Zu schön um wahr zu sein? Eine Geschichte über die Authentizität bei Vintage Uhren

Es ist der Sommer von 1963 als Hans und Franz beschließen, zusammen Urlaub zu machen. Rimini soll es sein. Rimini muss es sein. Der Strand, das Meer, die Mädels. Rimini. Ganz klar Rimini. Nach einem herrlichen Vormittag am Strand beschließen die beiden, ein wenig durch die Gassen zu schlendern.

Der Strand von Rimini im Sommer ’63 (Quelle: Wikimedia Commons / © Anidaat)

Ein Sommer in Rimini

Sie kommen an einem Juweliergeschäft vorbei und entdecken – SIE! Nein, nicht die hübsche Verkäuferin, die Rolex Submariner hat es ihnen angetan. Und wie das halt so ist im Urlaub, die Sonne, der Campari, die Luft, in Windeseile reift der Entschluss, etwas vermeintlich Unvernünftiges zu tun. „Ich kauf‘ die mir jetzt“ sagt Hans. Und Franz schaut ihn verwundert an. Meint er das ernst?

Eine Rolex Submariner (nicht aus 1963)

Hans meint das ernst. Und er verlässt wenige Minuten später mit seiner funkelnagelneuen 5513 das Geschäft. Hans ist glücklich, Franz versteht die Welt nicht mehr. Es folgen Tage am Strand. Verliebt schaut Hans immer wieder auf seine Uhr, geht mit ihr schwimmen und erhascht den ein oder anderen anerkennenden Blick der versammelten Damenwelt.

Rimini im Sommer ’63 (Quelle: Wikimedia Commons / © Anidaat)

Drei Tage später reicht es Franz. Das geht so nicht, denkt er sich, als er auf seine Armbanduhr eines nicht näher übermittelten Fabrikats starrt. „Ich bin mal kurz weg“ sagt er zum verliebten Hans und kommt eine halbe Stunde später mit seiner neuen Uhr zurück. Natürlich ebenfalls – eine Rolex Submariner.

Rolex Submariner 5513 mit einem Mk I Maxi Dial

Rolex Submariner – eine gute Wahl

Eine gute Wahl, wie sich herausstellen wird, denn die beiden Subs begleiten ihre stolzen Besitzer über die nächsten fünf Jahrzehnte! In der Zeit passiert natürlich so Einiges (vieles davon wäre nicht schicklich, hier näher beschrieben zu werden), doch die 5513er gehen mit Hans und Franz buchstäblich durch Dick und Dünn. So ein Leben hinterlässt natürlich seine Spuren. Also bei den Uhren. Und da unsere beiden Protagonisten ihre Uhren lieben, schicken sie sie in unregelmäßigen Abständen zur Revision.

Vintage Rolex Tauscheruhren 5513 Gilt Dial und 1665 Rail Dial

In fünf Jahrzehnten kommt da Einiges zusammen. Das Band zum Beispiel ist längst schon nicht mehr das Erste. Mit jedem Bandwechsel bekommen die beiden 5513er ein wenig mehr Modernität, etwa bessere Schließen. Auch die Bandglieder sind mittlerweile ganz anders, lassen sich schrauben statt mühsam biegen.

As time goes by – Unterschiedliche Glas- und Bandtypen

Klar, dass in einer so langen Zeit mal die Dichtungen gewechselt werden müssen. Die Aufzugskrone wird erneuert, das irgendwann komplett ausgeblichene Lünetteninlay gegen ein Neues getauscht. Zwischendurch gibt’s auch ein neues Glas, ein neues Blatt kommt auch dazu. Die Flecken auf dem Alten konnte man ja auch echt nicht mehr mit ansehen. Und neue Zeiger – klar. Die alten haben ja auch kaum mehr geleuchtet und – jaja, die Augen. Man wird halt auch nicht jünger.

Da siehst nix mehr – ein altes „Superdomed“ Plexiglas

Eine neue Liebe

2017 dann kommt, was kommen muss. Hans verliebt sich auf seine alten Tage noch einmal neu. Im Internet. Da hat er Bilder von ihr gesehen. Wir ahnen es: es ist die neue Sea-Dweller, die Hans‘ Herz erobert hat. Irgendwo las er sogar, das sei die beste Uhr, die Rolex jemals gebaut habe.

Die beste Rolex der Welt: „little big Red Sub“, Ref. 126600

Im Sommerurlaub in Portofino – seine Leidenschaft für Italien ist noch immer ungebrochen – sieht er sie das erste Mal live und ist sofort hin und weg. Hans will’s nochmal wissen und kauft das Ding. Den ollen Wecker verkauft er. Braucht er ja jetzt auch nicht mehr. Die Uhr geht an Luigi, einen freundlichen Gebrauchtuhrenhändler unweit des Urlaubsdomizils. Hans ist verblüfft, was die alten Dinger heute noch wert sind. 2000 Euro bekommt er dafür. Nicht schlecht. Ach Hans, hättest Du mal im Forum gelesen.

Nein, das ist nicht bei Luigi. Könnte es aber.

Wieder daheim zeigt Hans seinem Jugendfreund Franz seine neuste Errungenschaft. „Viel zu groß“ sagt der. Viel zu schwer – und kopflastig sei sie auch. „Stimmt doch gar nicht“, denkt sich Hans. Aus Franz spricht sicher nur der Neid. In drei Tagen wird er sie ihm wieder nachkaufen. Hat er ja immer schon so gemacht. Der alte Nachmacher.

Connections in die Scene

Meanwhile in Italy: Luigi schaut sich seinen Neuankauf genauer an und stellt fest – das geht ja mal gar nicht. Uhr von 1963, Blatt aus Ende der 90er Jahre, Zeiger und Lünetteneinlage noch neueren Datums, Band mit Schließencode aus 2003 – und diese Aufzugskrone! Schrecklich. So bekommt er die nie los. Wobei – das Gehäuse ist echt noch schön beieinander. Da ließe sich was draus machen. Er ruft seinen Freund Antonio an. Der hat „Connections in die Szene“.

Vintage Rolex Taucheruhren 5513, 1665, 1680

Antonio durchkramt die Schubladen. Ein zeitlich passendes Band ist schnell gefunden und auch so eine ältere Aufzugskrone hat er in seinem Sortiment. Schwieriger wird es da schon beim Blatt. Doch das Internet ist mächtig und das periodengerechte Zifferblatt vier Tage später in der Post. Zeiger farblich angleichen? Macht er selbst. Fehlt nur noch ein schönes Lünetteninlay. Gar nicht so einfach, denn die Serifen müssen stimmen. Schwierig, aber nicht unmöglich.

Welches hätten’s denn gern? Streng geheimer Lünettenfundus.

Nun noch ein NOS Plexiglas aus der alten Papierrolle genommen und – fertig ist die Uhr. Eine perfekte 5513, ein paar Kratzer? Ja. Ansonsten aber wieder genau so, wie sie damals im Laden lag. Dass kein Teil wirklich dem entspricht, mit dem die Uhr ausgeliefert wurde, wer will das merken? Ab damit auf die einschlägigen Handelsplattformen zu einem Preis, der einer solch vermeintlichen Safe Queen gebührt. „Aus Erstbesitz“, versteht sich – und ist in dem Fall ja noch nicht einmal gelogen.

Aus Erstbesitz

„Aus Erstbesitz“ schreibt auch Franz in sein Inserat, welches er wenige Tage nach Hans‘ Besuch aufsetzt. Die neue Sea-Dweller mit rotem Schriftzug, die hat’s ihm dann ja doch noch irgendwie angetan. Außerdem, was der Hans kann, das kann der Franz schon lange!

Späte Rolex Submariner 5513 Modelle

Und während Franz sich frustriert eine Absage nach der Anderen von den Konzessionären in seiner Nähe einhandelt – Warteliste kommt für ihn schließlich nicht in Frage, wer ist er denn? – diskutiert man in einem deutschsprachigen Uhrenforum sein Inserat. „Kann man die kaufen“ hatte dort ein User gefragt. Kann man nicht, so die einhellige Meinung. Schließlich passe da ja nun wirklich nichts zueinander. Das Band, das Blatt, das Inlay – für diese „Summe seiner Einzelteile“ findet sich nur ein Wort: Bastelwastel.

Die vielleicht schönste 5513: Maxi Mk. I

Er solle doch mal im Online Shop von Luigi aus Italien schauen, wird dem Forenuser geraten. Da wäre schließlich gerade ein sehr schönes, und völlig unverbasteltes Exemplar zu sehen. Sehr teuer freilich, aber Authentizität, ja die habe eben ihren Preis.

Wie authentisch ist Authentizität?

Und die Moral von der Geschicht‘? Nicht ganz einfach. Zwei identische Uhren, die ein über 50-jähriges Uhrenleben gelebt haben. Und auch, wenn eine der beiden nun den Eindruck erwecken mag, so sind sie in Wirklichkeit doch beide gleichweit entfernt von einer der so begehrten NOS Safe-Queens. Doch welche der Beiden ist nun authentischer? Wie definiert man überhaupt Authentizität? Wie realistisch ist es, dass eine Uhr nach so langer Zeit in all ihren Einzelteilen zeitlich original ist? Und welche Schlüsse sollten wir daraus ziehen? Die Diskussion: jetzt in unserem Forum.

Disclaimer: alle Protagonisten dieser Handlung sind selbstverständlich frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten zu tatsächlich existierenden Personen oder Unternehmen wären rein zufällig.

Fotos: © PCS 2018