Starten wir unseren Rundgang bei Hublot. Dass die mehr können als einfach nur große Uhren bauen, wird einem exemplarisch an zwei Beispielen bewusst. Das Erste ist die MP-05 LaFerrari, die es nun auch in einer gelben Edition gibt. Sie ist die komplizierteste Uhr, die Hublot baut und mit 637 Komponenten auch die Uhr mit den meisten Einzelteilen. Elf in Reihe angeordnete Federhäuser bringen es auf eine Gangreserve von 50 Tagen!!
Die Uhrzeit wird auf den rechten Zylindern abgelesen, links befindet sich die Gangreserveanzeige und die Sekunden. Und weil das noch nicht reicht hat die Konzeptuhr, die im vergangenen Jahr bereits in einer roten Version vorgestellt wurde, auch noch einen Tourbillon mit einem Käfigdurchmesser von 14,5 Millimetern.
Nicht ganz so komplex ist die neue offizielle Uhr zur FIFA Fußballweltmeisterschaft Brasilien 2014. Sie kann mit der Funktion eines Bi-Retrograden Chronographen punkten. Das Uhrwerk, basierend auf dem Unico Manufakturkaliber, wurde bereits zum Patent angemeldet.
Immer wieder faszinierend sind die Uhren von HYT. Mit Hilfe von zwei Bälgen und einer farbigen Flüssigkeit wird hier die Zeit angezeigt. Wie genau das funktioniert, haben wir bereits in einem anderen Artikel erklärt. Hier zu sehen ist das Modell HYT H2, bei dem die Anordnung der Bälge an einen V-Motor erinnert.
HYT stellt, wie die meisten kleineren, dafür aber um so feineren Uhrenhersteller, im The Palace, einem Pavillon neben den Messehallen aus. Hier findet man auch Nord Zeitmaschine. Faszinierend ist die Variocurve V2 mit ihrer nierenförmigen Minutenanzeige und dezentraler Stunde. Daniel Nebels Versuch einer neuartigen Anzeige der Zeit basiert auf einem ETA 2824 und ist limitiert auf 97 Stück.
Das Konzept dieser Uhr von Biegert und Funk kennen wir bereits als Wanduhr. Die Qlocktwo W bringt die etwas andere Zeitanzeige nun auch ans Handgelenk.
Ein weiterer Ausnahmehersteller ist MB&F. In der Legacy Machine No1 steckt außergewöhnliche Technik in einem erstaunlich klassischen Gehäuse. Was wäre, wenn er hundert Jahre früher geboren wäre, überlegte Maximilian Büsser, und er die Inspirtaion seiner Uhren nicht von Star Wars und Jets, sondern von Taschenuhren hätte nehmen müssen? Die LM1 ist die Antwort.
Sie verfügt über zwei komplett unabhängig voneinander verstellbare Zifferblätter, die sich aber ein Uhrwerk teilen. Die Unruh schwebt über den Zifferblättern und die Gangreserveanzeige funktioniert vertikal.
Ein Klassiker unter den Ausnahmeuhren, der auch 13 Jahre nach seiner Präsentation nichts von seiner Faszination eingebüßt hat, ist der Freak von Ulysse Nardin, hier als Freak Cruiser. Der Freak kommt ohne gewöhnliches Zifferblatt, Zeiger oder Aufzugskrone aus. Stattdessen zeigt das Uhrwerk mit fliegendem Tourbillon und Teilen aus Silizium selbst die Zeit an, in dem es sich um sich selbst dreht.
Auf eine andere Art und Weise beeindruckend ist diese Uhr von Jacob&Co. Die Caviar Tourbillon ist mit 232 weißen Diamant-Baguettes besetzt, das Zifferblatt bringt es auf weitere 140 und – hier unsichtbar – noch einmal 36 finden sich auf der Schließe. Wow!
Auf noch etwas mehr bringt es diese spezielle J12 Tourbillon bei Chanel. Wert: 1 Million Euro.
Diamanten braucht das Classique Tourbillon extra-plat automatique von Breguet nicht. Die Uhr glänzt, neben ihrem Platingehäuse, durch Technik. Das Tourbillon ist dezentral montiert, das Hochleistungs-Federhaus mit Silizium-Spiralfeder bringt es auf 90 Stunden Gangreserve. Die Schwungmasse aus Platin wurde am Rand des nur 3 Millimeter flachen Kalibers platziert und ermöglicht so eine ultraflache Gehäusehöhe von nur 7 Millimetern. Damit ist die Referenz 5377 das flachste automatische Tourbillon der Welt.
In der Swatch Group kommt Jaquet Droz, was Komplikation und Fertigungskunst angeht, direkt hinter Breguet. Nur sechs Verkaufsstellen gibt es in Deutschland. Der Hauptabsatzmarkt der Marke ist Asien. Entsprechend gestaltet sind auch die Uhren selbst. Lässt man die unterschiedlichen Geschmäcker einmal aussen vor, kann man hier abtauchen in wirklich faszinierende Uhrmacher- und Handwerkskunst. Die Malereien auf den Emaillezifferblättern oder – wie hier – Gravuren, machen sprachlos. Wahrlich große Kunst!
Kein Graveur sondern ein Laser ist bei der Gestaltung dieses Zifferblatts der Omega Speedmaster Professional Apollo 11 45th Anniversary Limited Edition im Einsatz. Dieser trägt das Material des Zifferblatts rund um Schriftzüge, Zahlen und Indexe so ab, dass nur noch diese hervorstehen.
Wir bleiben bei Omega und widmen uns der Omega Speedmaster Lunar Dust. Die neue Schwester der Dark Side of the Moon hat neben einem Platin-beschichteten Zifferblatt ein Gehäuse aus grauer Keramik. Dafür wird das eigentlich aus weißer Keramik hergestellte Gehäuse in einem Plasmaverfahren durch und durch grau gefärbt.
Farbige Keramik ist generell ein großes Thema der Baselworld 2014. Omega hat es geschafft, orangene Keramik herzustellen. Da das Verfahren sehr aufwändig ist und bislang nur entsprechend geringe Stückzahlen produziert werden können, kommt diese zunächst nur in der auf 8 Exemplare limitierten Omega Seamaster Planet Ocean in Platin zum Einsatz.
Das Problem der Fertigung großer Stückzahlen könnte auch bei Rolex eine Rolle gespielt haben, nur die GMT-Master II aus Weißgold mit der Blau-Roten Pepsi Lünette auszurüsten. Neben der Schwierigkeit, rote Keramik herzustellen, gab es hier noch eine weitere Herausforderung. Die Lünette musste zweifarbig sein.
Herausforderungen, die bei der Herstellung der Rolex Sky-Dweller keine Rolle spielen. Der bereits 2012 vorgestellte Jahreskalender besticht durch das wohl robusteste und am einfachsten zu bedienende Uhrwerk, was man in dieser Art Uhren findet. Eben typisch Rolex. Unverständlich aber auch noch nach zwei Jahren, warum man gerade bei dieser Uhr auf eine Wochentagsanzeige verzichtet.
Im Falle der Platin Daytona 116576 TBR verzichtet man sogar auf die Tachymeterlünette. Ein Verlust, den der zukünftige Besitzer wohl verschmerzen wird. Denn er erhält dafür 36 meisterlich gefasste Diamant-Baguettes. Zusätzlich zu den 437 Diamanten auf dem Pavé-Zifferblatt. Der Verzicht auf den Einsatz weiterer Steine auf Hörnern oder Armband macht die Daytona fast schon zur Understatementkönigin in diesem Segment.
Platin geht natürlich auch komplett ohne Besatz. Wie beispielsweise bei der Glashütte Original Senator Chronograph Panoramadatum. Ihr Highlight ist das Zifferblatt, welches in einer besonderen Technik gefertigt wird. Erst werden die Ziffern und Zahlen, sowie Eisenbahn-Minuterie und Tachymeter-Skala in das Blatt eingraviert und anschließend von Hand mit Lack ausgelegt. Danach erfolgt, ebenfalls per Hand, eine Anreibeversilberung. Diese führt zu einer äußerst beeindruckenden, strahlenden Optik des Zifferblatts.
High-Tech statt Klassik, so sieht es bei TAG Heuer aus. Die Monaco V4, Konzeptuhr aus 2004, die 2009 zur Serienreife gebracht wurde, gibt es nun als Monaco V4 Tourbillon. High-Tech ist auch der Antriebsriemen. Er ist nur 0,07 Millimeter dünn.
Spacig geht es weiter. Romain Jerome. Diese Marke wurde bekannt durch ihre DNA Linie, in der sie Stahl aus der Titanic und anderes einbaute. Sieht man sich den Stand auf der Baselworld in diesem Jahr an und denkt zurück an die Anfänge vor 10 Jahren, ist man beeindruckt. RJ hat sich zu einer festen Instanz entwickelt.
Neu ist der Monn Orbiter mit 3-Dimensionalem Tourbillon, welches die Form des Raumschiffs Enterprise aufnimmt. Spannend ist auch die Konstruktion der Bandanstöße. Sie sind federnd gelagert und passen sich so auch schmäleren Handgelenken erstaunlich gut an. Die Moon Orbiter ist auf 25 Exemplare limitiert und kostet 106.500 Euro.
Im Vergleich dazu geradezu günstig ist die Spacecraft Black. Ebenfalls auf 25 Exemplare limitiert liegt ihr Preis bei 23.500 Euro. Inspiriert wurde das Design durch Darth Vader und dessen Helm. Auch wenn es nicht den Anschein hat, die Spacecraft Black ist eine mechanische Uhr mit automatischem Aufzug. Die Stundenanzeige erfolgt über eine retrograde, springende Anzeige im vorderen Fenster, während sich die Minuten auf der Oberseite ablesen lassen.
Typisch für bereits erwähntes DNA Konzept ist die Romain Jerome Eyjafjallajökull-DNA. Als Flugreisender mag man diesen Namen gar nicht in den Mund nehmen, erinnert er doch an ein Ereignis, welches im Frühsommer 2010 für ordentlich Wirbel gesorgt hat. Der Ausbruch des Isländischen Vulkans ließ den kompletten Flugverkehr in Europa zum Erliegen kommen.
An dieses Ereignis erinnert die Uhr, in der Gestein des Vulkans verbaut ist, auf charmante Weise. Die Zeiger sind als kleine Flugzeuge gestaltet, die rückseitige Gravur gibt Auskunft über die genauen Koordinaten des Übeltäters.
Dass ein eigenes Werk und Komplikationen nicht zwangsläufig teuer sein müssen, zeigt das Beispiel des Worldtimer von Frédérique Constant. Verbaut ist das Manufakturkaliber Fc-718 mit Zeigerdatum und Weltzeitfunktion. Spannende Technik und ansprechende Optik für deutlich unter 3.000 Euro. Es geht doch!
Wenn die Philosophie in die Uhrmacherei einzieht, dann sind wir bei Hermès. L’heure masquée heißt die Neuvorstellung zur Baselworld 2014 und lässt den Betrachter zunächst recht verzweifelt zurück. Nur ein Minutenzeiger bewegt sich da über das Zifferblatt. Mehr nicht. Was soll das? fragt man sich da unweigerlich.
Wer des Französischen mächtig ist, der kann sich die Antwort aus dem Namen der Uhr schon halbwegs ableiten. Der Stundenzeiger ist verdeckt. Er versteckt sich unter dem Minutenzeiger. Mit einem Druck auf die Krone kommt er augenblicklich zum Vorschein und nimmt seine korrekte Position ein. Lässt man den Drücker dann los, verschwindet die Stunde wieder.
Beim Druck auf die Krone passiert aber noch mehr. In einem mit GMT beschrifteten Fenster bei 6 Uhr erscheint auch gleich eine zweite Zeitzone. Diese kann mittels eines Drückers bei 9 Uhr individuell eingestellt werden.
Die Uhr ist mehr als eine Spielerei. Sie ist ein Statement. Sie entkoppelt den Träger von der Zeit, sie ist ein Ausstieg aus der Diktatur der Termine. Ein philosophischer Ansatz in Form einer Armbanduhr – eben irgendwie typisch Hermès.
Unsere Übersicht über die faszinierendsten Uhren der Baselworld 2014 beenden wir bei Girard-Perregaux. Hier haben wir die Ehre, Willy Schweizer kennen zu lernen. Conservateur du patrimoine steht auf seiner Visitenkarte. Er ist der Kurator der Manufaktur aus La Chaux-de-Fonds und arbeitet seit 1986 im Unternehmen. Er präsentiert uns, neben den „normalen“ Neuheiten zwei wirklich außergewöhnliche Stücke.
99270-52-000BA6A – dahinter verbirgt sich das Girard-Perregaux Neo-Tourbillon mit drei Brücken. Statt aus Gold bestehen die drei Brücken des Neo-Tourbillon aus Titan. Und wie Brücken über einen Fluss, steigen sie zur Mitte hin an. GP verbaut ein stark gewölbtes Glas welches durch den Verzicht auf eine Lünette auch den seitlichen Einblick auf die Konstruktion ermöglicht.
Das Tourbillon lässt sich auf 6 Uhr beobachten, an der 12 Uhr Position sitzt das Federhaus. Das neue Automatikkaliber hört auf den Namen GP09400-0001 und hat eine Gangreserve von 70 Stunden. Das 45-Millimeter Gehäuse aus Rotgold ist bis 3 ATM wasserdicht. Der Preis für dieses Stück moderner Interpretation traditioneller Uhrmacherkunst: 135.500 Euro.
Noch exklusiver ist der Girard-Perregaux Tri-Axial Tourbillon 99270-52-000-BA6A. Auf gerade einmal 10 Stück ist das 440.000 Euro teure Meisterstück limitiert. Das Drei-Achsen-Tourbillon sitzt unter einer hohen Glaskuppel und lässt sich ebenfalls durch den Saphirglasboden und ein Saphirglasfenster an der linken Gehäuseseite anschauen.
Wie es hier seine Runden in alle Richtungen dreht, ist gleichsam faszinierend wie beruhigend. Beobachtet man die Bewegungen, scheint die Zeit um einen herum augenblicklich still zu stehen, obgleich gerade diese Bewegung das beste Indiz darstellt, dass sie es nicht tut.
Auf gerade einmal 1,24 Gramm bringen es die 140 Teile des Tourbillonkäfigs. Und man merkt Willy an, dass er bei der Technik dieser Uhr komplett in seinem Element ist.
Er erzählt uns, das Girard-Perregaux auch für andere Hersteller entwickelt. Unter anderem für MB&F, die wir ja weiter oben schon kennen lernen konnten, oder für Urwerk. Auf diese Weise verfolgen die Uhrmacher auch neue, innovative Konzepte, die in die Linie von GP selbst, so vielleicht nicht hinein passen würden.
Für uns endet mit dem Besuch bei Girard-Perregaux eine erlebnisreiche Baselworld und Dank Willy hat sich die Aussage „Save the Best for Last“ einmal mehr bewahrheitet.
Fotos & Text: © PCS 2014
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