One more thing – als Tim Cook gestern die magischen drei Worte aussprach, da wäre ich für gewöhnlich jubelnd von der Wohnzimmercouch aufgesprungen. Abgesehen davon, dass ich zu diesem Zeitpunkt einfach schon viel zu verärgert ob des laufend abbrechenden Live-Streams war, ahnte ich dass das, was da jetzt kommen, mir alleine vom Grundsatz her nicht wirklich schmecken würde.

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Ich liebe Uhren. Und ich liebe Apple. Und bisher waren das zwei Lieben, die wunderbar parallel existieren konnten, die sich nie in die Quere kamen. Seit gestern ist das nun anders. Die iWatch – Entschuldigung – Apple Watch ist da.

Was Apple dort im kalifornischen Cupertino vorstellte, das dürfte bei Uhrenherstellern in der altehrwürdigen Schweiz und auch anderswo zeitgleich einige Sorgenfalten produziert haben. Und auch bei mir im heimischen Wohnzimmer teilte sich die Stimmung. Während die rechte Couchhälfte jubelte und alle paar Sekunden ein „wie geil“ zum Besten gab, wurde es auf der linken, meiner Seite, immer ruhiger.

Der 9. September 2014, er könnte der Tag sein, an den die traditionelle Uhrenindustrie noch lange zurückdenken wird. Droht uns jetzt eine neue „Quarzkrise“ wie in den 70er Jahren? Oder ist das alles nur Schwarzmalerei?

Kein uhrenbegeisterter Mensch wird von seiner Rolex, Omega, Jaeger-LeCoultre oder Patek Philippe auf eine Apple Watch wechseln. Klingt logisch. Aber ist das wirklich so?

Apple Produkte hatten über die letzten Jahre immer das gewisse Etwas. Sie sind cool, sie sind modern und sie sind in. Extrem in. Genau diese Attribute übertragen sie auf ihre Nutzer. Und moderne Rolex Träger sind auch Apple User. Auf luxify etwa liegt der Anteil an Apple Usern mittlerweile bei 60%. Tendenz steigend.

Die Bereitschaft und der finanzielle Background, mal eben 349 USD für eine Apple watch auszugeben, der dürfte gerade bei dieser Klientel, nein, nennen wir es, wie es ist, der dürfte bei uns allen hier, ebenfalls vorhanden sein. Doch kaum jemand würde im täglichen Leben mit zwei Uhren herumlaufen. Was mit Fitness-Armbändern wie dem Nike+ Fuel oder dem Jawbone Up noch ging, das ist mit der Apple watch nicht mehr möglich. Da wird es zwangsläufig entweder – oder heißen müssen.

Doch betrachten wir die Sache etwas nüchterner. Die Gefahr, dass eingefleischte Fans teurer Armbanduhren nun ihre Sammlungen verkaufen, weil sie nur noch die Apple watch tragen, die wird wohl verschwindend gering sein. Zu stark ist die Liebe und die Faszination für die Feinmechanik, zu sehr ist die Uhr hier auch zum Statussymbol geworden. Daran werden auch die Apple watch Modelle in Gelb- und Roségold nichts ändern.

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Denken wir nun aber einen Schritt weiter. Was ist mit der Generation nach uns? Was ist mit den, sagen wir 15 bis 25-jährigen, die noch nicht ihren horologischen Weg gefunden haben? Die normalerweise über eine Swatch oder eine der vielen Uhren verschiedener Modelabels zur „guten“ Uhr kommen würden?

Genau in diesem Segment wildert die Apple watch. Genau jenen Hersteller wird der gestrige Tag erheblich Kopfschmerzen bereiten. Sie werden sich jetzt Gedanken machen müssen, wie es weiter geht. Wie ihre Produkte, die auf den In-Faktor, die Coolness unter Jugendlichen abzielen, gegen etwas so Gigantisches wie Apples Armbanduhr zukünftig bestehen können.

Und die Apple watch wird dabei nur der Anfang sein. Einige andere Hersteller haben bereits Kleincomputer fürs Handgelenk vorgestellt und spätestens seit gestern werden wohl alle Mitbewerber dieses Marktsegment in ihren Fokus rücken. Die kommenden Jahre werden hart für die Hersteller von Uhren im Preissegment bis – sagen wir 1500 Euro. Sie müssen auf den Zug aufspringen oder tatenlos zusehen, wie ihre Felle davon schwimmen.

Es wird neue Strategien, neue Kooperationen zwischen traditionellen Uhrenherstellern und Technikkonzernen geben, geben müssen. Die Quarzkrise 2.0, sie ist eingeleitet.

Einzig die Spitzenmanufakturen werden sich einstweilen noch keine großen Sorgen machen müssen. Ihre Klientel 35+ wird ihnen nach wie vor treu bleiben. Die große Frage aber wird sein, ob für die Generation, die mit Apple watch & Co. aufwächst, eine mechanische Armbanduhr irgendwann überhaupt noch erstrebenswert sein wird.

Andererseits – bei uns Kindern der ersten Quarzkrise hat das ja auch ganz hervorragend funktioniert.

Fotos: © Apple
Text: © PCS 2014

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