Ein Dienstag, mäßiges Wetter, eigentlich ein ganz normaler Wochentag. Ich mache mich auf in die Eifel für etwas, worauf ich mich seit Monaten freue: Ein BMW Fahrertraining auf der legendären Nordschleife. Nicht mit dem eigenen Auto, sondern dem jüngsten Spross der BMW M-Familie: dem M4. Wir sind an diesem Termin sogar die allerersten, die dieses Fahrertraining mit diesem Auto bestreiten dürfen.

Nordschlief-23

Die Wettervorhersage für die nächsten Tage sieht schlecht aus. Ich lasse mir nichts anmerken, schließlich ist das kein Beinbruch, es kann nicht immer die Sonne scheinen. Ausserdem, wer weiß schon wie das Wetter wirklich wird. Die Eifel ist ja bekannt dafür, dass das Wetter sich nicht an dem im Rest der Welt orientiert.

Das Training wird 2,5 Tage dauern. Ich komme um Punkt 17 Uhr im Lindner Hotel direkt an der Grand Prix Strecke an, wo ich diesen und die folgenden zwei Tage untergebracht bin. Eigentlich möchte ich zum einchecken direkt vor der Tür parken, dort stehen aber bereits mehrere M3 und M4 in allen möglichen Farben. Ich fahre wieder rückwärts aus der Einfahrt und direkt in die Tiefgarage.

Nordschlief-15

In der modernen, großen Lobby angekommen, werde ich von Siri (ja, unsere Hauptansprechpartnerin bei BMW heisst tatsächlich Siri) begrüßt, bekomme meinen ID-Umhänger und werde gebeten, mich anzumelden. Einführung ist um 19 Uhr, danach Abendessen.

Ich checke kurz ein und trete den Weg zum Zimmer an. Während ich aus dem Lift den langen Gang entlanggehe denke ich mir noch „super, ich bin wieder im entlegensten Winkel dieses Hotels untergebracht“ um kurz danach zu erkennen warum – ich habe aus meinem Zimmer freie Sicht auf den Parkplatz und damit 44 M4, 6 M6, sowie ein paar M135i.

Nordschlief-1

Ich sehe mich etwas im Zimmer um, das wohl tur Kategorie „Boxenstopp“ gehört. Zumindest steht das groß an der Wand. Das Zimmer ist wie das ganze Hotel sehr modern, offen und sauber. Lediglich ein unschöner Fleck auf der Bettdecke trübt den ersten Eindruck. Nachdem zwei Betten im Zimmer stehen, tausche ich einfach die Decke durch und belasse es dabei.

Nordschlief-2

Auf der Einführungsveranstaltung dann die erste Überraschung: ich bin unter 80+ Leuten einer von neun, die dieses Training hier zum ersten mal machen. Spitzenreiter ist eine Gruppe aus den USA, für die es hier das fünfzehnte mal ist.
Wir bekommen noch jeder ein BMW Driving Experience Cap und einen Kugelschreiber der uns als „experienced driver“ ausweist.

Es folgt eine Einführung in Fahrdynamik, Kurventechnik und Fahrzeugbedienung, danach geht es zum Abendessen. Dort lerne ich meine Gruppe für die folgenden zwei Tage kennen. Wir sind Gruppe 8 und erkennen uns an einem grünen Punkt auf der ID-Karte.

Hier die nächste Überraschung: jeder der Teilnehmer bekommt eine ICE-Watch geschenkt. Und zwar eine BMW Experience ICE-Watch. Die Uhr wird die nächsten Tage in ihrer Packung verbringen, aber ich finde sie cool :verneig:

Nordschlief-81

Das Essen am Buffet ist reichlich und sehr gut. Es gibt alles von Fleisch über Reis, Gemüse, kalte Vorspeisen, Antipasti bis hin zu Nachspeisentörtchen und Früchte/Fruchtsalat. Alles perfekt temperiert und wohlschmeckend, das Personal ist sehr aufmerksam und freundlich, ohne aufgesetzt zu wirken.

Nach ein bisschen Smalltalk mit den anderen Gruppenmitgliedern gehe ich Fußball schauen. Im Hotel wurde zwischenzeitlich umdekoriert. Es hängen „Blumenketten“ in schwarz/rot/gold über den Loungestühlen und Fanschminke liegt auf den Tischen bereit. Die Damen am Empfang machen es vor, die Gäste nach.

Tag 2

Es regnet. Heftig. Na gut, Regen ist ja nicht so schlimm, ist ja nun auch nicht so, dass wir hier totale Anfänger auf der härtesten Rennstrecke der Welt mit einem hochperformanten Auto auf Sportreifen wären. Oder – doch?

Aufgeregt gehe ich zum Frühstück und esse mich durchs Buffet. An Verpflegung und Getränken soll es die ganze Zeit nicht mangeln. Weder hier, noch an der Strecke.

Von dort geht es direkt zu den Fahrzeugen. Mein Partner ist Phil, wir verstehen uns auf Anhieb gut. Unser Arbeitsplatz wird Auto Nummer 31 sein. Beim Einsteigen riecht es nach neuem Auto und nassem Hund. Der Hund bin wohl ich.

Nordschlief-55

Die Fahrzeuge sind alles gut ausgestattete M4 in Austin Gelb metallic (das bei der Vorstellung des M4 noch Aurum Dust hieß). Carbondach, Lederausstattung, Kameras rundum, LED Scheinwerfer.

Nordschlief-9

Nordschlief-56

Nordschlief-91

Lediglich die Keramikbremse fehlt – in der Ausstattungsliste. Mir selbst fehlt sie kein einziges mal. Dafür sind Sportbremsbeläge verbaut, die bei jeder Bremsung quietschen, als würde man irgendwelche Nager quälen. Die Stahlbremse packt herrlich dosierbar fest zu und die Bremsleistung lässt selbst auf der Nordschleife kein einziges mal merklich nach.

Als Krönung hat jedes Fahrzeug HUD (Head Up Display) – neben dem Doppelkupplungsgetriebe mit den Schaltpaddeln die perfekte Ausstattung für die Rennstrecke. Man hat die wichtigsten Dinge wie Gang, Drehzahl, Shiftlights und Geschwindigkeit immer im Sichtfeld, ohne die Augen von der Strecke nehmen zu müssen.

Nordschlief-53

Die Ergonomie im Cockpit des M4 ist gewohnt BMW-typisch perfekt. Lediglich die Einbauhöhe des Fahrersitzes ist im Vergleich zum Beifahrersitz etwas hoch. Ich kann nicht sagen ob das an der elektrischen Einstellung liegt, denn diese hätte der Beifahrersitz eigentlich auch.

Nach einer kurzen Einweisung und der eindringlichen Bitte, nicht in den M-Dynamic-Modus (Trockensetup) zu wechseln, sondern im „Safe-Modus“ mit allen elektronischen Hilfen zu bleiben, fahren wir direkt auf die Strecke für eine langsame komplette Runde, um ein Gefühl für das Auto zu bekommen und zu sehen was wir uns da eingebrockt haben.

Nordschlief-3

Wir werden heute und morgen jeweils verschiedene Sektionen anschauen und befahren. Immer so, dass jeder der Fahrer einmal jede Sektion an jeder Position in der Fünfergruppe gefahren ist. Am zweiten Fahrtag dann werden wir komplette geführte Runden fahren.

Wir halten öfter in den Sektionen, um uns bestimmte Kurven oder Abschnitte anzuschauen. Dabei merken wir, dass sich vermeintlich recht ebene Stücke plötzlich als riesig steile Berge oder überhöhte Kurven entpuppen.

Nach der ersten Besichtigungsrunde machen wir auf der Döttinger Höhe ein paar Übungen wie bremsen, Slalom, beschleunigen, um ein weiteres Gefühl zu bekommen.

An der Einfahrt zur Grand Prix Strecke dann werden wir durch das alte Fahrerlager umgeleitet. Warum, stellt sich schnell heraus: der erste Teilnehmer hat gleich zu Beginn gleich mal einen M6 zerschossen. An einer Stelle, die weder sonderlich schnell, noch schwierig ist und auch noch an der Innenseite des Kurvenausgangs. Und Alles zu Beginn der Aufwärmrunden. Da ist jemand wohl keine 3 km gekommen. Das ist der Punkt, an dem wir alle mal so gehörig Respekt bekommen. Keiner will derjenige sein, der den allerersten M4 auf dem Fahrertraining zerschießt.

Es ist wirklich tricky. Wir haben permanent Regeleingriffe, vor allem von der Traktionskontrolle und das nimmt einem die Leistung sehr stark. Das weckt meinen Ehrgeiz, so wenig wie möglich Regeleingriffe zu provozieren. Wir beobachten ein bisschen die Leistungsanzeige im M4. An dem Tag haben wir ganz selten mehr als 160 kW genutzt. Bei 320 kW endet die Skala.

Zu Beginn sind auch die Leitplanken noch sehr furchteinflössend. Teilweise nicht einmal 2m neben der Strecke, schieben sie sich wie eine Wand aus Damoklesschwertern ins Sichtfeld. Doch irgendwann vergisst man sie einfach.

Nordschlief-21

Das Vertrauen ins Auto steigt. Man merkt, dass da mehr geht als man glaubt, trotz über die Strecke laufendem Wasser und Gischt des Vordermanns. Das mit der Gischt ist auf den schnellen Passagen teilweise echt nervenaufreibend. 160 aufm Tacho, du siehst kein Auto mehr und wartest nur darauf, dass vor dir die Bremslichter angehen, um zu wissen, wo dein Vordermann jetzt ist.
Laut Anzeige im Fahrzeug kommen wir selten auf mehr als 20° C Reifentemperatur der extra für den M4 angefertigten Michelin Pilot Super Sport, die dennoch vergleichsweise super Grip aufbauen.

Den Rest des Tages befahren wir die Sektionen, es gibt Mittagessen, wir fahren weiter Sektionen; immer das gleiche, aber immer ein riesen Spass. Wir tasten uns mit jedem Sektionsdurchlauf an höhere Geschwindigkeiten heran.

Phil ist der beste Beifahrer, den ich bekommen konnte. Klar, wir verstehen uns gut, aber Phil versteht auch etwas von Fahrtechnik und als wir beiden merken dass der andere gute Tipps geben kann, beobachten wir uns gegenseitig und diskutieren, wo was besser gemacht werden könnte. Ich falle in der Gruppe öfter leicht zurück. Hauptsächlich deswegen, weil ich eher etwas langsamer fahre und dafür versuche, eine schöne Linie zu treffen. Ich mag meine Linie, Phil ist auch zufrieden.

Was mich schnell stört, ist dass das Getriebe in Manuell in der schnellsten Schaltstufe die Gänge richtig hart reinknallt. Dadurch verliert der M4 im Regen nach jedem Schaltvorgang kurz die Traktion, weil eine Zugunterbrechung da ist und das Auto sofort wieder hart auf Zug geht. Das wiederum ruft die Traktionskontrolle auf dem Plan und drosselt die Motorleistung.

Nordschlief-5

Phil stimmt mir zu, dass das etwas arg ist, selbst im trocknen. Hier hat man m.E. einen unnötig harten Schlag einprogrammiert, der dem Fahrer das „boah, geil!“-Feeling geben soll. Wir stellen auf die mittlere Schaltgeschwindigkeit und sind zufrieden, keine merkliche Schaltverzögerung, es kuppelt wunderbar firm, aber eben nicht unnötig hart ein. Wir verlieren nicht mehr die Traktion, die Systeme müssen nicht die Motorleistung drosseln. Läuft.

Ich liebe dieses Fahrzeug immer mehr. Die Lenkung ist messerscharf, man gewöhnt sich an den Leistungseinsatz und überhaupt fährt er sich einfach perfekt. Ich möchte hier mit keinem anderen Auto fahren.

Der Regen lässt nach, die Gerüchte mehren sich, dass wir morgen im trockenen fahren.

Tag 3

Ich sehe aus dem Fenster und eine Nebelwand drückt meine Stimmung leicht. Es ist immerhin schon besser als am Tag zuvor.

Auf dem Parkplatz der M6 entdecke ich eine dramatisch wirkende Lücke, die der Unfall vom Vortag hinterlassen hat. Ich fasse das als Warnung auf, es trotz des sich bessernden Wetters nicht zu übertreiben.

Nordschlief-16

Die Sonne blitzt kurz hervor und es verspricht ein guter Tag zu werden.

Nordschlief-17

Wir gehen wieder auf die Strecke für zwei weitere Sektionen. Es ist noch feucht aber an manchen Stellen lässt sich bereits abtrocknender Asphalt erkennen.

Nordschlief-54

Im Laufe des Vormittags wird es immer trockener – und wir werden immer schneller. Spass hat es immer schon gemacht, aber jetzt wird’s langsam richtig geil. Unser Instruktor Michael erlaubt uns in den M-Dynamic-Modus zu wechseln.

Ich trau mich nicht so wirklich. Wie gesagt: ich will nicht derjenige sein, der den allerersten M4 zerlegt. Meine Linie ist gut, aber die anderen sind einfach schneller, mir wird von der Traktionskontrolle immer wieder die Leistung genommen und ich verliere Boden.

Gut, irgendwann wechsle ich doch. Und das Auto ist wie ausgewechselt! Jetzt sind kleine Bewegungen im Fahrzeug möglich, ohne dass ich gleich eingebremst werde. Die Traktionskontrolle erlaubt mir ein bisschen Wheelspin und das nutze ich.

Nordschlief-24

Mein Spass steigt ins unermessliche. Die Sektionen sind durch, wir fahren jetzt Pacelaps ohne Beifahrer. Wir sind schnell. Richtig schnell. Nicht nur gefühlt schnell, sondern belegbar schnell. Wir überholen die Gruppe mit den M6 und eine andere M4 Gruppe. Ich bin beeindruckt. Vom Auto, von der Strecke, von den Mitfahrern. Wir sind eine gute Gruppe.

Und immer gibt einem das Auto dieses Gefühl von Sicherheit. Nicht diese falsche, eingebildete Sicherheit, sondern echte Sicherheit. Es lenkt phänomenal ein, der Grip ist lateral wie longitudinal atemberaubend und du spürst tolle Rückmeldungen „it just goes where you point it“. Ich lasse mich von einer Kurve zur anderen Treiben, ich bin im Flow, immer das Auto auf Zug halten, ich bin verliebt. In die Nordschleife und den M4.

Nicht falsch verstehen, ich hatte die ganze Zeit auch im Regen schon massiv Spass, aber an dem Punkt bin ich hin und weg.

Zurück „in der Box“ checke ich die Reifentemperatur.

Bei dieser Temperatur bauen die Reifen einen unwahrscheinlichen Grip auf. Beim anfassen kleben die Reifen richtig und spätestens jetzt wird einem klar, was Sportreifen von normalen Reifen unterscheidet.

Langsam kennt man den Teilnehmern die gemischten Gefühle an. Einerseits wird die Anstrengung mittlerweile sehr hoch, andererseits will keiner aufhören. Um 16.45 ist Schluss. Wir stellen die Fahrzeuge im alten Fahrerlager ab, unser aktive Rennfahrerkarriere ist zumindest für diese Woche vorbei.

Nordschlief-8

Jeder ist glücklich und begeistert. Lediglich ein Amerikaner schimpft darüber, dass der M4 „such a shitty car“ sei: „so much understeer“ – sorry, Kollege, von den Leuten die hier sauber gefahren sind teilt keiner deine Meinung. Der M4 ist ein perfekt ausbalanciertes Auto, die Lenkung gibt einem perfekte Rückmeldung und die Bremsen sind auch in der Stahlversion über jeden Zweifel erhaben.

Einen großen Beitrag zu diesem guten Handling leistet das elektronisch gesteuerte Differential mit einer fahrzustandsabhängig variablen Sperrwirkung von 0-100%.

Zusätzlich ist der Vorderbau des M4 mit verschiedenen Carbon- und Aluminiumstreben verstärkt und unterscheidet sich dort nennenswert vom „Serien-4er“.

Nordschlief-12

Die hier sichtbare Carbonstrebe geht über verschiedene Karosseriebefestigungspunkte bis zur A-Säule, wo sie auf eine Aluminiumquerstrebe trifft. Am Unterboden sind zusätzlich verschiedene Streben angebracht, die die Karosserieverwindung drastisch reduzieren.

Auch die Hinterachse des M4 ist insofern verändert, dass der Achsträger fest mit der Karosserie verschraubt ist. Durch das weglassen der Silentblöcke ist zwar der Abrollkomfort leicht gemindert, der M4 erhält dadurch aber eine beeindruckende Präzision.

Viele Leute bejammern die Abkehr vom Saugmotor und V8 im M3. Der aufgeladene Sechszylinder ist jedoch ein Gedicht. Mehr Drehmoment als der V8, er klingt sehr kernig und die Leistungsentfaltung ist bereits ab niedrigen Drehzahlen sehr linear. Lediglich aus dem Stand heraus dauert es ein klein bisschen bis sich der Ladedruck aufbaut, von da an merkt man das kaum mehr.

Nordschlief-13

Ich kann verstehen, dass die Leute jedes Jahr wieder kommen. Ich glaube, ich komme nächstes Jahr auch wieder.

Auf dem Heimweg nehme ich mir vor, nicht vom 120d enttäuscht zu sein oder überhaupt einen Vergleich anzustellen. Das ist ein super Auto, tolle Lenkung, super Bremsen, gute Leistung. Ich fahre aus der Tiefgarage auf den Kreisverkehr zu. Und fahre ganz woanders hin als ich will. Gut, ich muss dann vielleicht doch wieder weiter lenken als ich gewohnt bin. Komisches Gefühl. Vor dem nächsten Kreisverkehr dann die Überraschung: Das Auto bremst nicht! Ich muss drauftreten wie ein Ochse, ist etwa der Bremskraftverstärker kaputt?!

500 km später habe ich dann langsam das Gefühl, dass die Lenkung normal ist und die Bremsen eigentlich doch recht gut gehen.

Nordschlief-18

Wer dieses oder ähnliche Trainings ausprobieren möchte, findet Informationen dazu unter www.bmw-drivingexperience.com

Aber man muss schnell sein. Die diesjährigen M4 Termine auf der Nordschleife waren innerhalb weniger Tage ausgebucht. Lediglich ein paar Race Track Trainings in Mugello sind momentan noch verfügbar.

Nordschlief-4

Fotos & Text: © Joe Reiter

Kommentare