Hätte sich ein Server-Administrator die Log-Files der yahoo Wetter-App dieser Tage näher angesehen, ihm wäre sicherlich aufgefallen, dass es zu einer deutlich erhöhten Abfrage bezüglich des Ortes Quiddelbach in Rheinland-Pfalz von einem einzelnen iPhone aus kam.

Das iPhone – es war meines. Und Quiddelbach, das ist der Ort, den die Wetter-App ausspuckt, gibt man dort Nürburgring ein.

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Der Nürburgring und ich, das ist so eine Sache. Rein wettermäßig. An gutes Wetter rund um die „Grüne Hölle“ kann ich mich jedenfalls kaum noch erinnern. Als Zuschauer, wie zuletzt beim Oldtimer-Grand-Prix, ist Dauerregen lästig genug. Geht es aber um eine Testfahrt mit einem nagelneuen Sportwagen, dann kommt einem das noch einmal wesentlich ungelegener.

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Lamborghini Huracán LP 620-2 Super Trofeo heißt das neuste Modell der Italiener. Ein Rennwagen, der es auf ein Leistungsgewicht von nur 2,05 Kilogramm pro PS bringt, und der hier am Nürburgring seine Europapremiere feiert. Mit diesem Geschoss lässt man mich selbstverständlich nicht auf die Straße, dafür aber mit der „Zivilversion“, dem LP 610-4.

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Theoretisch. Je nach Wetterlage halt. Und die schaut an diesem Samstag im September für Deutschland nicht so wirklich prickelnd aus. Doch je näher ich der Eifel komme – der Handy-Akku ist von der dauernden Abfrage mittlerweile schon auf unter 5% geschrumpft und zu meinem Leitwesen verfügt der Audi SQ5, in dem ich gerade sitze, über keinen USB Anschluss – desto mehr setzt sich die Sonne durch. Kurz vor Ankunft strahlt sie tatsächlich vom zumindest über dem Ring vollkommen wolkenlosen Himmel.

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Theoretisch bleiben werden heute so oder so die Fahrleistungen. Unerwähnt sollten sie aber dennoch nicht sein. In 3,2 Sekunden nämlich beschleunigt der Huracán auf Tempo 100, nach weiteren 6,7 Sekunden lägen 200 km/h an und erst bei 325 km/h würde die Beschleunigung ihr Ende finden, so die Testfahrt eben nicht auf öffentlichen Landstraßen stattfinden würde.

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Huracán-Parade am Nürburgring – leider schon wieder bei Regen

Eine ganze Reihe Huracán verschiedener Lackierungen steht im Fahrerlager. Der Weiße, das ist meiner. „Sie sind schonmal Lamborghini gefahren, oder?“ Äh, um ehrlich zu sein, nein. Bin ich nicht. Noch nie! Aber soll ich mich jetzt outen? Gar nicht nötig. Meine Antwort ließ wohl sowieso bereits viel zu lange auf sich warten und so nehmen sich zwei Instruktoren meiner an.

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Ist auch gut so, denn irgendwie ist hier einiges halt doch ein bisserl anders als normal. Eigentlich sieht es hier auch weniger aus wie in einem Auto als viel mehr wie in einem Kampfjet. Nicht dass ich wüsste, wie es in einem Kampfjet aussieht aber doch, es sieht bestimmt so aus.

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Der Start / Stopp Knopf verbirgt sich hinter einer roten Abdeckung, eine weitere Abdeckung schützt den Rückwärtsgang vor versehentlicher Bedienung. Klassische Instrumente fehlen, dafür gibt es zwei Displays. Ein Großes dort, wo normal Tacho und Drehzahlmesser warten, ein Kleines in der Mittelkonsole, oberhalb der futuristisch anmutenden Schalterreihe. Große Schaltpaddles warten hinter dem extrem griffigen Sportlenkrad, was irgendwie fehlt ist der Blinkerhebel.

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Die Bedienung der „Fahrtrichtungsanzeiger“ erfolgt hier über einen kleinen Schiebeknopf an der linken Speiche des Lenkrads. Gut, dass wir darüber gesprochen haben. Da wäre ich wahrscheinlich nie drauf gekommen. „Da gewöhnt man sich sehr schnell dran.“ verspricht mein Instruktor. Na mal sehen. Der Scheibenwischer – nicht dass ich den heute brauchen wollen würde – befindet sich folglich in der rechten Lenkradspeiche.

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Unten, in der dritten Speiche, da wartet ein rotlackierter Knopf. Der sieht schon im Stand bös aus und dient zum Wechsel der Fahrprogramme Strada, Sport und Corsa.

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Noch etwas Erwähnenswertes? Für den Anfang nicht. Doch! Das Hauptdisplay lässt sich umschalten und zeigt, je nach gewähltem Modus, unterschiedliche Informationen an. Ich entscheide mich für die Anzeige mit großem zentralen Drehzahlmesser und digitalem Tacho. Schaut unglaublich gut aus und auch wenn ich normal kein Freund dieser Großdisplays bin, hier passt es perfekt zum Fahrzeug.

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Ich starte den Motor des Huracán. Der 5,2 Liter V10 mit seinen 610 PS erwacht zum Leben. Und alle, wirklich alle Umherstehenden schauen auf mich. Schon reichlich krawallig, der Sound. Passend zur Optik des Huracán, denn wo sein Vorgänger, der gut zehn Jahre gebaute Lamborghini Gallardo, doch eher – gut, dezent ist jetzt vielleicht das falsche Wort, sagen wir – sachlich daherkam, trägt der neue Kampfstier deutlich potentere, maskulinere Züge, erinnert mich, gerade im Bereich der hinteren Kotflügel, stark an den Murciélago.

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Dessen Nachfolger, der Aventador, ist mein Begleitfahrzeug für heute. In ihm fährt mein Instruktor voraus. Betreutes Fahren? Ajo, warum nicht. So gut kenne ich mich hier ja nun auch wieder nicht aus. Also, los geht’s.

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Mein Instruktor im roten Aventador voraus

Aus dem Fahrerlager ganz langsam hinaus zum ersten Kreisverkehr am Lindner Congress Hotel. Hier stehen sie, die Motorsportfans und zücken ihre Handys und Kameras. Mit dem Huracán hat Lamborghini zweifelsohne einen weiteren echten Eyecatcher auf die Straße gelassen. Einer, der es versteht Aufsehen zu erregen, wie nur wenige andere.

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Bloß nix falsch machen. Jetzt ein zu beherzter Druck aufs Gaspedal und ich würde wohl unfreiwillig zu einem weiteren Fail-Star auf Youtube. Also Obacht. Vorsichtig durch den Kreisverkehr, dann Gas geben. Erst ganz leicht, dann ein wenig beherzter. Von der B258 auf die B257, durch Quiddelbach (endlich, da ist das also) und Adenau zu einer kleinen kurvigen Waldstrecke mit ordentlichen Kehren.

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Das Walkie-Talkie knackt, ich dürfe jetzt auf Sport schalten. Mache ich und der ohnehin schon kernige Sound steigert sich ins Atemberaubende. Auch die Gasannahme wird entsprechend biesitiger. Der Aventador vor mir gibt Gas und verschwindet. Na wenn er meint? Er kennt sich ja aus. Dann wollen wir doch auch mal.

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Was folgt, sind Glücksgefühle allererster Güte! Mein Gott, liegt das Ding auf der Straße! Und in Kurven! Selbst ein nur mäßig begabter Lamborghini-Erstfahrer wie ich schafft es, die 1,4 Tonnen präzise durch die Eifel zu steuern.

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Doch diese kann so grausam sein und so wartet in Höhe der Hohen Acht ein patenter Regenschauer auf mich, der den Asphalt mal so richtig nass macht. Das Wasser steht. Das war’s dann wohl mit der zügigen Fahrt. Doch mein Instruktor im Aventador drückt weiter aufs Gas und naja, wie gesagt, wenn er meint, warum denn dann nicht?

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Mit jedem Meter wächst mein Vertrauen zum 610-4. Denn die 4, die steht für den Allradantrieb mit hydraulischer Lamellenkupplung, der die Kraft des Doppelkupplungsgetriebes in Windeseile auf alle vier Räder verteilen kann.

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Das Ergebnis ist ein Fahrverhalten welches man, zumindest in den assistenzbegleiteten Fahrprogrammen abseits von Corsa, fast schon als gutmütig bezeichnen mag. Der Huracán wird so selbst bei nasser Strecke nicht zum Biest. Nein, er macht sogar richtig Spaß.

Leider bin ich nicht der Einzige, der diesen heute noch genießen will und so endet die Testrunde viel zu schnell wieder im Fahrerlager des Nürburgrings.

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Die Sonne kommt noch einmal kurz zum Vorschein, das iPhone meldet für die kommenden Stunden 90% Regenwahrscheinlichkeit, bevor sich der Akku vollends verabschiedet.

Kann mir jetzt egal sein. Nur der Server-Admin bei yahoo, dem wird das plötzlich abflachende Interesse an Quiddelbach wohl zu denken geben.

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Mein Fazit: schon der Lamborghini Gallardo war ein wunderschönes Auto. Der Huracán LP 610-4 ist ein mehr als würdiger Nachfolger. Nein, nennen wir es beim Namen, er ist ein richtig geiles Teil! Brutale, aufsehenerregende Optik, ebenbürtiger Sound, eben ein echter Lamborghini. Allradantrieb und Doppelkupplungsgetriebe machen aus ihm einen erstaunlich angenehmen Gefährten. Verarbeitung und Innenraumdesign sind über jeden Zweifel erhaben, einzig Rundumsicht und Kofferraum könnte man bemängeln. Aber hey, wir sprechen hier von einem Lamborghini. So what.

Der Lamborghini Huracán LP 610-4 ist zu einem Grundpreis von 201.705 Euro erhältlich. Weitere Informationen unter lamborghini.com.

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„Ach da ist der Blinker?“ Ein verwirrter Tester, der sich gerade in Fahrschulzeiten zurückversetzt fühlt. 

Fotos: © PCS, Blancpain
Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2014

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