Es ist noch gar nicht lange her, da hatten wir in unserer kleinen Redaktion eine große Diskussion. Es ging darum, wie kritisch Berichterstattung sein darf und vor allem sein muss. Nachdem ich kurze Zeit später auch noch in meinem privaten Umfeld darauf angesprochen wurde, dass meine Berichte oftmals eine Spur zu euphorisch seien war für mich klar: den nächsten Artikel, den du schreibst, der wird ohne Worte wie fantastisch, faszinierend, wunderschön, atemberaubend oder traumhaft auskommen müssen.

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Porsche Leipzig

Klar, ich bin ein Mensch, der recht begeisterungsfähig ist und diese erlebten Emotionen denn auch gerne in seinen Artikeln wieder- und weitergibt. Und man muss natürlich auch sagen, die Dinge, über die wir hier auf luxify schreiben, eignen sich meist ganz hervorragend dazu, wirklich begeistert zu sein. Aber ok, das nächste Mal wird alles anders. Versprochen.

Der Anruf kam Donnerstag Abend. Hast Du morgen schon was vor? Nein? Dann komm nach Leipzig. Porsche fahren auf der hauseigenen Versuchsstrecke. Och, warum eigentlich nicht?

Bei meiner Ankunft am Flughafen Leipzig wartet bereits ein Porsche Cayenne auf mich, der mich zum Werksgelände fährt. Hier stehen sie, die traumhaften Fahrzeuge wie Boxster, Cayman, Macan, Panamera und natürlich die Porsche 911er. 991 Turbos, um genau zu sein.

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Am Empfang registriere ich mich kurz, muss einen Haftungsverzicht unterschreiben, meinen Führerschein vorzeigen und mich mit einer Selbstbeteiligung im Schadensfall von 10.000 Euro einverstanden erklären. Oha.

Nach dem Papierkram erhalte ich ein schwarz-grünes Schlüsselband mit meinem Namensschild. 918 Spyder steht da drauf und so langsam wird mir klar, welchen Porsche ich da heute über die Rennstrecke bewegen soll. Echt jetzt? Einen möglichst sachlichen, wenig emotionalen Bericht schreiben? Über das derzeit vielleicht faszinierendste meistbeachtete Auto der Welt? Verdammt!

Die Rennstrecke, auf der ich den Supersportwagen mit ‚E-Hybrid‘ genannten Plug-in-Hybrid Antrieb testen soll heißt eigentlich Einfahr- und Prüfstrecke, ist aber ein von der FIA zertifizierter Rundkurs. Das Besondere: Konstrukteur Hermann Tilke, der auch die Formel 1 Rennstrecken unter anderem in Malaysia, Bahrain, China und Abu Dhabi plante, ließ auf der Rundstrecke in Leipzig 11 Kurven weltberühmter Rennstrecken nachbauen.

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Die Strecke von oben

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Und vom Restaurant aus gesehen

Los geht es, nach einer kleinen Stärkung, zunächst in einem Porsche 991 Turbo. Mein Instrukteur fährt, ich präge mir vom Beifahrersitz aus die Strecke und die Bremspunkte ein. Dann wird gewechselt. Ich bin dran.

Meine Rennsporterfahrung begrenzt sich auf ein minimales Training am Hockenheimring viele Jahre zurück. Entsprechend angespannt bin ich. Wird schon schiefgehen. Und wenn doch, was sind schon 10.000 Euro. Verkaufst du halt deine Uhr. Nee halt. Das reicht nicht. Verkaufst du zwei Uhren. Oder – drei? Autsch!

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Egal. Los geht’s. Und wie. Von der langen Start-Ziel Geraden geht es zunächst in die Parabolica, eine 180-Grad Rechtskurve die man mit konstantem Lenkeinschlag fahren kann. Also könnte. Wenn man denn kann. Ich hingegen muss doch das ein oder andere Mal korrigieren, nehme die Kurve, das Original findet sich übrigens auf dem Grand-Prix Kurs von Monza, etwas zu eng aber hey, das wird schon.

Am Ausgang der Parabolica wird voll auf die Gegengerade beschleunigt, die durch das eigentlich auf dem Nürburgring beheimatete Mobil 1 S unterbrochen wird. Die Rechts-Links-Schikane hat es echt in sich. Abbremsen, von außen einfahren, Bremse lösen und ein wenig die Curbs mitnehmen ist der Rat meines nun Beifahrers. Passt schon. Irgendwie passt’s bei mir aber nicht ganz so. Zumindest stehe ich viel zu lange auf der Bremse, was Zeit kostet. Andererseits, besser Zeit als Geld. Trotzdem ärgerlich. Das kann ich besser. Der Ehrgeiz ist geweckt.

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Noch einmal voll beschleunigen und hinein in die Lesmo-Kurve (ebenfalls Monza), die auf dem heutigen Kurs aber nicht komplett durchfahren wird. Stattdessen geht es hinein in die Bus Stop Schikane, die Formel 1 Fans aus Spa Francorchamps kennen. Exakt gerade auf die Schikane draufhalten, anbremsen, anschließend das Lenkrad nach rechts und über die Curbs wieder hinausbeschleunigen, willkommen zurück in der Lesmo mit ihren zwei weiteren aufeinanderfolgenden Rechtskurven, die aber wie eine große Kurve durchfahren werden. Wenigstens das klappt auf Anhieb ganz gut.

Aber Vorsicht! Denn am Ausgang der Lesmo wartet die Suntory Corner aus Shizuoka. Stark einbremsen in die enge Linkskurve, dann in der anschließenden weiten Rechtskurve wieder voll beschleunigen für die sich anschließende Start-Ziel-Gerade und – eine Runde ist geschafft.

Irgendwann bin ich dann reif, alleine zu fahren. Naja, fast alleine denn der Instrukteur fährt in einem weiteren Turbo vorneweg und gibt Kommandos über das Walkie-Talkie. Diese Runden sind die vielleicht lehrreichsten, weil man sich an seiner Linie orientieren kann. Von Runde zu Runde merke ich, wie ich besser werde, meine Linie finde, die Kurven flüssiger werden, auch wenn die „alten Hasen“ mich weiterhin laufend überrunden. Es macht Spaß, es macht süchtig.

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Es ist ein atemberaubendes, nein, faszinierendes, nein, geht auch nicht, also nennen wir es ein erhebendes Gefühl, auf so einer modernen und doch irgendwie historischen Rennstrecke seine Runden zu drehen, noch dazu in einem dafür so prädestinierten Auto wie dem Porsche Turbo!

Doch der Turbo ist nur der Vorgeschmack auf das, was nun folgt. Der Porsche 918 Spyder. Und die erste Herausforderung hier, die liegt im Einsteigen. Mit meinen 1,85 Metern Körpergröße ist es mir fast unmöglich, meine Beine ins Monocoque zu bekommen. Ein Schmerz als würde ich mir gerade die Hüfte auskugeln lässt mich kurz innehalten. Nee. Die Blöße gibst du dir nicht. Auf jetzt. Das geht schon. Geht dann auch tatsächlich und einmal drinnen hat man dann auch überraschend viel Platz.

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Da kommt er. „Mein“ 918 Spyder

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Wer beim Starten des Motors ein gewaltiges Sounderlebnis erwartet, der wird überrascht. Denn standardmäßig startet der 918 im E-Power Modus. Der Klang erinnert ein wenig an den einer anfahrenden S-Bahn und ist für einen ausgewiesenen Supersportwagen durchaus faszinierend bemerkenswert. Zunächst bin ich erneut Beifahrer, dann wird gewechselt. Zusätzlich zum Instrukteur neben mir fährt noch ein Porsche Turbo S als Safety Car vorweg. Warum eigentlich? Meine Linie kenne ich doch inzwischen auch so schon ganz gut.

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Der Porsche 918 Spyder wird von zwei Elektromotoren angetrieben. Der eine hat 129 PS und sitzt hinter der Vorderachse. Der Zweite, gelegen vor der Hinterachse, liefert gar 156 PS. Macht zusammen genommen und mit Rundungsdifferenz eine Systemleistung von 286 PS. Rein elektrisch!

In 6,2 Sekunden beschleunigt der 918 damit auf Tempo 100 und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von alltagstauglichen 150 km/h. Das reicht aus, um auch auf der Rundstrecke in Leipzig eine Runde rein elektrisch zu fahren.

Schaltet man den Drehring am Lenkrad auf H, wechselt der 918 in den Hybrid-Modus und entscheidet, ob und wann er den Verbrennungsmotor hinzuschaltet. Dieser ist im Sport-Hybrid Modus S immer in Betrieb. In diesen Modus schalten wir am Ende von Runde 1 und der V8 erwacht augenblicklich zum Leben. Und wie! Er grollt, er röhrt, dass es eine wahre Pracht ist. Eine Aussage allerdings, die fast schon wieder die Grenzen zur Emotionalität überschreitet.

Der 4,6 Liter V8 Benzinmotor bringt es auf 132 PS. Pro Liter!!! Macht insgesamt 608 PS und in Verbindung mit den beiden Elektromotoren eine Systemleistung von gar schwindelerregenden 894 PS. Porsche allerdings spricht „nur“ von 887 PS. Wo auch immer die fehlenden sieben hingekommen sind, es bleiben so oder so eine Menge übrig.

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Und besonders zur Geltung kommen diese beim Umschalten in den Race-Hybrid Modus R. Die Beschleunigung ist einfach nur brutal. Sie ist atemberaubend, och nöö, faszinierend, nee unbeschreiblich. Geht unbeschreiblich?

Vollgas beim Herausbeschleunigen aus der Suntory Corner und ich fühle mich wie Luke Skywalker bei seinem ersten Lichtgeschwindigkeits-Flug im Millennium Falcon. Es zieht die Mundwinkel nach hinten, es presst einen in die wohlkonturierten Schalensitze. Dieses Auto ist nicht von dieser Welt. Definitiv nicht. Das Herz schlägt augenblicklich schneller. Viel schneller. Es ist eine Mischung aus Anspannung und übererfüllter Erwartung. Und – es hört einfach nicht auf. Es geht immer weiter. Ginge, wenn der dämliche Turbo S nicht im Weg wäre. Was für eine lahme Krücke. Kann der nicht mal aufs Gas steigen? Ach der fährt schon Vollgas? Na dann. So in etwa muss sich Sebastian Vettel fühlen, wenn er hinter Bernd Mayländer hergurken muss.

Der Sinn des vorausfahrenden Safety Car wird mir nun recht deutlich. Das ist nicht zur Orientierung da, das hat nur einen Zweck. Einbremsen. Das Auto, das Adrenalin, die Euphorie. Wäre eigentlich nicht nötig, denn die Bremsen des 918 sind ebenso brutal wie seine Beschleunigung, auch hier bremsen die Elektromaschinen zusätzlich zur Keramikbremse mit. Noch nie wurde ich so dermaßen in den Gurt gepresst, wie hier in den Runden zuvor als Beifahrer.

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Für Abtrieb sorgt derweil der große Heckflügel, der im Racemodus seine maximale Stufe erreicht, sowie aktive Kühlluftklappen und aktive Diffusoren am Unterboden. Das Auto klebt auf der Strecke, dass es eine wahre Freude ist. Da ginge noch mehr. Wobei wir wieder beim Verkehrshindernis Turbo vor mir wären.

Aber – ich bin ja nicht dumm. In Runde zwei lasse ich mich vor jeder Geraden weit zurückfallen und habe so viel mehr Zeit und Platz für meine Beschleunigungsorgien. Ha!

Leider ist der Fahrer im Saftey Car ebenfalls nicht dumm und durchschaut meine List recht schnell. Mist!

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„Sollen wir zurück zur Box oder möchten sie noch weiter machen?“ Bitte? Was ist das denn für eine Frage! Jetzt, wo mir die Strecke allein gehört (die alten Hasen waren ja schon bei ihren Runden im Turbo so schnell, dass sie nun bereits fertig sind) werde ich sicher nicht aufhören.

„Wir machen noch eine“ funkt er dem Team im Safety Car. Och, DIE hätten ja eigentlich auch schonmal heim können. Noch einmal genieße ich die Beschleunigung, die definitiv auf der Stelle süchtig macht, und das, obwohl ich den roten Knopf am Lenkrad noch gar nicht gedrückt habe. Der bringt das Auto in die Hot-Lap Konfiguration für noch schnellere Rundenzeiten. Seltsam. Hat mir mein Instrukteur gar nicht erklärt. War vielleicht auch besser so.

„Das Safety Car fährt jetzt noch eine Auskühlrunde, die brauchen wir mit dem 918 nicht. Also einfach jetzt auf der Geraden nicht mehr voll beschleunigen, wir fahren dann ab“ Vor meinem geistigen Auge spielen sich augenblicklich diverse Szenarien zivilen Ungehorsams ab und einen Moment denke ich mir, was, wenn ich meinen Instrukteur jetzt einfach aussteigen lasse, unter einem Vorwand („Ich muss da noch ein Foto machen“) noch einmal zurück komme und dann – einfach weg?

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Nummernschilder sind eh dran und mit einer Höhe von 1,17 Metern passt der 918 vielleicht sogar unter der Schranke durch. Bis dahin hätte ich aber eh Tempo 300 drauf, das dauert nämlich nur 20,9 Sekunden. So schnell können die gar nicht gucken.

Und dann? Erst einmal das Burmester High-End Surround Soundsystem anschmeißen, das iPhone koppeln, die Heim-Adresse auf dem genialen Touchscreen in der freischwebenden Mittelkonsole eingeben und dann – aber nein. Du hast einen Ruf zu verlieren und das wär‘ dieses Auto dann doch nicht wert?

Wirklich nicht? Sicher nicht? Doch! Du machst das jetzt einfach!

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Ob unser Autor der Versuchung widerstehen kann oder wir uns einen neuen Redakteur suchen müssen, lesen Sie in Teil 2 unseres Fahrberichts über den Porsche 918 Spyder. 

Fotos & Text: © Percy Christian Schoeler (PCS) 2014

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