Nachdem wir nun gelernt haben, wie man anhand der Leuchtmasse erkennt, ob eine Rolex sich noch im Originalzustand befindet, fokussieren wir uns jetzt auf das Gehäuse selbst.

Meine Erfahrung zeigt mir, dass selbst eine stark getragene Uhr noch immer ihren Originalschliff hat. Vielleicht sind die Kanten ein klein wenig abgetragen aber grundsätzlich bin ich immer wieder überrascht, in welchem Zustand sich Gehäuse selbst nach 50 Jahren noch befinden.

Da wir diese unpolierten Gehäuse kaum noch finden ist es klar, dass die meisten Uhren am Markt schon einmal poliert wurden. Wer sich noch nicht im Klaren ist, wie eine bestimmte Referenz in unpoliertem Zustand aussieht, dem empfehle ich, sich mit einer Lupe die satinierten Stellen der Uhr anzuschauen. Gerade an diesen satinierten Stellen kann man am besten festmachen, ob eine Uhr poliert wurde, oder nicht.

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Oben und nachfolgend sehen wir zwei Beispiele für unpolierte Fasen, die abgeschrägten Kanten, die unter Vintage Rolex Sammlern so begehrt sind.

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Ein frisches Monoblock-Gehäuse, von der Rückseite gesehen. Schön zu erkennen, wie scharf die Rillen und die Gravuren von Referenz- und Seriennummern sind.

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Gravuren sind ein wichtiges Merkmal beim Erkennen einer polierten Uhr, etwa wenn die Uhr auf den ersten Blick zwar schön ausschaut, die Gravuren aber abgetragen oder poliert sind.

Das ist noch einmal das was ich mit der zusammenpassenden Patina meine. Es macht zum Beispiel keinen Sinn, wenn die Zeiger leuchten, das Zifferblatt aber nicht, die Lünette ausgeblichen ist, aber das Gehäuse wie neu wirkt, neue Drücker oder ein neues Glas auf die Uhr gegeben wurden.

Richtiggehend problematisch wird es, wenn der Gehäuseboden etwa eine frische, scharfe ASPREY Gravur trägt, die übrigen Gravuren aber schon unscharf und abgetragen wirken oder man einen Kratzer entdeckt, der unter der Gravur verläuft. All dies sind Indizien dafür, dass die Gravur erst im Nachhinein hinzugefügt wurde. Manchmal hilft der gesunde Menschenverstand weiter, wenn man am zweifeln ist.

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Neue, nicht-originale Lasergravur einer Military Submariner

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Einige Gehäuse, speziell die aus Edelmetall, haben über die Jahre Punzen erhalten, was hauptsächlich mit Im- und Export Regelungen zu tun hatte. Diese kleinen Stempel finden sich meist versteckt im Rückendeckel oder auf den Unterseiten der Hörner, manchmal auch an der Seite der Uhr. Wenn diese Details ausgetragen wirken, während die Uhr selbst in neuem Glanz erstrahlt, ist dies ein weiteres untrügliches Indiz für eine erfolgte Politur.

Gleiches gilt für die Stellen zwischen den Hörnern. Die Armbänder hinterlassen hier immer sichtbare Spuren. Sind die Gravuren für Serien- und Referenznummer hier noch sehr gut erkennbar ist das ein Zeichen dafür, dass die Uhr wenig getragen wurde.

Diese Details werden heutzutage allein deswegen schon besonders wichtig, da es die moderne Lasertechnik ermöglicht, Material auf ein Gehäuse neu aufzutragen und dieses dann anschließend per Politur wieder in den Catalogue Style zu versetzen. Schaut also das Gehäuse zwischen den Hörnern schon etwas mitgenommen aus, während es ansonsten nagelneu wirkt, wird wohl etwas nicht stimmen. Manchmal erkennt man auch an der Durchbohrung für die Federstege, dass es sich um einen Laser-Job handelt.

Hier Beispiele für unpolierte Gehäuse, zum Teil mit nahezu neuwertigen Gravuren und Punzen.

Französische Punze in der Mitte des Rückendeckels und Verkäufersignatur HERMÈS an der Seite.

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Neuwertiger und unpolierter früher Rolex Chronograph. Eine Zeitkapsel, die nach fast 75 Jahren noch immer ungetragen scheint!

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Gut lesbare Registered Design und Model Depose Gravur an dieser Jean-Claude Killy in Roségold.

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Seitlich ans Gehäuse angebrachte 18 Karat Punze mit Rolex Stempel an dieser unpolierten Roségold Padellone Ref. 8171

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Rolex Stempel und Gold-Punzen nehmen hier die Innenseiten von drei der vier Hörnern ein.

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Innenseite des Rückendeckels einer Rolex 6062. Gut zu sehen ist das Uhrmacherzeichen auf 12 Uhr.

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Die Rolex Referenzen tragen ihre eigenen speziellen Logos und Referenznummern auf der Innenseite des Deckels. Bis etwa 1966 / 67 ist dort ebenfalls das Datum zu sehen, zu dem sie das Werk verlasssen haben. Da die meisten Rolex Kaliber Automatikwerke sind, lässt sich anhand der Schleifspuren auf der Innenseite des Deckels auch gut ein ausgeschlagener Rotor erkennen. Ebenfalls lassen sich die Gravuren der Uhrmacher und anhand derer die Revisionen ablesen.

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Mein Rat: kaufen Sie sich eine professionelle Lupe mit 10-facher Vergrößerung. Ich empfehle eine Zeiss Lupe, die Sie bei Ihrem Optiker oder beim Philateliebedarf erwerben können. Von Lupen mit integrierter Lampe oder UV Licht rate ich ab, weil diese die Augen schädigen könnten.

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Sprechen wir über die Werke. Sie sind in den vergangenen Jahren eher ein wenig in den Hintergrund gerückt. Lustig eigentlich, denn denkt man an eine Uhr sollte das Uhrwerk eigentlich das Wichtigste überhaupt sein.

Als Sammler das Gebiet mechanischer Uhren entdeckten, ging es zunächst ausschließlich um hochkomplizierte Werke, die zunächst in Taschenuhren und später, nach Ende des 2. Weltkriegs auch in Armbanduhren verbaut wurden.

Auch heute noch beobachtet man, dass die eingefleischten Sammler von früher hauptsächlich an den Komplikationen interessiert sind. Grundsätzlich aber hat sich die Art des Sammlergebietes ganz dramatisch verändert.

Mittlerweile geht es in erster Linie um das Aussehen, um die Einzigartigkeit und den Erhaltungszustand. Neue Käufer betreten den Markt und ihnen geht es nur darum, eine Kollektion an schönen, ikonischen Armbanduhren aufzubauen.

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Der Anstieg der Preise den wir speziell bei den Rolex Daytona Modellen während der vergangenen zwei Jahre beobachten konnten, ist unglaublich. Die modifizierte Valjoux Kaliber nutzenden Rolex Daytona Paul Newman oder  Jean-Claude Killy DatoCompax brechen alle Rekorde, Ikonen wie die Big Crown Submariner, Milgauss, Explorer, Day-Date oder GMT-Master, allesamt mit Manufakturkalibern ausgestattet, erreichen diese Sphären bislang nicht.

Doch es ist davon auszugehen, dass Rolex‘ Innovationsgeist und das Erbe, welches gerade durch diese, mit eigenen Werken ausgerüsteten Referenzen begründet ist, auch sie zukünftig in solche Höhen treiben wird.

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Auch bei den Uhrwerken gilt bezüglich der Originalität oben gesagtes. Die Patina muss zum Rest der Uhr passen. Ist das Gehäuse perfekt, sollte es auch das Uhrwerk sein. Ich empfehle, sich die am stärksten beanspruchten Teile genau anzuschauen. In welchem Zustand befinden sie sich? Um das Uhrwerk aus dem Gehäuse auszuschalen, muss man die Krone aufschrauben und die Plättchen lösen, die das Werk im Gehäuse halten.

Sind die entsprechenden Schrauben, die sich meist in der Nähe der 3-Uhr Position befinden, beschädigt, bedeutet das, dass das Werk schon das ein oder andere Mal ausgebaut wurde. Vielleicht hat ein Uhrmacher einmal einen falschen Schraubenzieher gebraucht und so die Schraube oder den Bereich darum beschädigt?

Gleiches gilt für die sichtbaren Schrauben des Werkes selbst. Feuchtigkeit wird sie oxidieren lassen, sie bräunlich und dreckig wirken lassen. Hier hilft es, sich zuvor Bilder von neuwertigen Uhrwerken anzuschauen um den Unterschied zu begreifen.

Die meisten Rolex Uhren sind durch ihre Oyster Bauweise wasserdicht. Die Zahnung am Rückendeckel kann ebenfalls Auskunft darüber geben, ob die Uhr schon öfters geöffnet wurde. Ebenfalls sind im Deckel hinterlassene Uhrmachergravuren ein Hinweis auf die Anzahl an Revisionen.

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Unten: Werk einer Rolex Submariner, Kaliber 1560 mit dem damaligen Original-Rotor.

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Lesen Sie in Teil 3,  wie man gefälschte Teile erkennen kann.

Fotos & Text: © Philipp Stahl www.rolexpassionreport.com

Übersetzung: © Percy Christian Schoeler

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