Angebot und Nachfrage – im Falle des Priesteregg übersteigt letztere die erstgenannte nicht nur zur Hauptsaison erheblich. Glücklich kann sich schätzen, wer als Stammgast sein Chalet bereits weit, weit im Voraus gesichert hat. Ich allerdings bin zum ersten Mal Gast. Da heißt es terminlich flexibel sein, will man eines der angesehensten Hotels Österreichs besuchen.
Hotel, das ist eigentlich ein komplett falscher Begriff. Ferienhäuser trifft es aber auch nicht wirklich. Das Priesteregg, das ist ein Dorf aus 16 Chalets, die zur Selbstbewirtschaftung einladen, in denen aber, wann immer man sie braucht, auch „gute Geister“ bereit stehen.
Im Zentrum Leogangs, direkt an der Bäckerei Ritter, muss ich abbiegen. Lisa vom mama thresl hat mir eine handgemalte Straßenkarte mitgegeben. Ohne die würde es wohl schwierig, denn Navigationssysteme stoßen hier regelmäßig an ihre Grenzen. An der Gabelung links, nach der Bahnunterführung noch einmal links und dann immer der Straße folgen. Vorbei geht es an äußerst luxuriösen Anwesen bis hin zu einem Tor. Und wer hier die richtige Kombination nicht kennt, für den ist erst einmal die Reise zu Ende. Ich kenne sie natürlich (dank Lisa) und kann so passieren.
Das Empfangsgebäude – im Winter bringt ein BMW Shuttle Skifahrer zu den Pisten
Im Hauptgebäude erhalte ich in herrlich uriger Atmosphäre eine kurze Einweisung, dann darf ich auch schon weiter. Den Berg hinauf bis zum eigentlichen Dorf Priesteregg. Ein bisschen fühle ich mich wie „Karl-Friedrich“ Sattmann, wie ich hier so mit der S-Klasse durch die idyllische Alpenlandschaft gleite. Darf man hier überhaupt mit dem Auto weiter fahren? Man darf. Bis zu den Stallungen, in denen die Carports untergebracht sind. Diese sind, zumindest für die hier eindeutig in der Überzahl befindlichen Oberklasse-Limousinen und -SUV, recht knapp bemessen und einmal mehr bin ich dankbar für die Erfindung der 360° Kamera.
Von den Carports geht es weiter zum Dorfplatz. Entweder mit dem Elektro-Wägelchen oder gleich zu Fuß. Das Gepäck folgt in einer großen, grünen Schubkarre. Es sind schließlich nur wenige Meter.
Feuerschale am Dorfplatz
Die Mitte des Dorfplatzes bildet ein Teich. Den kann man auch zum Baden nutzen. Oder vom Holzsteg aus die Beine baumeln lassen. Rund um den Platz herum, stehen die Chalets. Links die Premium Chalets, die einen direkten Blick hinunter zum Tal haben, rechts die Berg-Chalets mit Blick auf die Leoganger Steinberge.
Badeteich – am Dorfrand gibt es auch noch ein kleines Waldbad
Mein Chalet ist das dritte von links und heißt Erz-Kendl. Es schaut aus, als stehe es hier schon seit gut und gerne hundert Jahren. Stimmt aber nicht, denn das kleine Dorf hier gibt es erst seit dem Jahr 2009. Kaum zu glauben.
Hintere Terrasse und Sauna (links)
Allein das Holz der Chalets wirkt fast schon antik. Und es ist tatsächlich hunderte Jahre alt. Es stammt aus abgetragenen alten Bauernhöfen. Bereits ein Jahrzehnt vor dem Bau des Priesteregg begannen Huwi und Renate Oberlader, die Besitzer, die Materialien für ihr Projekt zusammenzutragen.
Die Idee für ihr Bergdorf bekamen sie bei einem Urlaub auf den Malediven. Das Konzept der einsamen Hütten mit allen erdenklichen Annehmlichkeiten, übertragen auf ihre Heimat, auf das seit 1782 in Familienbesitz befindliche „Eck der Priester“ – das Priesteregg war geboren. In Gedanken zumindest, denn bis zur Umsetzung galt es noch, diverse landschafts- und baurechtliche Hürden zu meistern.
Die Chalets des Priesteregg sind alle einzigartig. Es gibt ebenerdige und zweistöckige Gebäude, eines wurde von der Lifestyle-Marke Luis Trenker eingerichtet, eines von Willy Bogner. Und auch wenn man vom Dorfplatz aus alle Chalets überblicken kann, sobald man das Tor des kleinen Zauns „seines“ Chalets hinter sich schließt, hat man augenblicklich das Gefühl, komplett alleine hier auf 1100 Metern Höhe zu sein. Die großen Hecken bieten einen idealen Sichtschutz.
Vorbei geht der Weg an einer Almschaukel. Vor dem Eingang des Chalets wartet eine hölzerne Hausbank. Irgendwie genau so, wie man das als Kind von Filmen kennt. Ursprünglich, natürlich, spartanisch.
Zumindest der letzte Eindruck aber ändert sich augenblicklich, wird die zweigeteilte hölzerne Haustür geöffnet. Auf den ersten Blick geht es auch hier urig zu. Ein uralter Herd, eine rustikale Essecke, ein großer Kamin, viel Holz und Bauernleinen, Kerzen.
Auf den zweiten Blick entdeckt man, abgetrennt durch eine Tür, eine moderne Küche, die sogar mit einem gut gefüllten Wein-Klimaschrank aufwartet, Flatscreen, Entertainmentequipment, freistehende Badewanne, Felsendusche und, und, und.
Highlights sind sicherlich die angenehm große private Außensauna, für die man aus sieben verschiedenen Aufgussorten wählen kann, sowie der HotPot unter freiem Himmel mit Blick auf die Berge und ins Tal.
Einmaliger Blick aus dem Bett
Im ersten Stock beeindruckt das Schlafzimmer aus Zirbenholz mit traumhaftem Ausblick durch die raumhohe Fensterfront und Royal-Matratzen von Tempur. Zusammen mit dem zweiten Schlafzimmer bietet das Chalet Platz für insgesamt bis zu sechs Personen.
Zwei Bäder gibt es, eines oben, eines unten. Die Armaturen kommen von Hansa und wurden von Bruno Sacco, dem ehemaligen Mercedes-Designer entwickelt. Und wer schon immer mal eine AquaClean Toilette ausprobieren wollte – hier bietet sich auch dafür Gelegenheit.
Luxus und Natur, im Priesteregg lässt sich beides erleben. Voraussetzung allerdings: man will sich auch darauf einlassen. Denn Natur, das bedeutet hier wirklich Natur. Im kleinen Kräutergarten tummeln sich dutzende Bienen und Hummeln, der ein oder andere Käfer verirrt sich schon einmal in die gute Stube und in einem Wespenjahr wie in diesem vergehen keine zwanzig Sekunden, bis sich nicht mindestens ein bis zwei dieser Plagegeister im Haus auf die Suche nach Essbarem machen.
Premium-Chalet Erz-Kendl mit HotPot und Kräutergarten
Fliegengitter würden hier helfen, suche ich aber vergebens. Also heißt es, mich meinem „Schicksal“ zu ergeben. Natur pur eben. Ohne Wenn und Aber.
Hingucker: die freistehende Badewanne. Auch Massagen und Beauty-Behandlungen werden direkt im Chalet angeboten
Noch etwas macht mich nervös und ich brauche eine Weile, bis ich herausbekomme, was es ist. Es ist – diese Stille. Sie umgibt jeden hier sofort. Man hört – nichts. Absolut nichts. Das bin ich einfach nicht gewöhnt. Das ist mir unangenehm. Anfangs. Mit jeder Minute aber merke ich, wie ich ankomme, ruhiger werde, tiefer, langsamer atme. Ein unbeschreiblich schönes Gefühl.
Einsamkeit. Gemütlichkeit. Abends am Kamin, in der großen Kuschelecke, im HotPot, in der Sauna, auf der Terrasse. Wer Urlaub als vollkommenen Ausstieg aus dem Alltag erleben will, für den ist das Priesteregg ideal.
Möchte man nicht selbst kochen, dennoch aber auch am Abend für sich sein, lässt man sich aus dem im Empfangsgebäude gelegenen Restaurant sein Abendessen direkt ins Chalet servieren.
Weinkühlschrank in der Küche des Premium-Chalet
Zumindest einen Besuch von Huwi’s Alm möchte ich an dieser Stelle aber unbedingt empfehlen. Hier den Sonnenuntergang zu erleben, zu erleben, wie das steinerne Meer langsam beginnt, glutrot zu leuchten, ehe die vollkommene Dunkelheit hereinbricht, das sorgt für Gänsehaut.
Dazu gibt es sensationell gutes Essen, beispielsweise eines der besten Schnitzel überhaupt oder einen „Hut“, die Spezialität hier. An einem heißen Eisenhut brät der Gast sein Fleisch, unter anderem Galloway aus eigener Zucht, so, wie er es mag. Dazu gibt es herzhafte Brühe, die in der Hutkrempe langsam vor sich hin köchelt. Ein riesen Spaß, gerade auch für größere Runden.
Der alte Herd dient mehr der Zierde. Nebenan gibt es einen moderneren
Beim Aufstieg zurück zum Chalet lässt sich die ein oder andere Kalorie dann auch gleich wieder verbrennen – es sei denn, man lässt sich wie ich dann doch lieber mit dem Golf Cart chauffieren.
Zurück auf der eigenen Terrasse ist sie dann wieder da. Die Einsamkeit. Die Stille. Am Nachmittag noch beunruhigend, jetzt einfach nur noch herrlich. Vielleicht noch ein Bad unter dem Sternenhimmel, der hier noch ein Stück stärker zu leuchten scheint, als anderswo? Oder doch noch kurz online gehen? Denn auch, wenn das Priesteregg geradezu dazu einlädt, komplett offline zu sein, kostenloses W-Lan gibt trotzdem.
Nein, die Geräte bleiben aus. Einen Abend lang leben, wie früher. Im Chalet stehen jede Menge Kerzen bereit, die ihr ganz spezielles Licht nun überall verbreiten können. Schade nur, dass die Außenbeleuchtung des Chalets nicht auszuschalten ist (oder ich den Schalter dafür nicht finde), denn dann wäre die Illusion perfekt.
Mit einem Glas Rotwein setze ich mich auf die ganz weit vorne auf der Wiese stehenden Sonnenliegen. Ich blicke ins Tal, beobachte die Sterne. Gott, ist das schön hier.
Am nächsten Morgen werde ich vom Geräusch der Chalet-Tür geweckt. Da sind sie also, die fleißigen Geister, von denen mir schon beim Check-In berichtet wurde. Ich lasse sie in Ruhe arbeiten, drehe mich lieber noch einmal im bequemen Bett um.
Als ich die Holztreppe hinunter komme, empfängt mich der Duft von frischen Brötchen. Der Frühstückstisch ist gedeckt, Marmelade, Wurst, Käse, Tee, Kaffee, Eierspeise, alles da. Die Kerzen brennen. Bei dem Anblick geht mir das Herz auf. So könnte das echt jeden Morgen sein.
Doch leider, leider ist es das nicht, womit wir wieder bei Angebot und Nachfrage wären. Das Prinzip ist recht einfach. Wer schon einmal Gast war, im Priesteregg, der darf auch als Erstes buchen. Für den gleichen Zeitraum im Folgejahr. Danach erst stehen die dann noch freien Termine auch anderen Gästen zur Verfügung. Schnell sein sollte man in jedem Fall.
Oder spontan. Denn die Homepage www.priesteregg.at informiert kurzfristig über freie Chalets. Angebot und Nachfrage, sie regeln übrigens hier nicht die Preise. Denn die sind das ganze Jahr über, selbst an den Feiertagen, gleich. Sie beginnen bei 210 Euro pro Person und Nacht im Berg-Chalet bzw. 250 Euro pro Person und Nacht im Premium-Chalet.
Für die dritte bis sechste Person werden jeweils 105 Euro die Nacht berechnet, Kinder von sieben bis 15 Jahren zahlen 50 Euro. Hunde sind erlaubt und werden mit 25 Euro berechnet.
Luis Trenker Chalet
Etwas teurer als Berg- bzw. Premium-Chalet ist das Luis Trenker Chalet. Es ist ausgelegt für zwei Personen und kostet 270 Euro pro Person und Nacht. Das größte Chalet, Willy Bogner, ist für 605 Euro pro Person und Nacht buchbar. Dafür bekommt man einen eigenen Privatpool, Badeservice und weitere Premiumleistungen.
Mein Fazit: Ausstieg aus dem Alltag, wer sich darauf einlassen kann, der bekommt im Pristeregg Natur pur, und das ohne auf liebgewonnene Annehmlichkeiten eines 5-Sterne Hotels verzichten zu müssen. Das Priesteregg ist gleichermaßen ideal für Paare, Familien und Urlaub mit Freunden.
Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2015
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