Wie sehen die führenden Köpfe der Uhrenbranche eigentlich die Zukunft der gesamten Industrie während und nach Corona. Und welche Konsequenzen  ziehen sie aus der derzeitigen Lage? Wir fragten nach. Bei den CEOs der Manufakturen, aber auch bei anderen wichtigen Playern der Branche. Nach Georges Kern von Breitling (sein Interview findet sich hier) steht uns heute Stefan Muser vom Mannheimer Auktionshaus Dr. Crott Rede und Antwort.

Covid-19 hat die gesamte Welt gehörig durcheinander gewirbelt. Davon blieb natürlich auch die Uhrenindustrie nicht vollends verschont. Wie sehen Sie die aktuelle Situation im Allgemeinen und spezifisch für diese Branche?

Die Situation im Allgemeinen ist selbstverständlich alles andere als zufriedenstellend. Man muss kein Hellseher sein, um einen starken Anstieg der Arbeitslosenzahlen sowie einen Zusammenbruch vieler Firmen vorherzusagen. Ich denke die Uhrenindustrie wird davon nicht verschont bleiben. Wir erleben gerade den nahezu vollständigen Ausfall des Chinesischen Marktes sowie Hongkongs. Die rückläufigen Umsatzzahlen mit den asiatischen Märkten sind erschreckend. Und gerade diese Märkte wurden in den letzten Jahren massivst bevorzugt, auf Kosten der traditionellen europäischen sowie nordamerikanischen Absatzmärkte. Als kleiner Lichtblick ist zu beobachten das gerade die USA sowie Europa ein leichtes Plus in den Absatzzahlen zeigen.

USA und Europa als kleiner Lichtblick

Im Zuge der Krise haben wir das (wahrscheinliche) Ende der Baselworld gesehen, 2021 werden nahezu alle großen Uhrenmarken zusammen in Genf ausstellen. Wie beobachten Sie diese Entwicklung?

Die Entwicklung geht grundsätzlich in die richtige Richtung. Die nicht kundenfreundliche Trennung in Genf und Basel hat mir persönlich nie gefallen. Über die Frage, warum das so gekommen ist, gibt es verschiedenste Antworten bzw. Interpretationen. Ob nun Basel oder Genf der „richtigere“ Standort ist wird sich zeigen. Unter Umständen brauchen wir aber in Zukunft keine kostenintensiven Großveranstaltungen mehr, weil sich dazu heute interessante Alternativen bieten. Wir sehen seit einiger Zeit und insbesondere im Moment eine Verlagerung in das Online-Geschäft, die an Dynamik immer schneller zunimmt. 

Wie genau betrifft die aktuelle Situation den Auktionsmarkt generell? Welche Änderungen / Anpassungen mussten bzw. müssen Sie hinsichtlich ihrer eigenen Auktionen noch einleiten? Wird die Krise den Wandel der Auktionen weg von Präsenzveranstaltungen, hin zu Online noch weiter beschleunigen? Wo sehen Sie die Herausforderungen dabei?

Der Auktionsmarkt ist intakt. Ich beobachte in den letzten 6 Wochen eine gewisse Kreativität der klassischen Auktionshäuser, die Ware den potentiellen Kunden vorzustellen. Auch lässt sich beobachten, dass das Thema Haptik beim Einkauf eine immer kleinere Rolle spielt. Das sogenannte Einkaufserlebnis beim Konzessionär, Händler oder einer Auktion tritt bei jungen Kunden in den Hintergrund. Heute sind die technischen Möglichkeiten, Uhren Kunden online schmackhaft zu machen zahllos. Wer mit diesen Instrumenten umgehen kann, wird weiterhin im Geschäft bleiben.

Vintage Markt hat keinen Einbruch erlebt

Sie sind weltweit mit Uhrensammlern und -händlern hervorragend vernetzt. Was bedeutet Ihrer Meinung nach die aktuelle Situation für den Sekundärmarkt und hier im Speziellen für das Thema Vintage Uhren? Was sind Ihre eigenen Erfahrungen der letzten zwei Monate diesbezüglich?

Nach vielen Gesprächen mit Sammlern, Händlern und Kollegen in den letzten Wochen, lässt sich sagen, dass der Markt bisher keinen Einbruch erlebt hat. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gute Ware die gut präsentiert wird und fair ausgepreist ist auch schnell einen Liebhaber findet.  Dabei spielt es keine Rolle, ob wir von Vintage-Uhren oder Neuware reden. Für beides gibt es Sammler, Liebhaber und seit einigen Jahren auch Investoren.

Noch einmal zurück zur Uhrenbranche generell. In jeder Krise steckt ja auch irgendwo eine Chance. Inwieweit wird die Corona-Krise die Branche neugestalten? Was wird sich Ihrer Meinung nach nachhaltig ändern, in Bezug auf die Modellpolitik, die globale Ausrichtung und den Handel, online wie stationär? Was sollte die Branche jetzt für die Zukunft lernen?

Ob die Krise einen Einfluss auf die Modellpolitik hat, ist noch nicht vorherzusehen. Eine globale Ausrichtung des Handels ist wesentlich, eine Online-Präsenz unbedingt notwendig. Die Branche hat zum großen Teil schon Ihre Lektion gelernt. Ohne eine aktive und gepflegte Online-Präsenz wird man mittelfristig nicht überleben können. Sich darauf gezwungenermaßen jetzt einstellen zu müssen ist die eigentliche Chance der Branche. Darin sehe ich auch eine große Nachhaltigkeit, denn die Zeit lässt sich danach nicht mehr zurückdrehen.

Fotos: © Auktionen Dr. Crott

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