So ein wenig komme ich mir vor wie in Fort Knox, als der Fahrer an der Schranke zum McLaren Gelände im Englischen Woking hält. Hier herrscht allerhöchste Sicherheitsstufe, Kameras sind streng verboten und ob wir mit unserem Shuttle bis zum Hauptgebäude vorfahren dürfen, auch das ist zunächst unklar.

McLaren Technology Centre in Woking, UK

Sicherlich nicht, meint der Fahrer, doch die Männer der Security lassen uns passieren. Sprach ich gerade von Fort Knox? Nein, das, was sich mir nun auftut, das hat eher etwas von Science-Fiction. Hinter einem geschwungenen See liegt ein gläsernes, ebenfalls geschwungenes Gebäude: das McLaren Technology Centre.

Würde man mit dem Hubschrauber anreisen, könnte man jetzt sehen, dass das Gebäude eine Nierenform hat und mit dem vorgelagerten See einen perfekten Kreis bildet. Zusammen mit der Zufahrtstraße erinnert das Ganze wiederum an einen Pleuel.

McLaren MP4-31 von Fernando Alonso (Saison 2016) 

Vom Boden aus erschließt sich dem Besucher diese Assoziation zwar nicht, doch auch so ist das von Sir Norman Foster designte Gebäude am Rande von Ron Dennis‘ Heimatstadt beeindruckend genug.

Vorfahrt vor dem Eingang des gläsernen Technologie-Palasts und freundliche Begrüßung. Im Inneren des Hauptgebäudes: jede Menge Rennwagen, allen voran die siegreichen Formel 1 Fahrzeuge der Vergangenheit. Was für ein Anblick. Schade, dass keine Fotos erlaubt sind.

„Doch, doch“, heißt es. Ausnahmsweise, aber bitte nur die historischen Rennwagen, keinesfalls die dahinterliegenden und nur durch Glaswände abgetrennten Produktionsanlagen. „Alles klar“ denke ich mir, während ich mein iPhone zücke und augenblicklich drauflos knipse. Es beginnt eine Zeitreise in über fünf Jahrzehnte Formel 1 Geschichte.

Am Anfang steht: der M7C. Jenes Auto, in dem Bruce McLaren selbst 1969 den dritten Platz der Formel 1 Fahrerwertung holt. Es soll Bruce McLarens letzte Saison werden. Er stirbt am 2. Juni 1970 im Alter von gerade einmal 32 Jahren bei einer Testfahrt in Goodwood.

McLaren M7C von Bruce McLaren (Saison 1969)

Das McLaren Team allerdings, gegründet 1965, lebt weiter und ist heute, nach Ferrari, das am längsten in der Formel 1 vertretene Team.

1974 der bis dahin größte Erfolg: McLaren holt den Konstrukteurstitel, Emerson Fittipaldi wird mit seinem M23 Weltmeister.

vorne der M16E von Johnny Rutherford (Indy 500 1975), rechts der M23 von Emerson Fittipaldi (Saison 1974)

Ab 1980 geht es dann richtig rund bei McLaren. Ron Dennis wird durch eine Fusion mit dem Project Four Team Geschäftsführer bei McLaren, die Nomenklatur der Rennwagen ändert sich, hin zu MP4. Den ersten Sieg im neuen Auto erzielt John Watson beim Großen Preis von Großbritannien 1981.

im Vordergrund der MP4/1 von Watson (1981), dahinter die MP4/2 von Lauda (1984) und Prost (1985) 

Auch dieses Auto ist in Woking ausgestellt. Mit ihm beginnt eine ganze Armada von Fahrzeugen in der so berühmten Orangerot-Weißen Lackierung. Einzig der mittlerweile fehlende schwarze Marlboro Schriftzug irritiert ein wenig. Das Tabak-Werbeverbot, es greift sogar hier. Eigentlich schade.

MP4/2C (Prost 1986), MP4/4 (Senna 1988), MP4/5 (Prost 1989)

Neben dem MP4/1 von John Watson: der MP4/2 von Niki Lauda, mit dem dieser 1984 den Fahrertitel holt und der MP4/2B, Alain Prosts Weltmeisterauto aus 1985. In beiden Jahren wird McLaren darüber hinaus auch Konstrukteurs-Weltmeister.

Ein paar Meter weiter: der MP4/2C, mit dem Alain Prost 1986 seinen Titel verteidigt. Alles drei Fahrzeuge aus der Turbo-Ära, angetrieben von einem TAG Turbo V6, gebaut von Porsche.

1988 dann beginnt die Kooperation zwischen McLaren und Honda. Schon im ersten Jahr holt Ayrton Senna mit seinem MP4/4 mit Honda V6 Turbomotor den Fahrertitel, Alain Prost im zweiten McLaren wird Zweiter, McLaren Konstrukteurs-Weltmeister. Mit 15 Siegen in 16 Rennen!

Diese Dominanz hält auch in den darauffolgenden Jahren an. Zwischen 1988 und 1991 holt McLaren sämtliche Titel. 1989 wird Alain Prost im MP4/5 nach einer Disqualifizierung Sennas Weltmeister, 1990 und 1991 aber kann sich der Brasilianer gegen seinen neuen Teamkollegen Gerhard Berger durchsetzen.

Nach dem Ende der Kooperation zwischen McLaren und Honda greift das britische Team zunächst zu Ford, später zu Peugeot Motoren, ehe die Partnerschaft mit Mercedes beginnt. 1998 und 1999 gewinnt Mika Häkkinen mit seinem MP4/13 bzw. MP4/14 den Fahrertitel, 1998 geht darüber hinaus auch der Konstrukteurstitel an das Team.

MP4/13 (1998) und MP4/14 (1999), beide Mika Häkkinen, dahinter der MP4-20 (Kimi Raikkönen 2005)

Den bis heute letzten McLaren Titel holt 2008 Lewis Hamilton im MP4-23. Er wird Fahrer-Weltmeister.

Hamilton Dienstwagen MP4-24 (2009), dahinter das Weltmeisterauto MP4-23 (2008)

Seit 2015 geht McLaren wieder mit Honda Motoren an den Start. Die erneute Partnerschaft kann aber nicht an die Erfolge der 80er Jahre anknüpfen.

MP4-31 (Alonso 2016)

In der aktuellen Saison, in der Fernando Alonso und Stoffel Vandoorne im McLaren MCL32 (die Bezeichnung der Rennwagen wurde nach der Trennung zwischen McLaren und Ron Dennis geändert) an den Start gehen, liegt McLaren Honda mit aktuell 2 Punkten auf dem letzten Platz der Konstrukteurswertung. Ob die Kooperation zwischen McLaren und Honda auch im nächsten Jahr noch Bestand haben wird, das wird man sehen.

Wesentlich erfolgreicher verspricht da eine andere Kooperation zu werden, die McLaren mit Richard Mille eingegangen ist. Die in diesem Jahr vorgestellte RM 50-03 (das Hands-on gibt es hier noch einmal zum Nachlesen) durfte auch bei meinem Besuch in Woking nicht fehlen.

Richard Mille RM 50-03 vor Sennas Weltmeisterauto von 1988, dem MP4/4

Auch hier war allerdings noch der Prototyp der Ausnahmeuhr für 1.085.000 Euro zu sehen. Grund: die Kundenuhren, die dann mit McLaren-typischen orangenen Details aufwarten, werden erst ab Herbst ausgeliefert.

McLaren Racing mit dem Honda Formula One Racing Team ist übrigens nur eine Unternehmung der in Woking beheimateten McLaren Technology Group. Hinzu kommen McLaren Applied Technologies (MAT) und McLaren Automotive, welches im benachbarten und durch einen Tunnel verbundenen Gebäude Traumautos für die Straße herstellt.

McLaren P1 – Production Car #1 (2013)

Und da stehen sie dann: jede Menge 570S, 570S Spider, 570GT, 540C – und auch der ein oder andere Supersportwagen 720S ist zu sehen. Hier allerdings gilt dann, wie auch in den Testräumen von McLaren Racing, wirklich ganz striktes Fotografierverbot.

Mein Fazit: ein Tag bei McLaren in Woking gehört sicher zu den außergewöhnlichsten automobilen Erlebnissen überhaupt. Jedem Formel-1 Fan geht beim Anblick der dort versammelten Schätze augenblicklich das Herz auf. Wer die Gelegenheit hat, hier einmal hinein zu schnuppern, der sollte sich einen Besuch wirklich keinesfalls entgehen lassen.

Vielen Dank an Richard Mille für die Einladung nach Woking.

 

Fotos: © McLaren (2), Richard Mille (3), PCS (20)
Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2017

 

Kommentare