Edelstahl: Hands-on Code 11.59 by Audemars Piguet

Ich erinnere mich noch ziemlich genau, als ich in jenem dunklen, kinoartigen Raum am Stand von Audemars Piguet auf dem Genfer Uhrensalon SIHH saß und François-Henry Bennahmias von nichts weniger als einer Sensation erzählte. 2018 war das, und das, was er damals ankündigte, war eine komplett neue Modelllinie. Die wichtigste Neuerung für Audemars Piguet seit Einführung der Royal Oak 1972. Ein Jahr später dann erfolgte der Launch in Form der Code 11.59 by Audemars Piguet.

Code 11.59 by Audemars Piguet Automatik, Ref. 15210ST.OO.A056KB.01

Code 11.59 by Audemars Piguet und der misslungene Launch

Lag es an den extrem hochgesteckten Erwartungen hinsichtlich einer Über-Royal-Oak? Die Markteinführung jedenfalls ging mit einem massiven Shitstorm auf Social Media einher, AP selbst zeigte in den Außenvitrinen seines Messestandes 2019 gleich überhaupt keine Uhren mehr. Meine Gedanken zu jenem noch nie dagewesenen Produktlaunch brachte ich damals bereits hier im Luxify Blog „zu Papier“ (noch einmal nachzulesen hier).

Code 11.59 by Audemars Piguet Chronograph Automatik, Ref. 26393QT.OO.A064KB.01

2023 nun geht die Code 11.59 by Audemars Piguet in ihr fünftes Produktionsjahr und bislang muss man einfach sagen, so richtig beliebt scheint sie mir noch immer nicht. Mehr noch, ein wenig haftet ihr sogar der Makel der „Beikauf-Uhr“ an. Nicht zuletzt, da einige Boutique-Verkäufer in der Vergangenheit dieses Thema erstaunlich offen angesprochen hatten. Der Kauf einer Code 11.59 wurde so quasi zur Bedingung, wollte man denn an eine der begehrten Royal Oak Modelle herankommen.

Code 11.59 by Audemars Piguet Chronograph Automatik, Ref. 26393ST.OO.A348KB.01

Die Code 11.59 braucht außergewöhnliche Blätter

Ich persönlich habe über die vergangenen Jahre durchaus das ein oder andere sehr schöne Modell aus der Code 11.59 Kollektion gesehen. Allen gemein aber war: es handelte sich immer um komplizierte Uhren. Das fing schon im ersten Jahr an mit dem sehr hübsch anzuschauenden Ewigen Kalender, ging dann über diverse Minutenrepetitionen und Sonnerie-Uhren und endete schließlich bei den openworked Tourbillons der Reihe.

Code 11.59 by Audemars Piguet Tourbillon Openworked aus dem Jahr 2022

Mit den reinen „Einstiegsmodellen“ allerdings, den Chronographen und den Dreizeiger-Uhren also, konnte man mich nie locken. Es scheint fast, als ginge dies nicht nur mir so. Denn in den nun vier Jahren seit Präsentation der Code 11.59 by Audemars Piguet habe ich nicht ein einziges Mal eine solche Uhr bei jemandem am Handgelenk gesehen.

Code 11.59 by Audemars Piguet Chronograph Automatik bei der Präsentation 2019

Warum ist das so? Bereits 2019 schrieb ich, dass die Zifferblätter des Chronos und des Dreizeigers zu schlicht, ja zu bieder geraten sind, für ein solch komplexes Gehäuse-Design, wie das der Code 11.59. Denn diese Uhren entfalten ihre richtige Wirkung erst mit entsprechenden, dem Gehäuse ebenbürtigen, Zifferblättern.

Code 11.59 by Audemars Piguet Automatik, Jahrgang 2019

Sechs neue Code 11.59 in Edelstahl

In Le Brassus hat man das wohl mit der Zeit genauso gesehen und daher spendiert man der Reihe nun eine große Modellpflege. Mit Verfeinerungen im Detail, mit einem gänzlich neuen Zifferblattdesign und – mit einer Erweiterung der Kollektion hin zum allseits beliebten Material Edelstahl.

Code 11.59 by Audemars Piguet Automatik, Ref. 15210ST.OO.A348KB.01

Sechs Modelle, jeweils drei Chronograhen und drei Dreizeiger-Modelle, sind 2023 hinzugekommen. Vier davon konnte ich mir zur Deutschland-Premiere der Neuheiten im neuen AP House in der Münchner Residenzstraße anschauen.

Blick ins neue AP House in München

Schon die ersten Pressefotos bzw. Renderings der Neuheiten ließen erahnen, dass die Modellpflege der Code 11.59 äußerst gutgetan hat. Dieser Eindruck bestätigt sich in der Realität sofort. Die Code 11.59 wirkt deutlich klarer, moderner, weniger verspielt als vorher.

Feine Veränderungen im Detail

Im Detail setzt AP nun auf neue Indexe. Bislang galten die aufgesetzten, arabischen Ziffern als eine Art DNA der Reihe. Für die Stahlversionen verzichtet man auf diese und setzt stattdessen auf mit Leuchtmasse befüllte Strichindexe. Darüber hinaus sind die Zeiger für Stunde und Minute breiter geworden und ebenfalls mit Super-LumiNova belegt.

Die Minuterie des Dreizeigers unterteilte man bislang lediglich in 5-Minuten- bzw. 5-Sekunden-Schritte. Nun ist hier sogar eine Viertel-Sekunden-Unterteilung zu sehen, kombiniert mit einem neuen Schrifttyp. Der Höhenring selbst wurde verbreitert, der Abschrägungswinkel reduziert und mit einer glatten Fase versehen.

Ebenfalls geändert wurde die Aufzugskrone. Sie besitzt nun flachere Kerben, ist feiner gerändelt und schaut damit technischer aus als vorher. Beibehalten indes hat man das doppelt gewölbte Saphirglas mit seinem besonderen, meines Erachtens sehr gelungenen, optischen Effekt, schaut man seitlich auf die Uhr.

Ein Blattdesign, das der Code 11.59 würdig ist

Auffälligste Neuerung aber ist das Blattdesign. In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Kunst-Guillochierer Yann von Kaenel entwickelte man jene Stanzformen, die mit Hilfe hunderter winziger Vertiefungen einen Welleneffekt bilden.

Ein Effekt, der auch live sehr gelungen wirkt und mit dem es AP geschafft hat, ein Design zu kreieren, das der Linie ein ebenso markantes, unverwechselbares Äußeres gibt, wie es das Tapisserie Motiv im Falle der Royal Oak bereits seit über 50 Jahren vermag. Ein absolut notwendiger Schritt, der die Akzeptanz und die Begehrlichkeit der Reihe enorm steigern sollte.

Auch mein großer Kritikpunkt bei der Präsentation 2019, die Lage des Datumsfensters bei der Dreizeiger-Version, wurde ausgemerzt. Es sitzt nun bei 3 Uhr und schaut dort deutlich aufgeräumter aus.

Bei der Neuheiten-Präsentation in München zugegen war die Dreizeiger-Referenz 15210ST in den beiden Varianten mit blauem und mit grünem Blatt. Beide Blätter entstehen mittels PVD-Verfahrens, welches für kräftige, satte Farben sorgt. Was auffällt: die Uhren wirken optisch recht unterschiedlich. Das liegt daran, dass die grüne Variante einen farblich passenden Höhenring verbaut bekommen hat, während man sich bei der blauen Version für einen solchen in kontrastierendem Stahlgrau entschieden hat. Und das macht live tatsächlich mehr aus, als ich das zuvor gedacht hätte.

Grün und Blau – einfach Wow!

Der dunkelgrüne, leicht ins Khaki gehende Farbton ist schön, das Blau aber ist fantastisch. Night Blue, Cloud 50 ist und bleibt eine der markantesten Farben, die man bei AP in der Farbpalette hat. Sie wirkt in der Royal Oak Kollektion und sie wirkt zweifelsohne auch hier.

Das gilt für die Dreizeiger-Version, besonders aber auch für den Chronograph. Denn dort erhält das Blatt durch graue Ringe um die Totalisatoren von Stunde und Minute, sowie eine komplett in Grau gehaltene kleine Sekunde noch mehr Kontrast.

Stahl-Keramik Version in spannender Optik

Neben der Ref. 26393ST in Night Blue, Cloud 50, war der Chronograph in München auch als Ref. 26393QT zu sehen. Das Beige des hier verbauten Zifferblattes entsteht mittels Galvanisierung. Zusätzlich setzt man auf einen recht starken Farbverlauf hin zu Tiefschwarz. Das sieht ebenfalls beeindruckend aus und passt hervorragend zur Two-Tone Optik des Gehäuses mit seinem Mittelteil aus schwarzer Keramik.

Im Inneren aller Stahl-Modelle arbeiten Automatikkaliber mit 28.800 Halbschwingungen (4 Hz) und einer Gangreserve von 70 Stunden. AP setzt hierbei komplett auf die aktuellen In-House-Kaliber. Im Falle der Chronos ist dies das Kaliber 4401, das erste hauseigene Chronographen-Kaliber überhaupt, präsentiert 2019 zusammen mit der Code 11.59 und heute auch in den großen Royal Oak Chronos wie der 26240ST, sowie der Offshore 43 zu finden. Es handelt sich hierbei um einen Säulenrad-Chronograph mit Flyback-Funktion.

Auch das Kaliber 4302, das in den Dreizeiger-Modellen zum Einsatz kommt, kennen wir aus der Royal Oak Reihe, hier treibt es etwa die Ref. 15510ST an. Es ist aber ebenfalls von Anbeginn auch Teil der Code 11.59 by Audemars Piguet Kollektion gewesen.

Schöne Größe, tolle Form

In der Bauhöhe unterscheiden sich die 41 Millimeter großen Code 11.59 Neuheiten entsprechend. So bringt es die Dreizeiger-Variante laut Werksangaben auf 10,7 Millimeter, während der Chronograph 12,6 Millimeter misst.

Dank ihrer Gehäuseform sitzen die Modelle gut am Handgelenk, die farblich passenden Bänder sind gebogen und schmiegen sich so ebenfalls angenehm an den Arm. Ausgeliefert werden die Uhren ausschließlich mit einer Dornschließe aus Edelstahl, die nun mit einem ausgeschriebenen Audemars Piguet Schriftzug versehen ist.

Ebenfalls gemein ist den Modellen ihre, meines Erachtens für eine Uhr dieser Größe und dieser dann doch sportlichen Erscheinung nicht mehr zeitgemäße, Druckbeständigkeit von lediglich 3 bar (30 Metern). Hier verpasst AP definitiv die Chance, zumindest mit den, ebenfalls nicht berauschenden, 5 bar (50 Metern) der Royal Oak Kollektion gleichzuziehen.

Gleichgezogen jedenfalls ist man bei den Preisen. So positioniert man die neuen Stahl-Keramik Two-Tone Modelle 15210QT und 26393QT preislich exakt auf dem Level der jeweiligen Royal Oak Edelstahl-Modelle 15510ST bzw. 26240ST. Die reinen Stahl-Varianten der Code 11.59 bietet man rund zweieinhalbtausend Euro darunter an (alle Preise im Datenblatt).

Fazit

Und damit ist es Zeit für mein Fazit. Dieses fällt überwiegend positiv aus. Denn man hat in Le Brassus einfach (fast) alles richtig gemacht. Und das freut mich. Kompliment also an AP für diesen gelungenen Relaunch, der die Code 11.59 für mich deutlich begehrenswerter macht und den richtigen Weg geht, hin zu einer Kollektion, die völlig zu Recht gleichberechtigt neben der Royal Oak Bestand haben kann.

Die Code 11.59 hat mir von der Grundkonstruktion mit ihren filigranen, nur an der Lünette ansetzenden Bandanstößen, dem achteckigen Gehäuse-Mittelteil und der faszinierenden Glasarchitektur von Anfang an gefallen. Nun erhält das Gehäuse auch noch die Zifferblätter, die es verdient hat und die dem Design ebenbürtig sind. Damit sind wirklich richtig schöne, vor allem aber eigenständige Uhren entstanden. Genau die Sensation letztlich, die François-Henry Bennahmias bereits 2018 ankündigte.

Und auch wenn ich persönlich den Chronograph dem Dreizeiger-Modell vorziehen würde, eben weil dort noch ein Stück weit mehr los ist auf dem Blatt und das der Code 11.59 generell guttut, so muss ich sagen, dass es gerade die Dreizeiger-Versionen sind, welche durch die Modellpflege einen besonders großen Schritt nach vorne gemacht haben.

Meine Lieblingsuhr der neuen Stahl-Kollektion? Der Chronograph in Night Blue, Cloud 50. Auch wenn die anderen Farbvarianten ebenfalls sehr schön anzuschauen sind, ist für mich diese für AP besonders ikonische Farbe noch das i-Tüpfelchen.

Das Video zum Review

Datenblatt:

• Modell: Code 11.59 by Audemars Piguet Chronograph Automatik, Ref. 26393ST.OO.A348KB.01
• Gehäuse: 41 Millimeter, Edelstahl, wasserdicht bis 3 bar (30 Meter), doppelt gebogenes und doppelt entspiegeltes Saphirglas, geschraubter Edelstahlboden mit entspiegeltem Saphirglas
• Zifferblatt: Blau, geprägt im Farbton „Bleu Nuit, Nuage 50“ (Night Blue, Cloud 50) mit grauen Kontrasten, Indexe und Zeiger mit Super-LumiNova
• Armband: blaues Kautschukarmband mit Dornschließe aus Edelstahl
• Uhrwerk: Kaliber 4401 (In-House), Automatik, 28.800 A/h (4 Hz), 70 Stunden Gangreserve
• Funktionen: Stunde, Minute, kleine Sekunde, Fensterdatum, Flyback-Chronograph mit zentraler Stoppsekunde, 30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler
• Limitierung: keine
• Garantie: 5 Jahre
• Preis: EUR 34.300 (DE)
• Verfügbarkeit: Neuheit 2023
• Link zum Hersteller: https://www.audemarspiguet.com/com/de/watch-collection/code-1159/26393ST.OO.A348KB.01.html
• Varianten Chronograph: Ref. 26393ST.OO.A056KB.01 in Stahl mit Zifferblatt in Grün (EUR 34.300), Ref. 26393QT.OO.A064KB.01 in Stahl-Keramik mit Verlaufszifferblatt in Beige (EUR 36.600)
• Varianten Dreizeiger: Ref. 15210ST.OO.A348KB.01 in Stahl mit Zifferblatt in Blau (EUR 24.800), Ref. 15210ST.OO.A056KB.01 in Stahl mit Zifferblatt in Grün (EUR 24.800), Ref. 15210ST.OO.A064KB.01 in Stahl-Keramik mit Verlaufszifferblatt in Beige (EUR 27.200)

Fotos: © PCS 2023