteren Stoffqualitäten „langweilen“. Beleuchten wir daher nachfolgend die bereits erwähnte Königin der Fellfasern: Vicuña.

Das Vicuna-Lama, beheimatet in den Hochgebirgen in Ecuador, Peru, Bolivien und Argentinien, stellt von der Fellqualität eine Ausnahmeerscheinung dar. Die einzelnen Fellfasern sind ca. 100x feiner als handelsübliches Cashmere. Dementsprechend mehr Vicuña wird für ein Kleidungsstück benötigt: im Schnitt das 5-6-fache an Rohmaterial.

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In der Textilindustrie werden bevorzugt die peruanischen Vicuñas verwendet, da diese ein besonders filzfreies Fell vorweisen. Die Tiere werden jedoch nicht geschoren, sondern es werden lediglich die Bart- bzw. Brusthaare ausgekämmt. Hier ist besondere Vorsicht geboten, denn die unter Artenschutz stehenden Tiere können leicht an einer Lungenentzündung erkranken, wenn sie ihrer isolierenden Fellschicht entledigt werden. 

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Ein ausgewachsenes Vicuña kann etwa alle 24 Monate gekämmt werden und pro Tier fallen etwa 150g verwertbares Material an. Aufgrund dieser extremen Knappheit und der Tatsache, das nur die kompetentesten Stoffwebereien überhaupt in der Lage sind, die feinen Fasern zu spinnen, ist dieser Stoff extrem begehrt. Wer das Glück hatte, in seinem Leben einmal über eine Vicuña -Webprobe streicheln zu dürfen, wird Cashmere fortan höchstwahrscheinlich nur noch als ‚kratzende Wolle‘ klassifizieren. 

Doch genug der Theorie. Wie folgt könnte Ihr Sakko aus 100% Vicuña aussehen. Dabei ist selbstverständlich Ihr persönlicher Geschmack ausschlaggebend, ob Sie einen klassischen Kreidestreifen bevorzugen, oder es farblich ausgefallener mögen.

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Die handgemachten Stitchings und Knopflöcher als Gütesiegel der neapolitanischen Schneider erwähnte ich bereits eingangs, nachfolgend die Demonstration am lebenden Objekt.

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Wenn Sie jetzt bereits einen Kaufwunsch verspüren sollten – eine Kleinigkeit habe ich bisher nicht erwähnt: den Preis für diesen Gipfel der Stoffqualität. Der ist nämlich nicht ganz ohne. So spiegelt ein Anzug aus Vicuna in etwa den Gegenwert eines (gut ausgestatteten) Kleinwagens wider, respektive den einer Patek Philippe Nautilus oder einer halben Platin Rolex Daytona.

Dass Sie Qualität fürs Leben erwerben und von nun an einem äußerst erlesenen, fast schon familiären Kreis von absoluten Connaisseuren angehören, das jedoch gibt es gratis dazu.

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Fotos: © Glenn Möller, Möller & Möller, etsy.com, Sheri Amsel / exploringnature.org
Text: © Glenn Möller

 

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