Wie viele Einwohner Turkus wohl Deutsch sprechen? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Einige Worte allerdings, da bin ich mir sicher, wird in der finnischen Stadt sicherlich jeder kennen. „Wohlfühlen“ etwa. Oder „Erlebnisse“. „Gastfreundschaft“ und „Herzlichkeit“ wahrscheinlich auch. Warum gerade die? Weil sie überdimensional groß am Rumpf der Mein Schiff 4 zu lesen sind.
Mein Schiff 4 im Hafen von Stockholm
Zwei Neubauten hat die inzwischen zum Meyer Konzern gehörende Werft bereits an TUI Cruises abgeliefert, vier weitere werden folgen, in jedem Jahr eines.
Alle Informationen auf einen Blick – die Brücke der Mein Schiff 4
Wenn Schiff Nummer sieben und acht in Fahrt kommen, und die dann etwas in die Jahre gekommenen Mein Schiff 1 und 2 ablösen, wird TUI Cruises für die wohl jüngste Flotte weltweit stehen. Doch was macht „Mein Schiff“ so erfolgreich? Und kann eine Reise auf Mein Schiff 4 all das halten, was die auf den Rumpf der Schiffe gemalten Begriffe versprechen? Schau’n mer mal, um es mit dem Kaiser zu sagen.
Erlebnisse
Meine Reise startet in Kiel. Acht Tage soll sie dauern, Helsinki, St. Petersburg, Tallinn und Stockholm stehen auf dem Programm. Spannende Erlebnisse sind da ja quasi schon vorprogrammiert. Auf den Landausflügen etwa, die hier bei TUI Cruises äußerst fair bepreist sind.
In meinem Fall zum Beispiel der in St. Petersburg, bei dem der dortige Tourguide so kurzweilig und amüsant durch den fast zehnstündigen Ausflug führt, dass es eine wahre Wonne ist.
Erlebnisse aber auch an Bord. Mit 2720 Passagieren statt der bei Doppelbelegung üblichen 2506 ist das Schiff über-voll, wirkt aber nicht überfüllt. Ein Plätzchen ist eigentlich immer zu bekommen, selbst bei Seetag und schlechtem Wetter. Erlebnisse mit Passagieren sind natürlich auch so an der Tagesordnung, meist äußerst nette Erlebnisse, denn die Stimmung an Bord ist einfach gut.
Mein schönstes Erlebnis, um das an dieser Stelle gleich vorweg zu nehmen: die Ausfahrt aus Stockholm, durch die Schären bei langsam untergehender Sonne. Mehr geht nicht.
Staunen
Aus dem Staunen komme ich nicht mehr heraus, betrete ich meine Kabine. Es ist eine Balkonkabine auf Deck 10. Siebzehn Quadratmeter ist sie groß, optimal gestaltet, hinzu kommt noch ein relativ großer Balkon. Was mich ins Staunen versetzt? Es gibt keine Rettungswesten mehr. Diese werden nun direkt an den Sammelstationen vorgehalten.
Balkonkabine Kat. A
Der Weg dorthin führt mich bei der Seenotrettungsübung an einer ziemlichen Engstelle vorbei. Passagiere stauen sich und auch wenn ich überzeugt davon bin, dass dieses Rettungs-Konzept hier wohldurchdacht ist, empfinde ich die Übung selbst diesmal als zu chaotisch, um mir hier den Ernstfall vorstellen zu wollen.
O RLY?
Staunen, das wird wohl jeder, der an der Waterkant Bar vorbei kommt. Dort wartet ein Modell der Mein Schiff 4 im Maßstab 1:30. Gigantische zehn Meter ist es lang und wiegt etwa eine Tonne! Hier kann man als „einfacher“ Passagier einen Eindruck erhalten, was in den Bereichen des Schiffes vor sich geht, zu denen man keinen Zutritt hat. Knapp 6.000 Arbeitsstunden verschlang das Modell, jede einzelne davon ist es Wert! Sicherlich das Highlight an Bord, zumindest für Shiplovers wie mich.
Großes Staunen auch oben am Pooldeck. Ganze 25 Meter misst der Außenpool der Mein Schiff 4. Das dürfte selbst Franziska van Almsick, der Taufpatin des Schiffes, zum Training genügen. Für schlechtes Wetter schließt sich, ähnlich wie bei Celebrity Reflection & Co., noch ein recht großer, gläserner Innenpool-Bereich an.
Gläserner Innenpool
Außenpool bei Nacht
Ruhe
Noch etwas versetzt mich ins Staunen, passt aber dann doch besser zum Punkt Ruhe. Denn dieses Schiff ist so unglaublich ruhig dass man sich permanent selbst in Erinnerung rufen muss, auf dem Meer unterwegs zu sein. Selbst bei starkem Wind ist nämlich nur ein ganz leichtes Schwanken wahrnehmbar. Wenn überhaupt. Meistens nicht einmal das. So etwas habe ich noch nie erlebt. Selbst An- und Ablegemanöver, erstere normalerweise ein Garant in punkto natürlicher Wecker, sind einfach nicht wahrnehmbar.
Blick von der Brücke auf das ruhig liegende Schiff
Abgesehen von einer – recht früh endenden – Pool-Party überwiegt auch ansonsten die Ruhe an Bord. Wer feiern will, der besucht abends die Schau-Bar (tendenziell eher für die älteren Semester) oder die Abtanz-Bar (für die Jüngeren, vorausgesetzt, der DJ legt etwas einfühlsamer auf als auf meiner Reise).
Abtanz-Bar
Ruhe, das bedeutet aber auch dass wer auf Animation, exzessives Feiern, Brauhaus- und Helene-Fischer-Partys steht, an Bord von Mein Schiff vielleicht nicht ganz so gut aufgehoben ist.
Die weißen Nächte von St. Petersburg – Pool-Party auf Mein Schiff 4
Fernweh
Fernweh stellt sich bei mir regelmäßig bereits beim Anblick eines Kreuzfahrtschiffes ein. Doch nur wenige der großen Mega-Liner schauen so gut aus wie die Mein Schiff 4. Einfach ein schönes Schiff, innen wie außen. Ihr dunkelblauer Rumpf, der große Bug, die zurückversetzten, strahlend weißen Aufbauten, der große Diamant am Heck – dieser Neubau ist einfach kein Vergleich zu den älteren TUI Schiffen.
Und spätestens oben am X-Sonnendeck (Zugang ab Junior-Suite), packt das Fernweh dann selbst die größte Landratte. Blickt man von hier aus auf die Weiten des Meeres, möchte man nur noch immer weiter fahren, immer neue Länder entdecken.
Konzentration auf der Brücke
Herzlichkeit
Ist man eine Woche oder länger auf einem Schiff, ein zugegebenermaßen nicht ganz billiges Vergnügen, so wünscht man sich auch optimale Betreuung. Dazu gehört auch die Herzlichkeit der Crew. Diese ist in weiten Teilen wirklich großartig, hilfsbereit, zuvorkommend.
Kapitän und Offiziere der Mein Schiff 4
Manchmal allerdings bekommt man als Passagier Dinge zu hören, die einen leicht verwundert zurück lassen. Einige (wenige) Crewmitglieder sollten sich gerade diesen an die Bordwand geschriebenen Begriff vielleicht noch ein wenig genauer anschauen.
Da schauste! Erdmännchen der Cracking Art Group
Extrem herzlich hingegen: der Empfang seitens Todd Burgman, dem Kapitän der Mein Schiff 4. Geboren in Omaha, Nebraska – und damit ziemlich weit weg vom nächsten Ozean – kommandierte er neben Passagier- Expeditions- und Containerschiffen auch schon die Mega-Yachten einiger Prominenter.
Captain Todd Burgman
Genuss
Was verbindet man fast automatisch mit einer Kreuzfahrt? Essen. Mein Schiff 4 bietet ein großes Hauptrestaurant. Wobei, streng genommen findet man im Hauptrestaurant sogar gleich drei Restaurants.
Der Kronleuchter des Restaurant Atlantik geht über drei Decks und besteht aus 70.000 Metallplättchen
„Kleines“ Käsebuffet im Restaurant Atlantik Klassik
Klassische Menüs gibt es im Atlantik Klassik, französisch angehaucht kommt das Atlantik Brassserie daher, im Atlantik Mediterran ist der Name ebenfalls Programm.
Wunderschön: Marmortisch im Atlantik Mediterran
Alle drei Restaurants bieten Speisen in hoher Qualität, wunderschön angerichtet und optimal auf sämtliche Allergien und Unverträglichkeiten ausgerichtet. Für mich eindeutig die besten Restaurants auf den Weltmeeren, zumindest in diesem Kreuzfahrtsegment.
Atlantik Brasserie
Etwas anders allerdings sieht es im Buffetrestaurant, dem Anckelmannsplatz aus. Die Präsentation der Speisen wirkt hier ein wenig lieblos, die Auswahl enttäuscht. Buffet, das können andere besser zelebrieren.
Mongolisches Buffet im Restaurant Anckelmannsplatz
Gut hingegen: das mongolische Buffet. Hier stellt man sich sein Gericht selbst zusammen. Auch das Angebot bei Gosch Sylt kann überzeugen, ebenso die wirklich tollen Backwaren in der Backstube. Das Artisan-Brot ist wohl das beste Brot, welches ich jemals auf hoher See gegessen habe.
Artisan-Brot, frisch aus der Backstube. Noch ein bisschen Butter und etwas Salz dazu – mehr nicht.
Rund um die Uhr essen kann man im Tag & Nacht. Pizza, Currywurst, Schnitzel & Co. sind oft die letzte Rettung, wenn die anderen Restaurants gerade geschlossen sind. Burger gibt es übrigens auch an Bord, im Außenalster Bar & Grill. Und da schau‘ her, die sind auch gar nicht mal schlecht.
Bewacht die Küche des Surf & Turf
Fischliebhaber finden im aufpreispflichtigen Servierbereich des Gosch Sylt diverse Spezialitäten.
Auch drei komplett aufpreispflichtige Restaurants sind an Bord. Neben Richards – Feines Essen und dem Surf & Turf Steakhouse (jetzt auch mit Außenbereich und -grills) gibt es mit dem Hanami auch japanische Küche.
Dry-Aged oder Wagyu? Hier hat man die Qual der Wahl
Shabu-Shabu nennt sich das dort am Tisch zubereitete asiatische Fondue. Ein großer Spaß, wenngleich ich persönlich das wirklich hervorragende Sushi diesem jederzeit vorziehen würde.
Sushi-Theke des Hanami
Wohlfühlen
Ein schwieriges Thema. Oder doch eher ein Leichtes? Denn im Grunde fühle ich mich ja auf jedem Schiff ausgesprochen wohl. Wohlfühlen, das fängt in der Kabine an und geht in den öffentlichen Räumen weiter. All jenen ist auf der Mein Schiff 4 gemein, dass sie äußerst harmonisch gestaltet sind. Grelle Farben, Plüsch, Gold wird man hier vergeblich suchen.
Den Architekten von CM-Design um Ralf Claussen ist es zusammen mit Wilson Butler Architects, Tillberg, Tihany und dSign gelungen, das Schiff in keiner Weise langweilig wirken zu lassen. Überall gibt es etwas zu entdecken, immer wieder, auch noch nach einer Woche an Bord.
Poolside – Fotografien von Slim Aarons aus den 50er bis 70er Jahren
Etwa die extrem coolen „Poolside“ Fotografien von Slim Aarons im vorderen Treppenhaus oder die vielen anderen Kunstwerke an Bord, wie die Holzskulpturen von Jonas Kötz oder die Erdmännchen und der Pinguin des Designkollektivs Cracking Art Group.
Wohlfühlen ist auch in meiner Kabine Programm. Und das geht bei ihrer Nummer los. TUI Cruises meinte es bei der Buchung extrem gut mit mir, respektive meinem Gedächtnis. Kabine 10101 – das bekommt man auch nach einer noch so durchzechten Nacht in der Abtanzbar fehlerfrei hin. Moment – was denken die denn nur von mir? Egal.
Kabine 10101 ist eine Balkonkabine der Kategorie A, und ich fühle mich hier sofort wohl und irgendwie daheim. Das liegt an den auch hier sehr angenehmen Farben, aber auch an Details wie den vielen unterschiedlichen Kissen oder den kleinen und großen Bildchen. „Homing“ nennt TUI-Cruises denn auch dieses Konzept. Passender kann man das kaum umschreiben.
Für die erste Tasse Kaffee am Morgen steht eine Nespresso Maschine bereit, eine Kapsel pro Tag und Person ist inklusive. Auf eine Minibar wurde allerdings verzichtet. Eine Maßnahme, die täglich 0,33t Kraftstoff einspart, vom Kühlmittel ganz zu schweigen. Getränke kann man nun aber direkt von der Kabine aus bestellen (kostenpflichtig).
Holzmännchen von Jonas Kötz
Auch fühle ich mich wohl, weil ich merke, dass sich jemand beim Entwurf meiner Kabine Gedanken gemacht hat. Vier freie Steckdosen etwa, davon eine in Bettnähe, sind auch heutzutage noch alles andere als selbstverständlich. Der Platz in Schubladen und Schränken ist mehr als ausreichend, einzig der Zimmersafe hätte etwas größer ausfallen können.
Waterkant-Bar mit Modell der Mein Schiff 4
Riesig hingegen: der Flatscreen von LG, sowie die dortige Programmauswahl. Das Einschalten dauert zwar einen Moment, die Bedienung aber ist sehr leicht verständlich.
Wohl nie verstehen werde ich hingegen das Konzept der Badezimmerbeleuchtung. Diese lässt sich zwar in zwei Stufen dimmen, aber nie ganz ausschalten. Nachts erhellt sie die gesamte Kabine. Einzig der Hauptschalter lässt sie komplett erlöschen, dann funktioniert aber auch kein anderes Licht mehr in der Kabine.
Obacht übrigens beim Reisen mit Kindern: zumindest in meiner und einer weiteren Kabine ließ sich die Balkontür auch bei eingestellter Kindersicherung öffnen. Besser also noch einmal selbst checken, ehe man die Kleinen alleine lässt.
Shuffleboard und Mövenfüttern im Hafen von Stockholm
Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2015
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