Ich wette nicht. Dass das gut ist, stellte sich jüngst einmal mehr heraus. Auf dem SIHH nämlich, genauer gesagt bei IWC. Nach der Präsentation dreier Ingenieur Sondermodelle im vergangenen Jahr (für alle, die sie verpasst haben, hier noch einmal der Link zum Review), war ich nämlich ziemlich sicher, dass wir zur Genfer Messe eine komplett neue IWC Ingenieur Kollektion werden begrüßen dürfen. Ziemlich sicher? Total sicher! So sicher gar, ich hätte gewettet. Also – so ich denn wetten würde.

In 2016 vorgestellte IWC Ingenieur Chronograph Edition „W 125“

Um so größer das Erstaunen dann aber, als ich erfuhr, welche Modellreihe das Thema der fünf Messetage sein würde: die IWC Da Vinci. Ausgerechnet! Nein, ich mache keinen Hehl daraus: die Da Vinci ist die Modelllinie bei IWC, die in den vergangenen Jahrzehnten am wenigsten an mich heranging. Und das ist noch sehr wohlwollend umschrieben.

IWC Da Vinci Quartz Electronic (Ref. 3501), ca. 1969

Unvergessen: mein persönlicher Erstkontakt mit dieser sehr speziellen Uhr. Das war während des Studiums in einer Vorlesung. Mein Tischnachbar hatte den Perpetual Calendar der Da Vinci der 80er und 90er Jahre am Arm. Faszinierende Technik, dachte ich damals, aber – dieses Design!

IWC Da Vinci Ceramic Perpetual Calendar (Ref. 3755), ca. 1986

Auch bei IWC fand man jenes irgendwann wohl nicht mehr zeitgemäß, weshalb man 2007 auf die ursprüngliche Tonneauform zurückging. Das verhalf der Da Vinci nun auch nicht unbedingt zu einem vorderen Platz auf der Liste der für mich ikonischsten Uhren, aber immerhin.

IWC Da Vinci Chronograph (Ref. 3764), ca. 2007

Zehn Jahre später nun besinnt man sich in Schaffhausen darauf, dass IWC Uhren rund sein müssen, rund sein sollen. IWC, so CEO Georges Kern, stehe für klassische Proportionen. Die Da Vinci anno 2017 wird daher zur Neuauflage des 80er Jahre Modells.

IWC Da Vinci Perpetual Calendar Chronograph (Ref. 3921)

Nein, das ist jetzt unfair. Denn man hat der Uhr durchaus ein zeitgemäßes, zeitgemäßeres Äußeres gegönnt. Ohne dabei aber auf einige Designmerkmale wie beispielsweise die doppelrahmige Lünette mit umlaufender Fuge oder die beweglichen Bandanstöße zu verzichten.

Verzichtet hat man aber zumindest auf die doch recht verspielten pilzförmigen Drücker und die beweglichen Bandanstöße wandern zumindest nach außen, was der Uhr optisch mehr Breite, mehr Form gibt.

Zurück in die Genfer Messehalle. Dort gehört der Messestand von IWC definitiv zu den beeindruckendsten überhaupt. Die Besucher finden sich in der Lobby eines riesigen Palasts wieder. Dass man hier auf einer Messe ist – vergessen. Binnen Sekunden. Zwei wohlgekleidete Damen zeigen dem interessierten Gast ihre Handgelenke und machen recht charmant auf den eigentlichen Skandal des Ganzen aufmerksam: ja, die neue Da Vinci – sie ist: eine Damenuhr!

IWC Messestand mit Model auf dem SIHH 2017

Der komplette Messeauftritt, gewidmet den Damen? Das hätte man nun wirklich von vielen Marken erwarten können. Aber – ausgerechnet von IWC? Niemals! Denn schließlich – wir erinnern uns: DER Uhr! Fast so kompliziert wie eine Frau – aber pünktlich.

IWC Werbung, um das Jahr 2000 herum

Ok, diese Kampagne ist schon eine ganze Weile her, endete bereits im Jahr 2005 nach etlichen gleichermaßen erfolgreichen wie machohaften Motiven. Dennoch hat sie die Marke bis heute so dermaßen kompromisslos auf das männliche Geschlecht ausgerichtet, wie das wohl kaum ein anderer Hersteller zuvor und auch danach geschafft hat – oder schaffen wollte?

IWC Da Vinci Chronograph Edition „Laureus Sport for Good Foundation“ (Ref. 3934)

Und jetzt das. Man wolle die Marke wieder stärker ins Bewusstsein der Frauen rücken, sagt Franziska Gsell, CMO von IWC Schaffhausen. Und welche Uhrenlinie wäre da besser geeignet als die Da Vinci, sage ich.

IWC Da Vinci Automatic Moon Phase 36 (Ref. 4593)

Treu bleibt man sich bei IWC in Punkto Größe. Die neuen Da Vinci Automatic 36 und Automatic Moon Phase 36 Modelle messen, wie der Name schon vermuten lässt, 36 Millimeter. Das ist die kleinste Größe für die Dame, drunter geht nix. Drüber dafür schon. Da rangiert die Da Vinci Automatic, die mit ihren 40 Millimetern als Unisex-Modell ausgelegt ist.

IWC Da Vinci Automatic (Ref. 3566)

Nun habe ich es in den vergangenen Jahren hier auf luxify tunlichst vermieden, über Damenuhren zu schreiben. Denn was weiß schließlich ich, was den Nerv, den Zeitgeist der Dame von Welt trifft. Ändern mag ich meinen Vorsatz eigentlich auch heute nicht, zumindest aber anmerken, dass mir die 36 Millimeter Da Vinci Modelle an den Armen der Models auf dem Messestand sehr gut gefallen. Die Uhren haben in meinen Augen die richtige Mischung aus sportlicher Größe und elegantem Erscheinungsbild. Ja, sie sind wirklich ziemlich schick.

Bevor ich hier nun aber noch tiefer in leichte Unbeholfenheit abdrifte – die gute Nachricht. Es gibt nämlich auch drei Herrenmodelle und fürwahr, ja, da weiß dann auch ich wieder, wovon ich schreibe.

Also dann. Größtes Modell der Linie ist der Da Vinci Tourbillon Rétrograde Chronograph IW393101 in Rotgold. Auf stolze 44 Millimeter kommt die Uhr, die für 110.000 Euro das obere Ende der Da Vinci Preisrange darstellt.

IWC Da Vinci Tourbillon Rétrograde Chronograph (Ref. 3931)

Eine Stufe günstiger, nämlich 43.000 Euro für die rotgoldene Version und 32.000 Euro für die Variante aus Edelstahl kommt der Da Vinci Perpetual Calendar Chronograph. Interessante technische Neuerung: beim Kaliber 89630 wandern sowohl Stoppminute wie Stoppstunde ins Hilfszifferblatt bei 12 Uhr, welches sie sich dann mit der Mondphase teilen. Das resultiert in einer verbesserten Ablesbarkeit der 43-Millimeter Uhr.

Während jenes Hilfszifferblatt in der Rotgold-Version IW392101 mit ihrem hellen Argenté-Zifferblatt stark in den Vordergrund rückt, wirkt es beim Ardoise Blatt der Stahl-Variante IW392103 ungleich zurückhaltender. Was besser gefällt ist wie so oft Geschmackssache.

Drittes und wenn man so will kleinstes reines Herrenmodell ist der 42 Millimeter große Da Vinci Chronograph, den es erst einmal ausschließlich in der Edition Laureus Sport for Good Foundation gibt. Wie üblich für die Laureus Modelle, so verfügt auch die IW393402 über ein sensationell schönes blaues Blatt mit feinen roten Details, sowie über eine spezielle Bodengravur. Limitiert ist sie auf 1.500 Exemplare, der Preis liegt bei 13.500 Euro.

Der Einstieg in die Da Vinci Welt beginnt übrigens, sowohl für die 36 wie für die 40 Millimeter große Automatic bei 5.600 Euro. In allen Preisklassen mit wettbewerbsfähigen Preisen vertreten zu sein war eines der Hauptanliegen bei der Entwicklung der neuen Kollektion. Das dürfte auf jeden Fall gelungen sein.

Doch wie ist das denn jetzt? Ist die neue Da Vinci nun eine Herrenuhr, die auch für Damen geeignet ist? Oder ist es dann doch eher umgekehrt? Ist sie in Wirklichkeit eine Damenuhr, die auch Herren tragen können? Und überhaupt, was ist denn eigentlich aus meiner Abneigung geworden?

Anlässlich des einmal mehr äußerst coolen Night Photo Shoot Events hatte ich ausgiebig Gelegenheit, die Modelle, die großen Modelle natürlich, also die für Herren (!) zu testen. IWC Da Vinci Perpetual Calendar Chronograph und IWC Da Vinci Chronograph Edition Laureus werde ich daher demnächst in zwei Einzelreviews noch einmal etwas ausführlicher vorstellen. An dieser Stelle aber sei schon einmal gesagt: ich war, trotz meiner Skepsis, äußerst überrascht. Positiv. Denn die Uhren haben gerade durch ihre Form eine tolle und äußerst ungewohnte Präsenz am Handgelenk.

Die neue Da Vinci Kollektion ist, auch das darf schon verraten werden, tatsächlich für beide Geschlechter gleichermaßen geeignet. Und ich würde mich wetten trauen, dass ich nicht der einzige Skeptiker bin, den die neuen Modelle zunächst überraschen und letztlich auch überzeugen. Also – so ich denn wetten würde.

 

 

Fotos: © IWC (5), PCS (17)
Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2017

 

 

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