Der Weg hinüber zur Antarktis führt geradewegs zur Drake Passage. In der Meeresstraße zwischen Kap Hoorn und der antarktischen Halbinsel treffen atlantischer, pazifischer und südlicher Ozean aufeinander.
Drake Passage? Eher Drake Lake!
Es gibt wohl nur wenige Orte auf diesem Planeten, an denen das Meer so oft so rau, die Luft so stürmisch ist, wie hier. Doch wir haben Glück! Die See zeigt sich diesmal von ihrer besten Seite: nur leichter Wellengang, dazu fast schon traumhaftes Wetter. Eigentlich – schwer zu glauben.
Ushuaia war der letzte festgelegte Hafen vor den Falkland Inseln gegen Ende der Reise. Dazwischen liegen zehn Tage ohne fixierte Programmpunkte. Wohin es in jenen zehn Tagen geht, was die Passagiere zu sehen bekommen, das liegt ganz im Ermessen des Kapitäns. Eine Freiheit, die heutzutage in der komplett durchorganisierten Kreuzfahrtwelt alles andere als alltäglich ist.
Große Freiheit für den Captain
Entsprechend genießt Joost Eldering auch sein Kommando auf der Seabourn Quest. Für die Antarktis-Touren hat er einen erfahrenen Eisbrecher-Kapitän als Unterstützung auf der Brücke. Gemeinsam mit dem Expeditionsteam werden laufend aktuelle Satellitenbilder und die Wettervorhersagen ausgewertet um so das bestmögliche Erlebnis für die Passagiere zu gewährleisten.
Wohin es am kommenden Tag geht, was man dort zu sehen bekommt und worauf zu achten ist, das erfahren diese am jeweils vorabendlichen „Recap&Briefing“. Auf dieser Tour wird uns unser Weg nach Half Moon Island, Deception Island, Cuverville Island, Paradise Bay, Neko Harbour und zur Palmer Station führen.
In der Antarktis dürfen nie mehr als 100 Passagiere an Land
Da auf Grund der Bestimmungen nicht mehr als 100 Besucher gleichzeitig an Land sein dürfen, werden die Passagiere für die Anlandungen in insgesamt fünf Gruppen eingeteilt. Meist ab 8 Uhr morgens darf dann alle anderthalb Stunden eine andere Gruppe an Land.
Wer wann an der Reihe ist, das wechselt täglich. Sowohl was das frühe Aufstehen als auch die Wettersituation angeht, kann man daher mal Glück oder auch mal Pech haben. Das ist oftmals ein wenig schade, auf Grund der Größe des Schiffes bzw. der Anzahl an Passagieren aber nicht anders machbar.
Zodiac- und Kajak-Touren
Sowohl Zodiac-Touren als auch Anlandungen sind bei den Antarktis Kreuzfahrten im Reisepreis enthalten. Wer noch näher dran sein will an der Natur, dem stehen Kajak-Touren für jeweils 295 USD zur Verfügung
Wie wird er wohl sein, der erste Blick auf, der erste Eindruck von der Antarktis? Diese Frage stellte ich mir in den vorangegangenen Wochen immer wieder. Unendlich viele Fotos kannte ich, massig Videos jener Reisen hatte ich mir im Internet angesehen.
Half Moon Island – der erste Kontakt
Wirklich dort zu sein, in Half Moon Island dann schließlich das erste Mal auf jene Landschaft zu blicken, die den Eindruck vermittelt, auf einem anderen Planeten gelandet zu sein, ist dann aber doch noch deutlich überwältigender, als es die eigene Vorstellungskraft zuvor hergegeben hatte.
Das Problem dabei: kein Foto vermag das majestätische Blau jener riesigen Eisberge, kein Video diese unendliche Ruhe, durchbrochen nur vom plötzlichen Donnerhall eines kalbenden Gletscher zu vermitteln. Die Schönheit dieses Teils unseres Planeten in Worte zu fassen erscheint praktisch unmöglich.
Unbeschreibliche Schönheit Antarktis
Eine Schönheit, die trotz der äußeren Gegebenheiten, Wasser, Felsen, Schnee, Eis und noch mehr Eis, unwahrscheinlich vielseitig, einzigartig, besonders ist.
Deception Island ist dabei die vielleicht am meisten beeindruckende Station unserer „Antarctic Experience“. Bereits bei einsetzender Dunkelheit erreichen wir den Kratersee der noch immer aktiven Vulkaninsel. Die grellen Suchscheinwerfer des Schiffes beleuchten den immer bedrohlicher wirkenden Schneesturm.
Deception Island – die Vulkaninsel
Links und rechts des weißen Schiffsrumpfes ragen die steilen Felswände der Caldera zum Greifen nah aus dem Wasser heraus. „Neptuns Blasebalg“ wird die Einfahrt genannt. An jener Bezeichnung besteht zumindest heute kein Zweifel.
Die Nacht windgeschützt in der Bucht vor Whalers Bay verbracht, eröffnet sich am nächsten Morgen ein gar außer-irdisch anmutendes Bild. Der frisch gefallene Schnee hat das schwarze Lavagestein der Insel in eine fein-silbern glänzende Landschaft verwandelt. Bronzefarben strahlen die Überbleibsel der alten Wahlfangstation, deren Trankocherei und die riesigen Tanks hervor.
Das Wetter als tückische Gefahr der Antarktis
Doch beim am Vormittag vorherrschenden Sonnenschein schmilzt der Schnee auch recht schnell wieder davon. Das Wetter hier in der Antarktis ist tückisch und eine der größten Gefahren. Eben noch sonnig und (vergleichsweise) warm, kann zwanzig Minuten später bereits ein Schneesturm die Gesichtszüge einfrieren lassen.
So verging auch keine der vorangegangenen vier Expeditionsreisen ohne, dass mindestens ein Programmpunkt kurzfristig abgesagt werden musste. Auf unserer Tour aber ist uns der Wettergott wohlgesonnen. Jeden Tag können wir eine neue Bucht anlaufen. Dabei wechseln sich Landgänge mit reinen Zodiac-Touren ab, auf denen man die Flora und Fauna von dicht über der Wasseroberfläche aus hautnah erleben kann.
Cuverville Island – Wale finden Schiffe ziemlich spannend
So wird aus dieser Reise ein Erlebnis, von deren Eindrücken so ziemlich jeder Passagier an Bord wahrscheinlich bis an sein Lebensende wird zehren können. Unvergesslich etwa wie sich das Schiff vor Cuverville Island bis auf nur wenige Meter einem Eisberg nähert. Wie eine Gruppe Buckelwale beim Verlassen der Bucht plötzlich und unvermittelt neben dem Schiff auftaucht, wie Massen von Pinguinen in der Ferne über das spiegelglatte Wasser springen.
Ein paar Tage lang darf ich Teil dieser Natur sein. Darf all jene Erlebnisse, jene bewegenden Gefühle miterleben. Mehr als nur eine Situation ist darunter, die selbst den gestandenen und weitgereisten Gästen das ein oder andere Mal Tränen in die Augen treibt.
Nachdenkliches in Paradise Bay
Und auch, wenn es vielleicht nicht einer gewissen Bigotterie entbehrt, dies von Bord eines Schiffes zu schreiben, für dessen Erreichen man zweimal um die halbe Welt fliegen muss: wer dies alles einmal erlebt, wird zweifellos ein anderes Verhältnis zu unserem Planeten bekommen – und dazu, wie man mit diesem umzugehen hat.
In einem der ersten Briefings hieß es, man möge, bei all den Fotos und Videos, die man auf so einer Reise machen werde, nicht vergessen, sich auch mal die Zeit zunehmen um sich einfach nur hinzusetzen und die Umgebung auf sich wirken zu lassen.
Neko Harbour – der Pinguin Kindergarten
Bei meinem letzten Landgang in Neko Harbour erinnere ich mich an diese Worte. Spät, doch nicht zu spät. Rund eine Stunde sitze ich dort am Strand, schaue den jungen Eselspinguinen zu, die einander nachlaufen, erste Schwimmversuche unternehmen und zwischendurch immer wieder neugierig die Besucher in ihren orangenen Jacken begutachten. Unter lautem Tosen löst sich in der Ferne derweil ein Stück vom riesigen Gletscher. Ein weiterer, einzigartiger Moment dieser Kreuzfahrt.
Beim Verlassen von Palmer Station, und somit Abschied von der Antarktischen Halbinsel, sitze ich dann noch ein letztes Mal auf meinem Balkon, den Blick gerichtet auf diese einmalige Landschaft. Es herrscht Stille, lediglich durchbrochen vom Knistern schmelzenden Eises.
Antarktis – das ewige Eis und die Zukunft
Dies ist zu dieser Jahreszeit ebenso normal wie das Kalben der Gletscher. Und dennoch stellt sich unweigerlich die Frage, wie es mit dem „ewigen“ Eis des südlichsten Kontinents wohl in Zukunft weiter geht.
Abschied von der Antarktis, das bedeutet auch noch einmal Drake Passage. Diese gibt sich diesmal nicht ganz so charmant wie auf dem Hinweg. Es schaukelt ordentlich und zeitweise bin ich der einzige Gast in der großen Observation Lounge oberhalb der Kommandobrücke, von welcher man den besten Blick auf das unendlich erscheinende Meer hat.
Falkland Islands – noch einmal Pinguine schauen
Auf den Falkland Inseln geht es noch ein letztes Mal auf Tour zu den Pinguinen. Diese leben hier in direkter Nachbarschaft zu Schafen und Galloway Rindern. Zwischen grünen Wiesen und dem großen feinen Sandstrand sind es nur wenige Meter. Irgendwie, denke ich mir, haben es die Pinguine hier mit ihrer Wahl deutlich angenehmer getroffen als ihre Verwandten in der Antarktis.
Auf dem anschließenden Weg nach Montevideo liegen noch einmal zwei Seetage vor uns. Die Hauptstadt Uruguays ist das letzte Zwischenziel unserer Reise – und ein kleiner Kulturschock. Zwar leben hier mit 1,3 Mio. Einwohnern vergleichsweise wenig Menschen, dennoch, spätestens wenn man die im Hafenbecken verrottenden Schiffe sieht, den Umgang mit der Natur, ergreift einen eine ziemliche Wut.
Zurück in der Zivilisation kommt Wut auf
Das von der Einwohnerzahl gut zehnmal so große Buenos Aires ist tags drauf dann die Enddestination unserer Reise. Einer Reise, an die ich noch lange zurückdenken werde. Einer unglaublichen Reise.
Der lange Rückflug ist ideal zum Sortieren der gemachten Bilder. Etliche tausend sind es geworden. Bei ihrem Anblick dann quält mich diese eine Frage: was kann das jetzt noch toppen? Was soll danach noch kommen?
Einmal im Leben. Nur einmal?
Einmal im Leben müsse man das gemacht haben, hatten sie gesagt. Mein Fazit nach drei Wochen: sie hatten unrecht. Denn wenn eines für mich feststeht, dann, dass ich noch mindestens ein zweites Mal dorthin muss.
Informationen
Die Seabourn Quest bietet auch in der kommenden Saison wieder fünf ihrer „Ultimate Antarctica & Patagonia“ Reisen an. Die Saison startet dabei am 19. Dezember 2019 und endet am 15. März 2020. Die Preise beginnen aktuell bei 10.498 Euro pro Person in einer Ocean View oder Veranda Suite. Mehr Informationen gibt es auf seabourn.com.
Das ausführliche Schiffstagebuch als Livebericht zur Reise lässt sich in unserem Forum nachlesen. Der direkte Link zum 21-seitigen Thread: KLICK!
Hinweis zur Transparenz
Der Bericht entstand auf Einladung von Seabourn Cruises. Eine redaktionelle Einflussnahme auf diesen Artikel fand nicht statt.
Fotos: © PCS 2019
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