Ein Besuch in La Chaux-de-Fonds Mitte Februar ist für gewöhnlich vor allem eines: ungemütlich. Denn die Winter hier sind lang und hart. Kein besonders geeigneter Platz für ausgiebige Outdoor-Aktivitäten und mit ein Grund, warum sich die Einwohner des Vallée de Joux immer schon recht viel Zeit für andere Dinge nahmen. Das Entwickeln von Uhren zum Beispiel. Bei meinem Besuch in der auf rund 1.000 Metern gelegenen Ortschaft nördlich des Lac de Neuchâtel allerdings, herrscht schon fast frühlingshaftes Wetter. Von Schnee (fast) keine Spur mehr.
Ich bin in eingeladen in die Manufacture de Haute Horlogerie von Cartier. Wer beim Namen Cartier automatisch an Paris denkt, der ist natürlich nicht wirklich verkehrt, doch für die Uhren der eigenen Collection entstand hier in La Chaux-de-Fonds ein imposanter Neubau.
Manufakturbesichtigungen sind immer so eine Sache. Denn was dort im Gebäude so entsteht, das ist oftmals noch top secret. Entweder, man darf also überhaupt nicht fotografieren, oder man sieht nur die Dinge, die eh schon bekannt sind, am besten noch aus weiter Entfernung hinter einer Glaswand. Bei Cartier ist man, was das betrifft, vor Ort aber erstaunlich relaxed. Klar, alle Bilder müssen vor Veröffentlichung noch einmal gecheckt werden und auf so manchem ist, wie sich später herausstellt, dann doch etwas zu sehen, was nicht zu sehen sein dürfte, aber auch so bleibt genügend Material übrig für einen, wie ich meine, recht spannenden Rundgang. Und der beginnt – am Computer.
Denn jedes Teil, jede Konstruktion, jede Komplikation wird zunächst am Computer entwickelt, die Funktion simuliert. Hier beispielsweise ist es der Aufzugsmechanismus einer Astromystérieux.
Am Anfang jedes Designs allerdings, steht noch immer das Blatt Papier. Eine ganze Reihe von Entwürfen gibt es für den interessierten Besucher der Manufaktur zu sehen.
Um möglichst schnell prüfen zu können, wie sich ein bestimmtes Design dann live „anfühlt“, kommen in der Cartier Manufaktur 3D-Drucker zum Einsatz.
Mit ihnen ist es möglich, binnen kurzer Zeit 1:1 Uhrenmodelle zu fertigen.
Ja sogar ganze Bänder mit beweglichen Bandelementen sind auf diese Art schnell umgesetzt.
Erst dann geht es an den eigentlichen Prototypenbau. Hier zum Beispiel ein frühes Entwicklungsmodell der Cartier Ballon Bleu.
Testen, testen, testen. Ein Roboter simuliert Stöße auf ein neues Cartier Uhrenmodell, welches – jammerschade eigentlich – noch komplett verhüllt ist.
Äußerst schön: die großen Fensterflächen des Manufakturgebäudes lassen das Gefühl aufkommen, mitten in der Natur zu arbeiten.
Der Rundgang führt zur Fertigung der Bänder bzw. Bandelemente.
Das lange Stahlband ist aufgerollt, bevor es in die Stanzmaschine gelangt.
Und so kommen die Elemente, hier sind es Teile der Doppelfaltschließe, heraus. Ein wenig stumpf und noch recht scharfkantig.
Damit sich das ändert, kommen nun kleine Keramikkegel zum Einsatz. Sie „schleifen“ die scharfen Kanten ab.
Das funktioniert bei den Goldmodellen übrigens ganz ähnlich.
So schaut das doch gleich viel besser aus.
Nun wird jedes Teil noch einmal per Hand poliert. Et voilà.
Andere Bandglieder….
… die Schließen….
… und fertig ist ein Cartier Band.
Auch die Gehäuse werden bearbeitet.
Sieht doch schon ganz gut aus.
Aber: noch nicht gut genug.
Klar, denn auch hier wird natürlich an jedes einzelne Gehäuse noch einmal Hand angelegt.
Fertig.
Weiter geht’s auf meiner Tour de Manufacture.
Was fehlt denn noch zur fertigen Uhr? Zeiger zum Beispiel. Da hat Cartier ein ganzes Buch von verschiedenen Formen parat. Gebläut wird – natürlich – auch in Handarbeit.
Handarbeit ebenso bei den Gläsern. Kommt bei „normalen“ Glasformen Saphirglas zum Einsatz, werden die Gläser der spezieller geformten Uhren, man denke beispielsweise an die Cartier Crash, händisch aus Mineralglas hergestellt.
Und was ist mit den Uhrwerken? Die werden auch in La Chaux-de-Fonds gefertigt.
Hier darf man allerdings nur „hinter Glas“ zuschauen.
Interessant: die Bauanleitungen. Die gibt es für jedes Kaliber. Sie sind sehr detailliert und erinnern ein wenig an einen Lego Bausatz.
Im Atelier entstehen auch Komplikationen wie dieses Astrotourbillon.
Auf geht’s in die nächste Halle. Diesmal mit Kitteln. Gegen möglichen Staub.
Was passiert hier? Aus Uhrwerken, Gehäusen, Gläsern und Bändern wird die fertige Uhr.
Damit das alles perfekt funktioniert, gibt es für jedes Uhrenmodell auch gleich ein eigenes Werkzeug-Kit.
Das hier ist beispielsweise für die Calibre de Cartier Diver.
Vor dem Zusammenbau wird nochmal der Sitz der Zeiger ganz genau geprüft. Schaltet das Datum auch wirklich um Mitternacht? Die Technik hilft.
Kleines Vorher-Nachher Bild. Uhrwerke noch ohne und bereits mit gesetzten Zeigern.
Nach dem Einbau des Werks in das Gehäuse erfolgt der Wasserdichtigkeitstest. So schaut das Gerät dafür aus:
Die Diver Modelle kommen in eine noch etwas „potentere“ Druckkammer.
Die Ganggenauigkeit wird anschließend in einem Uhrenbeweger getestet. Der hat in einer solch großen Manufaktur freilich ein ganz anderes Kaliber als daheim.
Bei den Chronographen erfolgt noch einmal ein spezieller Funktionstest.
Wenn alle Tests bestanden sind, geht es für die Uhren dann letztlich auf den Weg zum Konzessionär. Hier warten ein paar Ballon Bleu Modelle auf die Reise zu ihren neuen stolzen Besitzern.
Und hier sind es einige Modelle der Santos Reihe.
Damit ist mein Rundgang durch die Manufaktur von Cartier in La-Chaux-de-Fonds auch schon am Ende angelangt. Doch mein Besuch bei Cartier geht noch weiter. Im Gebäude nebenan gibt es nämlich noch mehr zu sehen. Die Cartier Maison des Métiers d’Art. Mehr dazu – demnächst hier auf luxify.
Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2016
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