Ein halbes Jahr nach seinem Wechsel zu Breitling ist Georges Kern auf seiner ersten Roadshow. Mit dabei: die neue Breitling Navitimer 8 Kollektion, die auf diesem Wege den Konzessionären und der Presse vorgestellt werden soll. Start der Roadshow war Ende Januar in Shanghai, fast 5 Wochen später endete sie nun in New York. Wir trafen den neuen CEO Georges Kern in München zum Interview.
Herr Kern, was war Ihre erste gute Uhr? Haben Sie diese heute noch und tragen Sie sie noch ab und zu?
Mein Vater war Juwelier in Düsseldorf. Dadurch, dass ich von klein auf mit Schmuck und Uhren in Kontakt war, habe ich auch schon früh verschiedene Uhrenmarken getragen. Das war sozusagen Teil meiner Erziehung.
Nach über 15 Jahren bei Richemont, was war für Sie das Besondere, den Job bei Breitling anzunehmen? Was reizt Sie besonders an Ihrer neuen Aufgabe?
Grundsätzlich waren es zwei Aspekte: Zum einen die Möglichkeit, als Unternehmer tätig sein zu können, was im klassischen Angestelltenverhältnis in diesem Maße nicht möglich ist. Daraus ergibt sich ein ganz anderes Arbeitsgefühl. Es erfordert ein anderes Verhalten und auch eine andere Denkweise, aber vor allem stellt es eine große Motivation dar, selbst am Erfolg des Unternehmens teilhaben zu können. Andererseits trägt man natürlich auch das Risiko mit. Zum anderen ist Breitling eine Marke mit phänomenalem Potenzial. Schauen Sie sich unsere reiche Vergangenheit an, all unsere Innovationen und die klassischen Uhren – und denken Sie an die Stories, die wir darauf basierend in Zukunft erzählen können. Breitling war an den Olympischen Spielen, in James-Bond-Filmen und schickte den ersten Armbandchronographen ins All. Das alles stellt einen unglaublichen Wert für unsere Produktentwicklung und Kommunikation dar und ermöglicht es die Marke Breitling, die sehr erfolgreich und profitabel ist, als globale Marke zu etablieren. Heute sind unsere wichtigsten Märkte die USA, Europa und Japan. Jedoch müssen wir relevante Märkte wie China, Hongkong und Macao aufbauen und dafür brauchen wir, aufgrund der Ergonomie und den Präferenzen der asiatischen Kunden, kleinere und klassischere Uhren.
Die neuen Produkte sind also hauptsächlich für neue Märkte bestimmt?
Im Gegenteil. Wir wollen in den angestammten Märkten neue Kunden ansprechen, aber gleichzeitig auch neue Märkte erschließen.
Wie sieht der zukünftige Breitling Kunde im europäischen Markt gegenüber dem jetzigen Kunden aus? Wer soll zusätzlich angesprochen werden?
Wir sind im Preissegment von circa 3.000 bis 9.000 Euro vertreten und haben dort als Marke eine sehr starke Glaubwürdigkeit. Uhren unterhalb dieses Preissegments, werden wir in Zukunft nicht mehr führen, mit Ausnahme von Modellen für den professionellen Einsatz. Gleichzeitig werden wir aber auch die Preisskala nicht nach oben erweitern, denn Breitling ist keine Haute-Horlogerie-Marke. Aktuell sind wir in unserem Segment die Nische in der Nische. Erstens sind wir bekannt als Fliegeruhr. Zweitens als sehr große Fliegeruhr und drittens als große, laute Fliegeruhr. Deshalb planen wir das Angebot im zuvor erwähnten Preissegment mit sportlichen und eleganten Modellen auszuweiten und mit den Themenbereichen Erde und Wasser zu ergänzen. Mit klassischeren, eleganteren und kleineren Modellen wollen wir auch in unseren angestammten Märkten, wie USA und Europa eine neue Kundschaft gewinnen.
Die großen, wie sie sagen, lauteren Uhren werden jetzt aber nicht verdrängt durch die Neuen?
Nein, das ist komplementär und wird nebeneinander bestehen. Wir werden nicht aufgeben, worin wir stark sind. An der Baselworld werden wir neue große Uhrenmodelle präsentieren. Jedoch wollen wir wie erwähnt auch in Europa, den USA oder Japan neue Kundschaft gewinnen, die klassischere Produkte bevorzugen. Es gibt interessanterweise bei Breitling zwei Communities mit grundlegend unterschiedlichen Ansichten und Bedürfnissen. Es gibt die Breitling-Sammler-Community und es gibt die bestehende Kunden-Community. Hier gilt es eine Brücke zu schlagen und beide Segmente abzudecken
Gerade durch die bisherigen Produkte ist Breitling auch als ‚Macho-Marke‘ bekannt. Der Auftritt der Hostessen bei Messen oder auf Veranstaltungen spielt ebenfalls mit diesem Klischee. Das ist nicht mehr wirklich zeitgemäß. Auf der anderen Seite kann es manchmal aber auch ganz wohltuend sein, einen gewissen Kontrapunkt zum Mainstream zu setzen. Wie sehen Sie das?
Wir wollen als modern und nicht Mainstream verstanden werden, aber zeitgemäß, relevant und innovativ müssen wir sein. Wenn Sie sich eine Marke leisten, kaufen Sie immer ein ganzes Paket. Breitling wird ein neues Markenimage erhalten. Wir werden eine – meiner Meinung nach – sensationelle Werbekampagne lancieren. Sehr jung, sehr dynamisch, sehr differenziert. Zudem haben wir ein neues Boutique-Konzept entwickelt, inspiriert vom Loft-Style und Industrial chic – auch dies, ganz anders, als man es von der Uhrenindustrie kennt, sehr urban aber luxuriös. Die Boutiquen werden auch nicht mehr Boutiquen genannt, sondern Breitling Lofts. Wir werden Uhren der ganzen Bandbreite von extrem sportlich bis klassisch anbieten. Man kann sagen, der ganze Auftritt der Marke wird zeitgemäßer. Wir werden neue Partnerschaften eingehen, wie soeben mit der traditionsreichen britischen Motorradmarke Norton, einer coolen Marke mit einem leichten Retro-Touch oder Ocean Convervancy, einer Non-Profit-Organisation, die sich für den Erhalt des Ozeans als Lebensraum einsetzt. Ich bin überzeugt, dass wir eine sehr viel breitere Kundschaft erreichen können, als das in der Vergangenheit der Fall war und wir in unserem Segment zu einem Generalisten werden können.
Sie sprechen die Boutiquen bzw. Lofts an. Momentan gibt es in Deutschland nur in Frankfurt eine Monobrand Boutique. Soll dieses Konzept weiter ausgebaut werden? Und was bedeutet das für die klassischen Konzessionäre?
Natürlich müssten wir in einem so wichtigen Markt wie Deutschland, der insbesondere mit der lokalen Kundschaft verwurzelt ist, mit einer Flagship Boutique präsent sein. In Deutschland haben wir soeben die Distribution von unserem langjährigen und sehr geschätzten Vertriebspartner übernommen. Die Firma Trautmann hat über all die Jahre hervorragende Arbeit geleistet und die Marke in Deutschland aufgebaut. Es stellt sich nun aber die Frage: Wie bringen wir die Marke Breitling nicht nur in Deutschland, sondern weltweit auf die nächst höhere Stufe? Wir wollen die Marke weltweit nachhaltig aufbauen und den direkten Kontakt zu unseren Händlern und Kunden pflegen. Dabei ist einer der wesentlichen Aspekte bei diesem Prozess, der direkte Zugriff auf die Distribution. Wir werden weltweit das Breitling-Distributions-Netzwerk von rund 2.000 Geschäften auf etwa 1.500 reduzieren. In Deutschland werden es künftig ungefähr 160 Konzessionäre sein.
Welche Rolle spielt das Internet in Ihren Überlegungen? Planen Sie, Breitling Uhren online zu verkaufen?
Ich bin immer überrascht, warum diese Frage überhaupt gestellt wird.
Nun, das Thema ist bei vielen Marken ja tatsächlich noch nicht so wirklich durchgedrungen. Es gibt zwar immer wieder gewisse „Versuchsballons“, die teilweise auch recht gut laufen, aber so richtig trauen sich nur wenige.
Ich kann nur von mir reden und in meinem früheren Leben habe ich E-Commerce umgesetzt und wir planen das auch für Breitling. Man kann sich der Realität nicht entziehen. Wir verkaufen zwar analoge und emotionale Produkte, aber alles was diese Produkte umgibt, die gesamte Wertschöpfungskette, der Kundenkontakt, der Verkaufs- und Entscheidungsprozess, wie auch der Service, unterliegen der Digitalisierung. Für uns bleibt die mechanische Uhr im Mittelpunk. Neu werden wir unseren Kunden jedoch die Möglichkeit bieten, ihre Breitling online, in unseren Boutiquen oder aber bei einem von uns zertifizierten Händler zu kaufen. Diese Omnichannel-Strategie ist heute praktisch in allen Branchen bereits implementiert. Somit bieten wir dem Kunden die grösstmögliche Freiheit, seine Wunschuhr zu kaufen, wann immer und wo er es möchte.
Beim Online-Handel tritt man dann aber auch in Konkurrenz zum Graumarkt.
Da bräuchten wir jetzt einen halben Tag, um das Thema anzugehen. Ich möchte mich kurzhalten. Solange die Branche nicht in der Lage ist, den „Secondary Market“ zu strukturieren wie in der Automobilindustrie mit Gebrauchtwagen, wird es den Graumarkt geben. Es ist Aufgabe der Anbieter, den Händler zu unterstützen und den Verkauf von „Certified Pre-owned Watches über autorisierte Handelspartner oder auf eigenen Kanälen zu ermöglichen. Solche Bestrebungen sind bereits bei vielen Marken im Gange – auch bei uns!
Sehen Sie kein Problem darin, wenn ein Kunde seine Uhr verkaufen will und dann mit dem Gebrauchtpreis konfrontiert wird? Beim Thema Gebrauchtwagen ist es ganz normal, dass ein neues Auto, gerade innerhalb des ersten Jahres, gehörig an Wert verliert. Bei Uhren aber wurde in den letzten Jahren sehr viel von Geldanlage, Wertanlage gesprochen, das Thema auch durch die Presse entsprechend angeheizt.
Die Realität des heutigen Konsumenten ist doch eine ganz andere. Ich rede jetzt nicht über Vintage-Uhren. Die Realität ist doch, dass es zu sogenannten Trade-ins kommt, das heißt, man möchte seine alte Uhr verkaufen und mit dem Erlös oder einem Teil des Erlöses eine neue Uhr erstehen. Der Vintage- oder Gebrauchtuhrenmarkt ist mitunter deshalb sehr groß, weil die Uhren nicht verschwinden wie beispielsweise Automobile. Ein Auto wird in der Regel nach fünf oder zehn Jahren verschrottet. Eine Uhr verschwindet nie. Der zweite Unterschied ist, dass es in der Uhrenindustrie keinen strukturierten Secondhand-Markt gibt wie in der Automobilbranche. Ein Gebrauchtwagen hat ein Service-Büchlein, der Wagen wurde geprüft und hat am Ende noch ein Jahr Garantie. So funktioniert ein strukturierter Markt. In unserer Branche müssen diese Strukturen erst geschaffen werden. Denn nur so kann der Graumarkt bekämpft und Transparenz bezüglich der Preise geschaffen werden. Wir wollen dem Kunden schon bald die Möglichkeit bieten, eine gebrauchte Breitling bei uns direkt oder über zertifizierte und autorisierte Handelspartner zu kaufen. Sie haben im Leben immer die Wahl: Entweder versuchen sie gegen den Strom zu schwimmen und sich dagegen zu stemmen – dann gehen sie wahrscheinlich unter oder sie schwimmen mit und versuchen die Strömung für sich zu nützen. Ich würde allen empfehlen, das Zweite zu tun.
Wie sehen Sie die Zukunft der großen Uhrenmessen, insbesondere der Baselworld?
Das scheint alle Leute zu beschäftigen. Die grundsätzliche Frage ist, was soll eine Messe erfüllen: Kommunikationsplattform- oder Verkaufsplattform? In diesem Zusammenhang stehen die Messen in meinen Augen vor einem Transformationsprozess zu einer Kommunikations-Plattform, auf der die Hersteller ihre neuen Produkte präsentieren können. Das Modell einer klassischen Verkaufsmesse aber halte ich für überholt. Wir veranstalten aktuell eine Roadshow rund um die Welt. Anlässlich dieser Roadshowevents stellen wir unsere Produkte dem Handel vor und haben die Möglichkeit, sie gleichzeitig auch den Mitarbeitern der Konzessionäre wie auch Vertretern der Presse zu erklären. Dieses Vorgehen stellt für beide Seiten einen Gewinn dar. Trotzdem werden wir dieses Jahr in Basel vertreten sein und genau beobachten, ob und wie sich die Messe wandelt, um für die Aussteller relevant zu bleiben.
Die letzte Frage betrifft das Thema Manufakturwerke. Breitling arbeitet hier bereits mit Tudor zusammen. Wird diese Kooperation noch weiter ausgebaut? Können Sie sich diesbezüglich auch noch andere Partner vorstellen?
Wir arbeiten auch mit anderen Partnern und Zulieferern zusammen. Die Kooperation mit Tudor ist eine Win-Win-Situation, die ich sehr begrüße. Wir beziehen von Tudor ihre Automatic-Werke und wir liefern im Gegenzug unsere Chronographenwerke. Daraus resultieren Effizienzsteigerungen sowie verbesserte Qualität und Konditionen. Am Ende profitieren alle Beteiligten von einer solchen Kollaboration, insbesondere der Kunde. Ich bin der Meinung, dass die Uhrenindustrie diesbezüglich generell stärker zusammenarbeiten sollte.
Herr Kern, vielen Dank für dieses Gespräch.
Danke.
Hinweis zur Transparenz
Das Interview fand anlässlich einer Veranstaltung statt. Die Einladung hierzu erfolgte auf Kosten des Herstellers.
Fotos: © Breitling
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